Luzerner Quartierpolitik auf Abwegen
Die Quartierpolitik hat im Grossen Stadtrat einen hohen Stellenwert und auch der Stadtrat hat sich hier immer wieder zu einem partizipativen Ansatz bekannt. Jedoch zeigen verschiedene Beispiele, dass der Wurm drin ist. Nach Meinung von FDP-Grossstadtrat und Fraktionschef Marco Baumann muss der Stadtrat die Quartier- und Stadtteilpolitik ernster nehmen.
Die Neuausrichtung der Quartierentwicklung von 2017 sollte dazu führen, dass die Quartierkräfte aktiviert und unterstützt werden. Luzerner sollen sich gehört und ernst genommen fühlen, sie sollen mit dem Wohnumfeld und der Stadt zufrieden sein und sich in hohem Mass mit ihrem Quartier identifizieren.
Sie sollen sich freuen, wenn ein Quartierprojekt erfolgreich verläuft und sie sollen stolz darauf sein, dass ihre Ideen das Entstandene mitgeprägt haben. Diese Ziele der Quartierentwicklung haben sich der Stadtrat und der Grosse Stadtrat im Sommer 2017 gegeben. Doch wie steht es aktuell um unsere Quartierpolitik? Vier Beispiele zeigen mir, dass dringend Handlungsbedarf besteht.
Quartiere fühlen sich nicht ernst genommen
Letzte Woche nahm der Quartierverein Obergrund in einem öffentlichen Brief Stellung zum geplanten Abbruch der Soldatenstube und zur Brache Eichwäldli (zentralplus berichtete). Sie fühlen sich als Partner der Stadt Luzern immer mehr vernachlässigt und kritisieren, dass Entscheide unkoordiniert und unbesprochen kommuniziert und ausgeführt werden.
Auch wenn ich persönlich die konsequente Haltung des Stadtrats und seinen Entscheid bezüglich der Soldatenstube begrüsse, macht mir seine Quartierpolitik zunehmend Sorgen. Denn es ist nicht das erste Mal, dass sich der Stadtrat mit Kritik von Quartiervereinen konfrontiert sieht. Auch eines der grössten Quartiere, das Würzenbach-Quartier, fühlt sich vom Stadtrat vernachlässigt.
Verzögerung statt Förderung
Deshalb lancierte es im letzten Jahr einen Bevölkerungsantrag, mit dem die Quartierentwicklung endlich proaktiv gefördert wird. Quartierkräfte haben zahlreiche Ideen und Zukunftsbilder erarbeitet, die nun von der Stadt Luzern in Angriff genommen werden sollen. Der Stadtrat fand die Ideen zwar unterstützenswert, wollte aber aufgrund fehlender Ressourcen nicht sofort mit der Umsetzung beginnen.
Wir vom Grossen Stadtrat begrüssten das wertvolle Engagement der Bevölkerung im Würzenbach-Quartier, weshalb wir den Bevölkerungsantrag mit einer zeitnahen Umsetzung unterstützten. Denn eine lebendige und aktive Stadt Luzern ist auf solche Quartierinitiativen angewiesen.
Fehlende Ressourcen als Killerargument
Mit einem weiteren Quartieranliegen wird sich der Grosse Stadtrat diesen Donnerstag beschäftigen. Das Quartier «Lueg is Land» hat ein Entwicklungskonzept für das Geissmattpärkli an der Reuss erarbeitet. Mit diesem soll ein attraktiver und naturnaher Lebensraum für das Quartier entstehen. Doch auch diese Projektidee möchte der Stadtrat nicht vollständig annehmen und begründet dies mit fehlenden Ressourcen.
Diese fehlenden Ressourcen scheinen wohl als Killerargument gegen Projekte zu dienen, die nicht in einem aufwendigen Verfahren und gestützt auf mehrere Studien erarbeitet wurden. Denn auch das vierte Beispiel muss mit fehlenden Ressourcen begründet werden. Anders lässt es sich nicht erklären.
Marco Baumann ist Fraktionschef der FDP und sitzt im Grossstadtrat der Stadt Luzern. Er ist Vizepräsident der Geschäftsprüfungskommission und Mitglied der Verkehrskommission. Der Betriebsökonom arbeitet als Berater öffentlicher Verwaltungen und NPO. Baumann ist Präsident der FDP Radigal sowie Vorstandsmitglied von Pink Cross Schweiz.
Nach heftigen Regenfällen und Gewittern Ende Juni und Anfang Juli mussten sowohl die westliche als auch die östliche Bergstrasse auf dem Littauerberg gesperrt werden. Seit der Sperrung gelangt die Bevölkerung auf dem Littauerberg weder mit dem Auto noch mit dem Velo oder zu Fuss direkt zum Littauerboden, nach Littau Dorf oder nach Reussbühl. In den ersten Wochen fehlten den Betroffenen jegliche Informationen zu den Gründen und der möglichen Dauer der Sperrung.
Sie konnten sie nur aus den Medien entnehmen. Diese Sperrung dauert nun schon mehr als fünf Monate an. Die Quartierkräfte kritisieren den Stadtrat dafür, dass ein ganzer Stadtteil vom Stadtgebiet abgetrennt und dieser während mehrerer Monate seinem Schicksal überlassen wird. Es wurde zu spät kommuniziert und die Anliegen der Bevölkerung wurden bei den Sanierungsprojekten nicht berücksichtigt.
Quartierpolitik muss wieder einen hohen Stellenwert erhalten
Der Stadtrat hat sich zwar fest vorgenommen, die Quartierentwicklung voranzutreiben und dabei auch die Bevölkerung miteinzubeziehen. Jedoch zeigen die Beispiele, dass wohl vor allem bei der Kommunikation der Wurm drin ist. Meiner Meinung nach muss der Stadtrat die Quartier- und Stadtteilpolitik ernster nehmen.
Die Quartiervereine sollen frühzeitig in die Entscheidungsprozesse integriert werden. Denn sie wissen am besten, was die Bevölkerung in den Quartieren benötigt und beschäftigt. Unsere Fraktion wird auch in Zukunft konkrete Quartierprojekte unterstützen, welche einen Mehrwert für die Stadtteile schaffen und dabei Synergien nutzen. Wir möchten aber keine Planungen auf Vorrat und Stadtverschönerungsprojekte, welche sich nur auf die Innenstadt beziehen.
Der Fokus des Stadtrats muss sich inskünftig stärker auf die Quartiere und weniger auf die Innenstadt richten, denn dort leben die meisten Bewohner. Nur so können wir das Potenzial der Quartierkräfte nutzen, um die hohe Lebensqualität der Stadt Luzern noch zu steigern.