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Mit dem Armeechef bei den Schweizer Truppen

Deshalb sollte der Kosovo-Einsatz beendet werden

Der Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, Franz Grüter (SVP), fordert den Abzug der Schweizer Truppen aus dem Kosovo. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Vor Weihnachten hatte ich die Gelegenheit, zusammen mit Armeechef Thomas Süssli den Kosovo zu bereisen. Ziel des Besuchs war es, sich ein Bild der sich zuspitzenden Lage zwischen Serbien und dem Kosovo zu machen. Schliesslich entscheidet das Parlament dieses Jahr über die Fortführung des Einsatzes von 195 Schweizer Armeeangehörigen im Krisengebiet.

Ehrlich gesagt, war ich erschrocken über den Zustand des Landes zwanzig Jahre nach dem Krieg. In vielen Regionen, vor allem im Norden, ist das Land weit weg von einem normal funktionierenden Staat. Die Wasserversorgung ist zerfallen. Die Abfallentsorgung ist mangelhaft. Auch die Energieversorgung ist in einem desolaten Zustand. Sie besteht aus einem einzigen riesigen Braunkohle-Kraftwerk ohne Filteranlagen.

Die EU hatte zwar Geld für Filteranlagen bezahlt, eingebaut wurden sie aber nie. Das Bild dieser Anlage hat mich an den Katastrophenfilm «The Day After Tomorrow» erinnert. Zudem könnte Serbien das Kraftwerk stilllegen, wenn die Regierung die Wasserzufuhr abklemmen würde.

Machtvakuum im Norden Kosovos

Vor allem im Norden des Landes gibt es in den Grenzgebieten zu Serbien ein institutionelles Machtvakuum. Vor zwei Monaten traten 600 serbischstämmige Polizisten im Dienst des Kosovos zurück. Der Norden ist dadurch nicht mehr unter voller Kontrolle der kosovarischen Behörden. Es gibt Clans und undurchsichtige Machtstrukturen. Autos werden angezündet und Strassenblockaden errichtet. Dazu kommen fast täglich Provokationen, die zu einer weiteren Eskalation führen könnten.

Nach der Rückkehr in die Schweiz hat sich die Lage noch weiter zugespitzt. Das serbische Militär hat bei der Nato-geführten Schutztruppe Kfor beantragt, mit 1'000 Soldaten und Polizisten ins benachbarte Kosovo einrücken zu dürfen. Serbiens Regierung stützt sich dabei auf eine UN-Resolution aus dem Jahr 1999. In diesem Text wird auch die territoriale Integrität Jugoslawiens bestätigt – gleichzeitig sichert die Resolution der kosovarischen Bevölkerung eine «substanzielle Autonomie» zu. Allerdings «innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien.»  

Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo 2008 hat eine neue Situation geschaffen. Über hundert Staaten haben den Kosovo inzwischen als autonomen Staat anerkannt. Andere nicht, darunter auch EU-Staaten wie Spanien, Griechenland oder Rumänien, die befürchten, dass sich ihre Minderheiten mit Berufung auf den Kosovo ebenfalls abspalten könnten. Kurz gesagt: Die Einordnung des Kosovo-Konflikts ist und bleibt komplex.

Nur eine neutrale Schweiz kann als Vermittlerin auftreten

Im Norden Kosovos gibt es grössere serbische Minderheiten und Konflikte mit der albanischen Bevölkerungsmehrheit. Den Antrag auf Entsendung serbischer Sicherheitskräfte begründet Belgrad mit der Absicht, diese «ethnischen Spannungen abbauen» zu wollen. Eine kriegerische Auseinandersetzung wird damit immer wahrscheinlicher. Das würde eine direkte Konfrontation zwischen der Nato und serbischen Truppen bedeuten.

Was heisst dies nun für die Schweiz? Die gute Nachricht vorab: Es finden bei uns bereits Gespräche hinter verschlossenen Türen zwischen Serben und Kosovaren statt. Das ist gut und wichtig und streicht die Bedeutung der guten Dienste der Schweiz heraus. Umso wichtiger ist es, dass wir als neutraler Staat wahrgenommen werden – und zwar von beiden Seiten. Problematisch ist deshalb die Präsenz Schweizer Truppenangehöriger im Rahmen der Nato.

Die Nato hatte 1999 ohne UN-Mandat in Jugoslawien zum Schutz der kosovarischen Bevölkerung eingegriffen. Von serbischer Seite wird der militärische Einsatz als völkerrechtswidriger Krieg und Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten gesehen. Die Nato begründete ihren Einsatz als «humanitäre Intervention». Wie schon gesagt: Es gibt keine einfachen Antworten.

Die Schweiz droht im Kosovo zur Kriegspartei zu werden

Wie weiter? Seit 1999 leistet die Schweiz einen militärischen Friedenssicherungseinsatz. Die Kosten liegen mittlerweile bei rund 45 Millionen Franken im Jahr. Die SVP war gegen dieses Engagement im Rahmen der Nato. Unsere Haltung war und ist: Humanitäre und zivile Hilfe ja, aber nicht mit uniformierten Truppenangehörigen bei einer internationalen Streitmacht. Es zeigt sich zunehmend, dass die Schweizer Truppen nicht Friedenssicherung, sondern Friedenserzwingung werden leisten müssen. Aus Peace Keeping wird Peace Enforcement. Und der Schritt zur kriegerischen Auseinandersetzung ist damit nur noch gering. Die Schweiz ist Teil der Kfor-Truppen der Nato und wird damit Kriegspartei.

Lassen Sie es mich klar sagen: Unsere Frauen und Männer im Kosovo machen einen sehr guten Job. Ich habe viele der motivierten jungen Frauen und Männer persönlich kennengelernt. Ich möchte nicht, dass plötzlich Schweizer Armeeangehörige dort ihr Leben verlieren. Und die Gefahr, dass dies passiert, ist leider real geworden. Zudem gefährdet der Einsatz die Schweizer Neutralität. Deshalb ist der Kosovo-Einsatz der Schweiz zu beenden und der Fokus auf die diplomatische Vermittlung zwischen den Streitparteien zu legen.

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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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7 Kommentare
  • Profilfoto von Pilatus23
    Pilatus23, 05.01.2023, 23:19 Uhr

    Leider hat unsere Bundesrätin kopflos dieses Konstrukt eines neuen Staates in einem bestehenden als eine der ersten zugestimmt! Einmal mehr haben die Amis voreilig eingegriffen und einen Scherbenhaufen zurückgelassen. Wann lernen eigentlich diese politischen Eiferer aus der Geschichte?

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  • Profilfoto von Richard Ephraim Scholl
    Richard Ephraim Scholl, 05.01.2023, 19:50 Uhr

    die Schweizer Armee ist schon seit über 60 Jahren in Korea in derselben Mission tätig wie seit 25 Jahren im Kosovo. Ohne Erfolg, weil wir in der Schweiz 220 000 Albanischsprachige beherbergen. Warum gehen sie nicht in ihr Heimatland zurück? Die Schweizer Soldaten gewähren ihnen dort Sicherheit, oder nicht?

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  • Profilfoto von Libero
    Libero, 05.01.2023, 15:33 Uhr

    Der Millionär von Eich macht jetzt nach verschiedenen Pleiten
    internationale Politik mit diesem staatsmännischen «Ghostwriter-Beitrag»
    natürlich im Interesse der SVP-Milliardäre !

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    • Profilfoto von Dr. med. dent. Deka
      Dr. med. dent. Deka, 05.01.2023, 22:26 Uhr

      Hätten Sie zum Thema einen Gastbeitrag von Cécile Bühlmann bevorzugt?

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  • Profilfoto von Armando
    Armando, 05.01.2023, 15:06 Uhr

    Herr Grüter von der SVP liegt hier absolut falsch mit seiner isolationistischen SVP-Haltung. Kaum ziehen in einem Krisengebiet leichte Wolken auf, soll die Schweiz ihre internationale Verpflichtungen über Bord werfen, wahrscheinlich im Sinn der verlogenen Blocherschen Neutralitätspolitik. Siehe auch Haltung der SVP-Führung gegenüber der Ukraine und Russland. Wahre internationale Verwantwortung heisst, auch in Krisenzeiten die Verpflichtungen gegenüber der KFOR wahrzunehmen und nicht einfach davonrennen wegen einer falsch verstandenen Neutralitätspolitik à la SVP:

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  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 05.01.2023, 14:21 Uhr

    Einmal mehr steht die Sowjetische Volkspartei treu und fest für Putins Freunde ein. Immer zuverlässig auf der Seite der Diktatoren, Hetzer und Angriffskrieger, so sieht «Schweizer Qualität» aus.

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    • Profilfoto von Cory Gunz
      Cory Gunz, 05.01.2023, 15:24 Uhr

      Falsch, weder auf der Seite der Diktatoren noch auf der gegenüberliegenden Seite. Sonst «neutral», damit das Geld ungehindert in die Schweiz fliessen kann.

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