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Andreas Lustenberger

Finanzinstitute als stärkste Lobby im Kanton Zug

Für eine Vielzahl internationaler Domizilgesellschaften ist der Briefkasten das teuerste Mobiliar an ihrer Zuger Adresse.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Briefkastenfirmen, Steuersenkungsneurotik und linkes Festklammern am Wohlfahrtsstaat, der nur dank eines ausbeuterischen neoliberalen Systems funktioniert: Der Zuger Kantonsrat Andreas Lustenberger ortet einige Probleme bei einer übermächtigen Lobby. Und fordert in seinem Beitrag eine alternative (Zuger) Wirtschaft.

Ob Regen oder Sonne, ob fröhlich oder trist – es war und ist eine Konstante im Schweizer Alltag. Zwischen 9 und 10 Uhr bringt der Briefträger jeder und jedem die Post nach Hause. Manchmal habe ich mich auf die Post gefreut, sie manchmal sehnsüchtig erwartet oder bei Prüfungsergebnissen war es mir beim Gang zum Briefkasten eher etwas bange.

Wie jede Familie hat auch jedes Unternehmen einen Briefkasten. Der Kontakt zur Aussenwelt ist damit stets gewährleistet. Gefragt, ob Briefkästen jemals eine solche Rolle in meinem politischen Alltag spielen werden, ich hätte wohl gelacht. Auch den Begriff «Briefkastenfirma» hätte ich wohl noch vor einigen Jahren jenen Firmen zugeordnet, welche die Briefkästen produzieren.

Ein Briefkasten als teuerstes Mobiliar

Nun gut, die Situation ist eine andere. Auch ich musste erkennen, dass ein Briefkasten bei gewissen Unternehmen wenig darüber aussagt, ob ich dort tatsächlich auch einen Mitarbeitenden antreffen werde. Für eine Vielzahl internationaler Domizilgesellschaften ist der Briefkasten das teuerste Mobiliar an ihrer Zuger Adresse. Die Fixkosten sind damit schnell beziffert und die Wartungskosten unproblematisch. Die weiteren variablen Kosten beschränken sich auf die zu zahlenden Steuern, welche in den letzten Jahren systematisch in den Promillebereich gesenkt wurden.

In unserem Kanton gibt es Büroräume, in denen seit Jahren nicht mehr als ein Tisch steht und jemand einmal pro Woche die Post abholt. Es gibt Wohnungen, die als Firmenadressen genutzt werden und den betroffenen Bewohnern zu tieferen Mietzinsen verhelfen. Auf 15 Personen haben wir im Kanton Zug eine Briefkastenfirma, auf die Schweiz hochgerechnet wären dies eine halbe Million.

«Auf 15 Personen haben wir im Kanton Zug eine Briefkastenfirma»

Durch die Aufdeckung der Panama-Papers ist das öffentliche Interesse am Thema Steuerflucht erneut gestiegen. Für die Alternative – die Grünen ist der Kampf gegen die ungleiche globale Verteilung des Kapitals und die damit verbundenen Briefkastenfirmen ein politischer Schwerpunkt seit Jahrzehnten. Ein Kampf, den wir leider oft alleine auf weiter Flur führen mussten – und das hat natürlich seine Gründe. 

Bürgerliche Verflechtung mit dem Grosskapital

In einer Motion haben wir Alternativen – die Grünen die Abschaffung der Briefkastenfirmen verlangt. Die Motion wurde vom bürgerlich dominierten Kantonsrat nicht einmal an die Regierung zur Bearbeitung überwiesen. Die Problematik sei mit der Unternehmenssteuerreform eh vom Tisch, so die Argumentation. Natürlich mit dem Wissen, dass im Gegenzug der Unternehmenssteuerreform III viele neue Schlupflöcher für die internationalen Domizilgesellschaften geschaffen wurden.

Woran liegt also dieser unbändige Wille im Kanton Zug, Steuerschlupflöcher im Rahmen von Briefkastenfirmen zu ermöglichen? Die Steuereinnahmen solcher Firmen sind kein Argument, bezahlen diese doch, wenn überhaupt, extrem tiefe Steuern. Auch fallen keine Steuern von gut verdienenden Mitarbeitenden an oder haben wir extrem hohe Einnahmen durch eine Briefkastengebühr und zudem auch kein Monopol auf Briefkastenproduzenten.

«Der Reichtum hier ist die Kehrseite dort.»

Viel eher findet man die Gründe in einem dichten Netz von Finanzinstituten, welches sich über Jahrzehnte zur stärksten Lobby überhaupt im Kanton Zug gemausert hat. Ein Netzwerk vergleichbar mit der amerikanischen Wall Street, welches auf Teufel komm raus ein aggressives Wachstum ohne Rücksicht auf Verluste anstrebt.

Neoliberalismus auf dem Abstieg

Der Reichtum hier ist die Kehrseite dort. Ein Reichtum notabene, von dem die gesamte hiesige Gesellschaft in der Vergangenheit mitprofitiert hat. Der Neoliberalismus, der stets das finanzielle Wachstum in den Mittelpunkt rückt, beisst sich nun jedoch immer mehr selbst in den Schwanz. Denn die Menschen sind heute nicht mehr bereit, ihre Rohstoffe zu unverschämt niedrigen Preisen in den Norden abfliessen zu lassen. Sie sind nicht mehr bereit, zu Tiefstlöhnen und unter unmenschlichen Bedingungen unsere Pullover zu nähen.

Diese veränderte Ausgangslage bringt den Neoliberalismus in Bedrängnis, die übermässigen Gewinne fallen weg und hochentwickelte Staaten wie die Schweiz schreiben in Folge der Steuersenkungsneurotik der Vergangenheit rote Zahlen.

Die Folgen sind unschwer auf allen drei Ebenen in der Schweiz zu erkennen, ein Sparpaket jagt das andere. Einsparungen auf Kosten des Mittelstandes, den sozial schwächer gestellten Personen und der Bildung unserer Zukunft. Das neoliberale System hat seinen Zenit überschritten, nun braucht es Alternativen.

«Gefragt ist eine Wirtschaft, welche uns Menschen ein würdiges Leben ermöglicht»

Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen

Wir alle leisten unseren Beitrag zu einer florierenden Volkswirtschaft, eine solche Wirtschaft muss deshalb für alle vorteilhaft sein. Es braucht neue Modelle und kein linkes Festklammern an einem Wohlfahrtsstaat, der nur dank des ausbeuterischen neoliberalen Systems funktionieren konnte.

Gefragt ist eine Wirtschaft, welche uns Menschen ein würdiges Leben ermöglicht, so steht es auch in unserer Bundesverfassung geschrieben: Die Stärke einer Gesellschaft misst sich am Wohl der Schwachen. 

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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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