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Relative Armut beschäftigt die Politik

Sinkender Wohlstand gefährdet den sozialen Zusammenhalt

Armut wie hier in der Berlin kommt auch in der Schweiz vor. (Bild: Emmanuel Ammon/AURA)

Die Zahlen sind alarmierend: Anfang Juli gab das Bundesamt für Statistik bekannt, dass die Armut in der Schweiz innerhalb eines Jahres um 10 Prozent gestiegen ist. Die Politik gibt dabei ein schlechtes Bild ab. Es braucht eine nationale Strategie zur Bekämpfung von Armut, fordert der Zuger Kantonsrat Andreas Lustenberger (Alternative – die Grünen) in seinem Beitrag.

Armut in der Schweiz? Darüber diskutiere ich viel, sowohl in meinen beruflichen wie auch in meinen politischen Tätigkeiten. Die Frage, ob es denn Armut in der Schweiz überhaupt gibt, begegnet mir dabei immer wieder.

Gerade wir Schweizerinnen und Schweizer, die gefühlt schon alle um die halbe Welt gereist sind, haben doch schon «so richtige Armut» gesehen. Fast eine Milliarde Menschen auf unserem Planeten lebt von weniger als zwei Franken pro Tag und kämpft täglich ums nackte Überleben. In solch absoluter Armut muss in der Schweiz tatsächlich niemand leben.

Viel mehr Menschen unter Armutsgrenze als gedacht

Was hingegen in der Schweiz leider viel zu oft vorkommt, ist die relative Armut: Menschen, die im Vergleich mit durchschnittlichem Lebensstandard in ihrem Land armutsbetroffen sind. Es geht also um die Frage, was man in der Schweiz braucht, um ein Leben in Würde, Freiheit und Selbstbestimmung führen zu können, wie wir es gemäss unserer Bundesverfassung allen Menschen in unserem Land garantieren möchten.

Die relative Armut wird an einer klar definierten Zahl festgemacht. Bei einer alleinlebenden erwachsenen Person liegt die Armutsgrenze bei monatlich 2600 Franken. Wer mit weniger auskommen muss, gilt in der Schweiz als arm.

In der Schweiz immer mehr Menschen betroffen

Seit gut zehn Jahren erfasst der Bund die Armutszahlen systematisch und informiert in regelmässigen Abständen über die Entwicklung. Zu Beginn der Sommerferien verschickte das Bundesamt für Statistik folgende Mitteilung: Statistischer Sozialbericht Schweiz 2019: Alter und Krankheit treiben die Sozialausgaben in die Höhe. Der Bericht hat es in sich: Darin wird ersichtlich, dass die Armut in der Schweiz von 2016 bis 2017 um 10 Prozent auf 8,2 Prozent gestiegen ist.

Das ist keine neue Entwicklung. Trotz guter wirtschaftlicher Konjunktur steigt die Zahl der Armutsbetroffenen in der Schweiz seit 2014 konstant an. Eine weitere erschreckende Statistik zeigt auf, dass auch die Armutsgefährdung zugenommen hat: 15 Prozent aller unserer Mitmenschen leben ganz knapp oberhalb der Armutsgrenze. Jede unvorhergesehene Ausgabe kann für sie fatale Folgen haben.

Viele Betroffene – langfristige negative Auswirkungen

Die Gründe für Armut sind vielseitig und äusserst selten selbstverschuldet. Insbesondere Menschen im Pensionsalter und Alleinerziehende sind überdurchschnittlich oft betroffen. Dasselbe gilt für Personen mit Migrationshintergrund – und für Kinder, was besonders tragisch ist. Denn aus der Armut wieder herauszukommen, ist um ein Vielfaches schwieriger, als in die Armut zu geraten.

Gleichzeitig haben armutsbetroffene Kinder oft schlechtere Bildungschancen und einen wenig gesünderen Alltag. Dies führt bereits früh zu einer Benachteiligung, die schwer wieder aufgeholt werden kann. Die Armutsspirale dreht sich für sie immer weiter.

Nationale Armutsstrategie erforderlich

In der Zentralschweiz liegen sowohl die Armutsgefährdung als auch die Armutsquote unter dem nationalen Schnitt. Dies hat jedoch weniger mit einer effektiven Strategie gegen Armut zu tun, sondern vielmehr mit soziographischen Merkmalen. Wo die Lebenshaltungskosten höher sind, leben auch weniger Armutsbetroffene.

Aufgrund des Stellenangebotes leben zudem weniger Armutsbetroffene auf dem Land als in der Nähe urbaner Zentren. Und so unterschiedlich die Gemeinden und Kantone betroffen sind, so unterschiedlich gehen sie auch mit dem Thema Armut um. Aber die Zahlen machen deutlich: Insgesamt tun wir ganz klar zu wenig!

«Die zunehmende Armut gefährdet den Zusammenhalt in der Schweiz.»

Am 1. August feierte die Schweiz ihren Geburtstag und in den unzähligen Festreden wurde in diesem Jahr der nationale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gelobt. Die zunehmende Armut gefährdet jedoch genau diesen Zusammenhalt. Dabei könnte es sich die wohlhabende Schweiz ohne Probleme leisten, die Armut in der Schweiz zu besiegen – so dass sich niemand existentielle Sorgen wegen einer Zahnarztrechnung machen muss oder dass seine Kinder vom ersten Tag an mit schlechteren Bildungschancen aufwachsen.

Faire Chance für alle

Denn die Armutsfalle kann jede und jeden treffen. Damit wir die Armut in der Schweiz nachhaltig beseitigen können, braucht es eine nationale Armutsstrategie. Bund, Kantone und Gemeinden müssen sich Ziele stecken und die notwendigen finanziellen Mittel dazu bereitstellen. Ich bin überzeugt, dass wir dies gemeinsam schaffen können und werde mich auch in Zukunft weiterhin dafür stark machen, dass alle Menschen eine faire Chance auf ein Leben in Würde, Freiheit und Selbstbestimmung führen können.

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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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