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Marie-Isabelle Bill

«Fromme Wünsche»

Was bringt das neue Jahr wohl für den Kanton Zug? (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Haben Sie sich auch eben die alljährliche Portion Rückblick zu Gemüte geführt? Da waren doch die Jahresrückblicke in allen Medien und natürlich auch die dazugehörigen Kommentare. Mehr oder weniger qualifiziert, mehr oder weniger sachlich. Und Ihr ganz persönlicher Rückblick, wie beurteilen Sie ihn?

Haben Sie sich auch eben die alljährliche Portion Rückblick zu Gemüte geführt? Jahresrückblicke in allen Medien und natürlich die dazugehörigen, mehr oder weniger qualifizierten Kommentare. Und Ihr ganz persönlicher Rückblick, wie beurteilen Sie Ihr Jahr?

1915, vor hundert Jahren wurde Edith Piaf geboren und fast jeder kennt ihr Chanson: «Non, je ne regrette rien!» – «Nein, ich bereue nichts!». Ich schon, wenn ich zurückblicke auf das Jahr 2014. Ich frage mich, ob ich genug getan, mich ausreichend engagiert habe. Ich bereue es, mich nicht mehr in Diskussionen eingebracht, manchmal ein klein wenig zu rasch resigniert und ab und zu mal die Faust im Sack geballt zu haben. Und besonders reut mich, nicht öfters den konstruktiven Streit, die Herausforderung und schlussendlich einen Konsens gesucht zu haben. 

Oft sind wir uns nicht einig, innerhalb der Familie, des Freundeskreises, der Partei oder innerhalb der Zentralschweizer Kantone: War es das wirklich? Hat ein Ereignis eitel Freude oder Kritik ausgelöst? Ein Abstimmungs- oder Wahlresultat, war es zufriedenstellend, erfreulich oder niederschmetternd, gar frustrierend? Die Fronten verhärten sich, auch innerhalb der Zentralschweizer Kantone.

Und wie immer schauen wir voraus, in der Hoffnung, einen kleinen, hoffnungsvollen Blick in die Zukunft zu erhaschen. Was mag das neue Jahr, dieses 2015 bringen? Es wird Überraschungen geben, da bin ich sicher. Und das nicht nur, weil die Eidgenössischen Wahlen anstehen. Alles ist offen. Dann, wenn wir einmal mehr erkennen, dass der Blick in die Kristallkugel nichts aussagt über die Qualität des kommenden Jahres, bleibt uns nichts anderes, als ein paar Wünsche anzubringen.

Unsere Familie hat das Ritual, dass jeder am Silvesterabend seine Wünsche auf zwei Zettel notiert: Einen, mit den Dingen, die man loswerden will. Den anderen mit denjenigen, die man sich neu ins Leben wünscht. Hoch oben auf «unserem» Walchwiler Berg, mit weitem Blick über den Zuger- und Vierwaldstättersee. bis in die Zentralschweizer Voralpen, werden diese Zettel dem Silvesterfeuer übergeben. Kurz vor Zwölf und vor dem Anstossen auf das neue Jahr. Keiner erzählt, was er notiert hat. Manchmal frage ich mich, ob sich diese Wünsche nicht in die Quere kommen. Wenn ich mir etwas weniger Gewicht wünsche, dann wünscht sich der Gatte etwas mehr Zeit für gemeinsames Kochen und Geniessen. Der FDP-Freund wünscht sich bestimmt etwas anderes als wir aus dem Grünliberalen Haushalt und die SP-Frau aus Zug. 

Womit wir wieder bei den Wahlen und dem politischen Jahr sind. Was wünschen sich die politischen Parteien? Alle können unmöglich mit einer Mehrheit in die Räte einziehen. Wir Zuger und Schwyzer wünschen uns einen «gerechteren NFA», fast der ganze Rest der Schweizer Kantone will ihn um jeden Preis behalten, wie er ist. Alle können nicht alle Abstimmungen gewinnen.

Das Denken, die  Ängste und Wünsche der anderen zu verstehen suchen, heisst nicht, alles zu akzeptieren. Aber ich kann einen kleinen Schritt zu Seite gehen und plötzlich finden beide Platz. 

Falsch! Ich bin der Überzeugung, dass wir alle gewinnen können. Aber nur, wenn wir uns engagieren, wenn wir Interesse zeigen und vor allem, wenn wir wieder konsensfähig werden. Die Kunst, Kompromisse einzugehen, war doch mal eine grosse Qualität der helvetischen Politik. Den goldenen Mittelweg zu gehen, heisst nicht «faule Kompromisse» schliessen. Es heisst, sich mit demjenigen, der anders denkt und handelt, einzulassen, auf ihn zuzugehen und ihm die Hand zu reichen. «Ich versuche, Dich zu verstehen. Mach doch mit. Gemeinsam finden wir eine Lösung!» Das Denken, die  Ängste und Wünsche der anderen zu verstehen suchen, heisst nicht, alles zu akzeptieren. Aber ich kann einen kleinen Schritt zu Seite gehen und plötzlich finden beide Platz. 

Wer jetzt der Meinung ist, das sei «Wischiwaschi- oder Gschpürschmi-Politik», versteht mich falsch. Nicht nur in der Politik ist das Leben Geben und Nehmen. Aber ganz bestimmt auch da, wo für das Land etwas erreicht werden soll – und das wollen bekanntlich alle.

Ich wünsche mir 2015 für meine Schweiz, meinen Kanton Zug, mein Walchwil:

  • Politiker, die konsensgewillt aufeinander zu gehen, einander zuhören, miteinander reden. Das Wort «Parlament» meint genau dies.
  • Menschen, junge und alte, die sich aktiv am Geschehen und an der Zukunft unseres Landes beteiligen.
  • Menschen, die den Blick über den wohlgefüllten Tellerrand unseres Landes heben und erkennen, dass nicht nur das eigene «Menü Eins» allein selig machend ist.
  • Menschen, die konsensgewillt aufeinander zu gehen, einander zuhören, miteinander reden…

Womit sich der Kreis schliesst – Sie merken, Politiker sind auch Menschen.

Sollten Sie jetzt der Überzeugung sein, das seien fromme Wünsche, dann bin ich nicht Ihrer Meinung. Naja, ein bisschen schon. Vielleicht haben Sie ja Recht?

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein erfolgreiches, neues Jahr! Bleiben oder werden Sie gesund. Und machen Sie ab und zu mal einen Schritt zur Seite, es hilft bei der Suche nach dem kleinen Glück. Engagieren Sie sich! Und dann, am 1. Januar 2016, werden wir hoffentlich Edith Piaf zustimmen: «Non, je ne regrette rien!»

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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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