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Philipp Federer

Nachbetrachtung zur 1:12-Initiative

Der Rückblick auf die Abstimmung der 1:12 Initiative. (Bild: sle)

Selten stellte eine Initiative den globalisierten Ungerechtigkeitswettbewerb so stark in Frage wie die Lohninitiative. Philipp Federer, ehemaliger parteiloser Grossstadtrat und Lehrer, über die Abstimmung und die Lohnexzesse in der Zukunft.

Die Lohninitiative stellte, wie selten dies eine Initiative vermochte, den globalisierten Ungerechtigkeitswettbewerb in Frage. Interessant war, wie die Gegner der Initiative argumentierten, trotz der vorhandenen Lohnexzesse. Der Artikel enthält fünf Punkte und einen Ausblick im Nachgang zum Abstimmungskampf der 1:12-Initiative.

1. Die Rolle des Geldes
Die Initiativbefürworter gestalteten den Abstimmungskampf ohne Inserate, dafür mit Fahnen und originellen Strassenaktionen. Ihre Gegenseite operierte mit einer Millionen-teuren Abstimmungskampagne. An vorderster Front wurde der Gewerbeverband hingeschickt, der die grossen Manager und Bankiers verteidigen musste. Kleingewerbler mussten für die Abzocker den Kopf hinhalten und Millionensaläre verteidigen.

2. Die Rolle der Medien
Ansonsten kritische oder seriöse Zeitungen liessen sich in den Abstimmungskampf einspannen. Der «Tages-Anzeiger» instrumentalisierte den SP-Stadtpräsidenten von Bern, Alexander Tschäppät, fälschlicherweise als Gegner der Initiative. Die «NZZ» schrieb mit allen Mitteln gegen die Initiative. Am 9.11.2013 veröffentlichte sie auf der Titelseite ein Pamphlet mit 14 Behauptungen ohne Belege und Verweise. In diesem Artikel werden die Lohnsaläre dem globalen Markt unterworfen und das ganze Repertoire von Kann-, Können, Müssen- und Soll-Formulierungen eingesetzt.
Ausführlich habe ich diesen Artikel auf meiner Homepage provinzgefluester besprochen.

3. Die Rolle der Firmen und Staatsbetriebe
Verschiedene Firmenchefs, sogenannte CEOs von nationalen und internationalen Firmen, schüchterten ihr Personal ein. Sie forderten ihre Angestellten dazu auf, die Initiative abzulehnen, weil dies der globalisierte Wettbewerb so verlange. Selbst die SBB forderten ihre Angestellte auf, der Staat dürfe sich nicht in die Festlegung der Löhne einmischen. Diese seien durch das Unternehmen und die Sozialpartner auszuhandeln. Die Eisenbahnergewerkschaft SEV nimmt nun gerne Terminvorschläge entgegen, zu dieser Floskel. Sie würde liebend gerne die Topsaläre verhandeln. Als Zusatzbemerkung: SBB-Chef Andreas Meyer verdiente 2012 über eine Million Franken.

4. Psychologisierende Argumentationsweise und dumpfe Diffamierung
Die grossen Lohnunterschiede und Lohnexzesse lassen sich argumentativ schlecht verteidigen. Was machten die Gegner? Sie schwangen einfach die psychologisierende und diffamierende Keule. Wer mehr Gerechtigkeit verlangte, wurde als Neider diffamiert, obwohl diesbezüglich kein direkter Zusammenhang besteht. Heinz Karrer, immerhin Präsident von Economiesuisse, bediente sich weiterer Diffamierungen, die Befürworter seien arbeitsscheu und arbeiteten kaum. Die Gilde der Zeitungskommentatoren schwieg mehrheitlich dazu. Nationalrat Ruedi Noser, der gerne den gemässigten Zürcher FDP-Nationalrat spielt, holte in der «Sonntagszeitung» vom 24. März 2013 zum Rundumschlag aus. In dem ganzseitigen Interview benutzte er brachiale Begriffe gegen die 1:12-Initiative. Die SP führe Krieg gegen das Erfolgsmodell Schweiz. Leistung, Vergütung und Besitz würden stigmatisiert. Wer mehr Gerechtigkeit wolle, sei weltfremd. Nosers PR-Verteidiger bezeichnete die Initiative sogar als kommunistisch und sozialistisch. Auf meinen Einwand, 1:1 wäre kommunistisch und nicht 1:12, das die Schweiz früher problemlos praktizierte, liess er nicht gelten und bezeichnete mich als Idioten.

5. Zweckargumente
Die Widersprüche der Hardliner sind anhand der SVP Stadt Luzern ersichtlich. Diese hat aktuell eine Lohn-Initiative eingereicht zur Senkung der Stadtratslöhne. Diese betragen momentan maximal 1:4 und sollen neu höchstens noch gegenüber dem Minimallohn 1:3 betragen. 1:12 betrachtet die SVP dagegen als ein Regulierungsmittel des Teufels. Wer 1:12 als zu rigide bekämpft, jedoch selber 1:3 propagiert, ist mehr als hinterhältig. Diese Hardliner wollen die staatlichen Institutionen schwächen und ihre rigiden Vorstellungen des privaten Wettbewerbs durchzusetzen. Für sie dürfen Private alles, dem Allgemeinwohl verpflichtende Institutionen dagegen nichts.

Ausblick
Die nächsten Lohnexzesse werden folgen. Nach dem hervorragenden Börsenjahr 2013 können wir gespannt sein, wie die Erfolge an die Manager vergütet werden. Wir werden uns noch oft an die 1:12-Initiative erinnern und erinnern müssen. Eine Selbstregulierung, wie sie die ökonomischen Schulen propagieren, wird kaum stattfinden. Ohne staatliche Regulierung wird das angelsächsische Wettbewerbs- und Verdrängungsdenken sich weiter hemmungslos ausbreiten. Darauf wette ich ebenso wie auf weitere Lohninitiativen.  

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Pirmin Meier
    Pirmin Meier, 15.01.2014, 10:31 Uhr

    Der Lohn von CEO-Hagemann bei der Schaffner-Group dürfte sich nur im Vergleich zum Fachpersonal noch knapp in der Spanne 1 zu 12 halten, sicher nicht im Vergleich zum Hilfs- und Putzpersonal, zu schweigen von den Lehrlingen. Das Hilfspersonal wäre aber bei Annahme der Initiative mit Sicherheit ausgelagert worden, was ja auch nicht verboten gewesen wäre. Auch darum war die Initiative in der Detailformulierung Pfusch. Es genügt nach Friedrich Engels nicht, das richtige Klassenbewusstsein zu haben, es braucht auch Fachkompetenz, und nach Engels muss ein kommunistischer Führer wie ein Kapitän auf hoher See zumal in kritischen Fällen, die jeden Tag vorkommen können, unbedingte Befehlsgewalt haben.

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  • Profilfoto von Pirmin Meier
    Pirmin Meier, 15.01.2014, 10:21 Uhr

    Ich habe mich mit Philipp Federer auf lu-wahlen.ch über die 1 zu 12-Initiative gestritten, bestätige ihm jetzt aber gerne, dass seine Nachbetrachtung besonnen ist und weiterführend, zu 90 Prozent wohl zutreffend. Die Initianten des Anliegens 1 zu 12 müssen sich für nichts entschuldigen, und es handelt sich bei ihnen auch nicht um kommunistische Idioten. Zur Präzisierung erlaube ich mir noch anzumerken:

    1. Kommunismus fordert nicht 1 zu 1, da hat man Friedrich Engels nicht gelesen, etwa seine eindrucksvolle Abhandlung «Uber die Autorität» von 1872, wo er in Sachen Führung klar den Tarif angibt und die Mitbestimmung Unqualifizierter und Unkompetenter, auch aus der Arbeiterschaft, sowie jeglichen Anarchismus zurückweist. Gleichmacherei ist unkommunistisch und undialektisch. In der DDR, Kuba, China usw. herrschte bei Löhnen und Entschädigungen ein Verhältnis von klar unter 1 zu 12, aber natürlich nie 1 zu 1. Manager Schalck-Golodkowski, der mit Strauss einen Milliardenkredit für die DDR vereinbarte, war mit Honeckers Putzfrau sicher nicht zu vergleichen. Das Wichtigste in jedem kommunistischen System waren aber eher unbeschränkte Privilegien als hohe Löhne. Ein mir persönlich gut bekanntes intellektuelles Ehepaar aus der Nomenklatura, mit dem ich Gespräche führte, machte jeweils in Bad Ragaz Ferien, wo sie auch den Service für den VW-Golf machen liessen, während 17 Millionen Menschen in der DDR eingesperrt blieben.

    2. Gestern war die erste Generalversammlung der im Kanton Solothurn domizilierten börsenkotierten Schaffner-Group, einem führenden Elektronik-Konzern, seit Annahme der Minder-Initiative, welche von Economiesuisse mit ungefähr gleichem Aufwand wie 1 zu 12 und die «Masseneinwanderungsiniative» bekämpft wurde, einschliesslich eines Films von Michael Steiner, in dem die Verarmung der Schweiz bis 2035 prognostiziert wird. Obwohl die Ausführungsbestimmungen noch nicht in Kraft sind, hielt man sich flächendeckend an die Vorgaben der Minderinitiative und blieb auch klar innerhalb des Rahmens von 1 zu 12. Der höchste Lohn, nämlich der für den hochqualifizierten deutschen CEO Hagemann, der auch bei BMW und anderen Firmen noch Bezüge erhält, wurde vorschriftsgemäss auf Fr. 958 000.- festgelegt. Immerhin kann man in diesem Fall von Selbstregulierung sprechen, wiewohl ich keine grössere Einschränkung annehme. Aber immerhin verdient der Nachfolger von Vasella dank der Minderinitiative und vor allem dank der von diesem politischen Vorstoss geförderten grösseren Transparenz jetzt bei Novartis nur noch einen Bruchteil von Vasella. Man kann also nicht sagen, der von bürgerlicher und sozialdemokratischer Seite produzierte Druck hätte überhaupt nichts bewirkt.

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