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Barbara Gysel zu Fair Trade

Klimaschutz: Vertrauen ist gut, Vergleiche sind besser

Früchte im Verkauf: Es lohnt sich, zu vergleichen. (Bild: Emanuel Ammon / AURA)

Fair Trade solle ein Prozess bleiben, sagt die Zuger SP-Präsidentin Barbara Gysel. Nicht um Wohltaten gehe es, sondern um das Wohlergehen der Menschheit mit sozialer Verantwortung, Klima- und Umweltschutz. Als individuelle Konsumierende steuern wir im Alltag mit unserem Einkaufsverhalten dieses Wohlergehen mit.

Der aktuelle faire Handel befriedigt nicht alle. Zum Beispiel Ursula Brunner, ehemalige Thurgauer FDP-Kantonsrätin und eine der befreiungstheologisch motivierten Pionierinnen von Konsumierenden-Aktionen − bekannt geworden als eine der «Bananenfrauen». Wie vor einigen Monaten von ihr zu lesen war, sei Fair Trade ein statisches System geworden. Stattdessen sollte er ein Prozess sein, den man immer wieder hinterfrage. Die Anfänge liegen weit zurück. Anfang der 1970er Jahre verteilte die heute 88-Jährige in Frauenfeld mit Gleichgesinnten gratis Bananen; die beigelegte Zeitung machte dabei auf die schwierigen Arbeitsbedingungen in Mittelamerika aufmerksam. Die «Bananenfrauen von Frauenfeld» forderten die Grossverteiler damals auf, die Früchte mit einem Aufpreis von 15 Rappen pro Kilogramm zugunsten eines Entwicklungsprojektes zu verkaufen. Die Migros hätte klipp und klar geantwortet: «Wir sind keine Wohltätigkeitsorganisation.» Das hat sich mittlerweile geändert. Grosse Detailhändler versuchen sich in dieser Frage vom Saulus zum Paulus zu wandeln: Seit fast zehn Jahren verkauft Coop ausschliesslich Max Havelaar-Bananen; Migros wiederum will das Max Havelaar-Sortiment bis 2015 um 75 Prozent steigern.

Wie Ursula Brunner aber zu Recht sagt, sollte Fair Trade ein Prozess bleiben. Nicht um Wohltaten geht es. Sondern auch um das Wohlergehen der Menschheit mit sozialer Verantwortung, Klima- und Umweltschutz. Und: Als individuelle Konsumierende steuern wir im Alltag mit unserem Einkaufsverhalten dieses Wohlergehen mit.

Es mag unglaublich klingen, aber zuweilen sind die Früchte aus Übersee trotzdem für weniger Treibhausgase verantwortlich als die einheimischen.

Auf Ebene von Unternehmen steht CSR für Corporate Social Responsability. Auch die Wirtschaft kann und soll soziale Verantwortung wahrnehmen. Gerne würde ich das CSR umdeuten: Consumer Social Responsability. Wenn beide ‹C› funktionieren, dann erreichen wir echte Nachhaltigkeit: Es braucht dazu sowohl die Unternehmen, die mitziehen, als auch wir individuelle KonsumentInnen. Und wenn’s nicht klappt? Nun, dann ist wohl eine Rahmung durch die Politik gefragt.

Ökobilanz stetig verbessern

Der Umsetzung sozialer Verantwortung geht also eine Reflektion voraus. Dazu ist die Bereitschaft gefragt, bisheriges Wissen kritisch zu überdenken. Was in den frühen 1970er Jahren für die Bananen galt, ist auch noch heute beim Obst angezeigt. Auf den ersten Blick scheint es zum Beispiel wohl kaum der Rede wert: Ein einheimischer Apfel hat sicher eine bessere Ökobilanz als einer etwa aus Neuseeland. Die Früchte müssen über weite Strecken transportiert und gekühlt werden. Und dennoch: Es mag unglaublich klingen, aber zuweilen sind die Früchte aus Übersee trotzdem für weniger Treibhausgase verantwortlich als die einheimischen. Und so heisst es dann überraschend, wenn alle Details stimmen: «Ein Apfel aus Neuseeland kann ökologischer sein als der heimische.» (Strikt saisonal einzukaufen ist aber nach wie vor eine gute Faustregel.)

Um diesem ökologischen Fussabdruck nachzugehen, wird nun per 2015 mit Unterstützung des Bundes und auch der französischen Umwelt- und Energiebehörde und Wirtschaftsvertretungen eine internationale Datenbank «World Food LCA Database» geschaffen. Damit wird ein Versuch unternommen, bei Lebensmitteln eine Ökobilanz pro Produkt und Land herzustellen. Ergo: Vertrauen in die Region ist gut, aber auch Vergleiche sind wichtig. Schliesslich können Schweizer Produzierende ihre Ökobilanz nach wie vor verbessern – nicht dass das Label bald lautet «aus dem Ausland für die Region».

Wer sich also auf neue Erkenntnisse einlässt, kann eine Revolution bisherigen Wissens erfahren – und kann das alltägliche Handeln beeinflussen, sodass auch ein interessantes Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft entstehen kann. Die «Bananenfrauen» sind für mich eines der Vorbilder, sich auf nachhaltige Entwicklungen und soziale Herausforderungen einzulassen.

 

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