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Verkehrspolitische Kompromisslösungen statt Powerplay

Konstruktive Diskussionen statt «Velos sind gut, Autos sind böse»

Stau ist in der Stadt Luzern keine Seltenheit. (Bild: Pixabay)

FDP-Grossstadtrat Marco Baumann ist vor einem Jahr vom Stadtteil Littau in die Neustadt gezogen. Obwohl er das Auto kaum mehr nutzt, wünscht er sich weniger Gut-Böse-Rhetorik zu den verschiedenen Mobilitätsformen.

Ich bin Autofahrer, Velofahrer, ÖV-Nutzer und Fussgänger. Ich nutze das, was mich am schnellsten und am einfachsten von A nach B bringt. Seit ich in der Neustadt wohne, brauche ich das Auto nur noch für Kundenbesuche im Hinterland, für Möbeltransporte und für ausserkantonale Besuche, die ich mir aufgrund der schlechten Erschliessung nicht mit dem öffentlichen Verkehr zumuten möchte.

Zur Arbeit kann ich zu Fuss gehen. Für den Weg ins Fitnesscenter nutze ich nextbike. Das alles ist ein Privileg und ein Vorteil, der mich vom Stadtteil Littau in die Neustadt geführt hat. Ich kann mich in diesem Punkt mit dem sich ständig küssenden Vorzeigepaar in der städtischen Kampagne «Wir leben Klimaschutz» voll identifizieren.

Warum braucht es auch ein Auto, wenn man zum einen wenig Geld hat und zum anderen in der Stadt Luzern wohnt und arbeitet? Mit dem Velo oder zu Fuss ist man flexibel, ökologisch, und es ist um einiges günstiger. Eine Win-win-Situation sozusagen.

Unterschiedliche Bedürfnisse führen zu unterschiedlichen Lösungen

Mit diesem Privileg ist es auch unverständlich, dass es so viele Autofahrer gibt, die mit ihren Fahrzeugen in die Stadt fahren, Parkplätze nutzen und Staus verursachen. Was man alles aus diesem Platz machen könnte. Aus den Parkplätzen könnten Naschgärten entstehen, Begegnungsorte für spontane Picknicks mit den Nachbarinnen und Nachbarn oder weitere Spielplätze für die Kinder. Hauptsache keine Autos.

Dabei geht vergessen, dass nicht alle Stadtluzerner Bewohnerinnen und Bewohner so zentral wohnen und arbeiten wie man selbst. Nicht alle Quartiere sind in der Stadt Luzern gleich gut erschlossen wie die Innenstadt. Nicht alle können auf das Auto verzichten. Jedoch sind alle von einer guten Erreichbarkeit der Stadt abhängig.

Wir brauchen Kompromisslösungen

Das Gewerbe und gehbehinderte Menschen genauso wie Schweizer Touristen aus schlechter erschlossenen Gebieten. Die Stadt Luzern hat eine Zentrumsfunktion und sie ist eine Tourismusdestination. Wir profitieren davon, wenn Menschen in unserer Stadt arbeiten, einkaufen, essen, trinken und die Schönheit unserer Stadt bewundern.

Denn genau dieses Zentrale ist der grosse Vorteil der Innenstadt. Was wir darum brauchen, sind Kompromisslösungen. Lösungen für die Bedürfnisse nach Frei- und Begegnungsräumen, wie auch für die Erreichbarkeit mit allen Verkehrsträgern.

Autofahren wird unattraktiver

Diese Kompromissbereitschaft schwindet bezüglich Verkehr leider immer mehr. Die SP und die Grünen haben das Auto vor mehreren Jahren als neues Feindbild erkannt und nutzen seitdem jede Gelegenheit, dieses aus der Stadt zu verdrängen. Die Autos sollen verschwinden. Sie sind nicht umweltverträglich und nehmen zu viel Platz ein.

Dass die Autos stetig sauberer werden, wird ausser Acht gelassen. Auch dass die Stadt für eine gute Erreichbarkeit auf ein ausgebautes Strassennetz und genügend Parkplätze angewiesen ist, lassen sie nicht als Argument gelten. Mit Fahrverboten, Spurenabbau, Temporeduktionen und Parkplatzabbau wird das Autofahren möglichst unattraktiv gemacht.

Überzeugungsarbeit statt Verbote und Abbau

Dies zum Leidwesen aller Autofahrerinnen und Autofahrer, die auf das Auto angewiesen sind. Was ist das für eine Verkehrspolitik? Möchte man eine echte Verkehrswende einleiten, muss man doch vor allem politische Überzeugungsarbeit leisten. Man muss den Wechsel für jene schmackhaft machen, die einfach auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen können.

Mit dem Angebot und dem Aufzeigen der verschiedenen Mobilitätsmöglichkeiten kann sehr viel mehr erreicht werden als damit, konzeptlos Parkplätze und Fahrspuren abzubauen und Autofahrerinnen und Autofahrer zu verteufeln. Die Stadt Luzern hat eine solche Überzeugungsarbeit in ihrer neuen Kampagne «Wir leben Klimaschutz» gut integriert. Es werden Mobilitätslösungen mit ihren Vorteilen vorgestellt, ohne das Auto zu verteufeln. Genau so stelle ich mir das vor.

Zum Autor

Marco Baumann sitzt für die FDP im Grossstadtrat der Stadt Luzern, ist Vizepräsident der Bildungskommission und Mitglied der Verkehrskommission. Er ist Betriebsökonom und arbeitet als Berater öffentlicher Verwaltungen & NPO. Baumann ist Präsident der FDP Radigal sowie Vorstandsmitglied von Pink Cross Schweiz.

Zusammenarbeit statt Gut-Böse-Rhetorik

Der Grosse Stadtrat wird sich nächsten Donnerstag neu konstituieren. Aufgrund ihrer Sitzgewinne könnte Rot-Grün in der Verkehrspolitik ein Powerplay starten. Bei so knappen Mehrheiten ist es aber umso wichtiger, Kompromisslösungen auszuarbeiten. Ich möchte nicht mehr über «Velos sind gut, Autos sind böse» diskutieren.

Es braucht nun konstruktive Diskussionen, eine Gesamtverkehrsstrategie, die während einer Legislatur Gültigkeit hat, und smarte Mobilitätslösungen. Nur so können wir den Stauproblemen in der Innenstadt und der Agglomeration wie auch der Klimaherausforderung optimal begegnen.

Ich wünsche mir in der neuen Legislatur weniger Spaltungspolitik und weniger Gut-Böse-Rhetorik. Ich wünsche mir mehr individuelle Lösungen für die Quartiere, die den unterschiedlichen Bedürfnissen und lokalen Gegebenheiten Rechnung tragen. Ich wünsche mir ein Miteinander und nicht ein Gegeneinander der verschiedenen Verkehrsträger. Wird die Ratslinke dafür Hand bieten?

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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Remo Genzoli
    Remo Genzoli, 28.08.2020, 13:07 Uhr

    lieber herr baumann
    in einem punkt gehe ich mit ihnen einig: das problem des städtischen individualverkehrs kann man nicht durch eine gut-böse rhetorik lösen.
    fakt ist aber, dass seit ende des 2. weltkriegs die bedürfnisse und der ausbau des motorisierten individulverkehrs im zentrum der verkehrs- und städteplanung waren und diese jahrzehntelang auch massgeblich bestimmt und geprägt haben. die konsequenzen dieser strategie werden nun mit der aktuellen verkehrssituation offensichtlich und brauchen hier keiner weiteren ausführung, dazu gibt es genug studien und auch lösungsvorschläge. über diese kann man natürlich diskutieren. was allen aber gemeinsam ist: sie verlangen einen grundsätzlichen und vielleicht auch visionären paradigmawechsel, bzw. eine bereitschaft, sich von diesen ewiggestrigen verkehrs- und städteplanungskonzepten zu verabschieden. leider sehe ich wenig bereitschtschaft seitens der bürgerlichen parteien, da ernsthaft hand zu bieten, über den tellerrand hinauszublicken und taten folgen zu lassen. vielleicht braucht es halt doch etwas powerplay, damit sich etwas verändert. ja, und noch etwas: die bürgerlichen hatten wärend jahrzehnten eine komfortable mehrheit im grossen stadtrat und tragen somit auch verantwortung für die aktuelle verkehrssituation. es ist für mich schon noch befremdlich und zeugt nicht von politischer grösse, wenn sie die aktuellen (knappen) mehrheitsverhältnisse beklagen.

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