Insektendinner im Tropenhaus Wolhusen
Erstmals präsentierte das Tropenhaus Wolhusen ein besonders pikantes Menü. Die Zutaten: Heuschrecken, Mehlwürmer und Grillen. In ihrer Grundform eine Herausforderung fürs Auge, verarbeitet eine durchaus schmackhafte und kaum erkennbare Proteinquelle.
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Bei der Vorspeise mit Mehlwurm-Aufstrich wurden schon einige Gäste überrascht: «Was? Da waren jetzt schon Insekten drin?», hört man einen Gast verdutzt fragen. Doch schliesslich is(s)t man am «Insect Dining» im Tropenhaus Wolhusen, einem Pionier in der Schweizer Gastronomie. Dank der Abwärme der benachbarten Gasverdichtungsstation der Transitgas AG wachsen und gedeihen hier bereits tropische Früchte und Fische, die in den Verkaufsregalen von Coop und auf den Tellern des hiesigen Restaurants landen.
Nun also auch Insekten. Für Veganer ist das zwar nichts, ist sich das junge Team von Essento bewusst, doch nachhaltig schon. Und so ist man auch beim zukünftigen Abnehmer Coop «gespannt, wie die Kunden darauf reagieren werden», sagt Roland Frefel, der bei Coop die Frischprodukte verantwortet. Der Detailhändler fungierte neben Essento und dem Tropenhaus als Mitorganisator des Dinners. In der ersten Jahreshälfte 2017, wenn die Lebensmittelverordnung Mehlwürmer, Heuschrecken und Grillen zulassen soll, will der Grossverteiler mit Insektennuggets und anderen verarbeiteten Produkten am Start sein.
«Das Tropenhaus Wolhusen ist entstanden, weil einige Leute sich ausgezeichnet haben durch ihren Pioniergeist, Durchhaltewillen, Innovativität und Mut. Deswegen passt dieser Insektenabend auch so wunderbar hierher.»
Pius Marti, Geschäftsleiter Tropenhaus
Fünf Jahre bis zum regelmässigen Konsum
«Insekten essen kann höchster Genuss sein», versichert zu Beginn des Anlasses Pius Marti, Geschäftsleiter des Tropenhauses, seinen Gästen, die aus allen Bereichen der Lebensmittelindustrie kommen: Produzenten, Verkäufer, Entwickler. Sie wollen sich überzeugen von der Geschmacksseite der hier gelebten Nachhaltigkeit – in Form von Insekten. Von der «knusprigen Wanderheuschrecke an Hokaidokürbis, Curryblätter und Joghurt» wurde zum Hauptgang übergeleitet, bestehend aus balinesischen Mehlwurmkrapfen mit grüner Papaya, Kokosnuss und Zitronengras.
Besonders das Mischen der Zutaten und Spezialitäten wurde dabei allen Anwesenden des Abends von Küchenchef Andreas Halter ans Herz gelegt. Tatsächlich entfalteten fruchtige zusammen mit den an Hühnchen oder Nüsse erinnernden Aromen der Insekten ein einzigartiges Ensemble. «Das Tropenhaus Wolhusen ist entstanden, weil einige Leute sich ausgezeichnet haben durch ihren Pioniergeist, Durchhaltewillen, Innovativität, Mut. Deswegen passt dieser Insektenabend auch so wunderbar hierher», sagt Geschäftsleiter Marti. Ein wenig als Pioniere dürfen sich wohl auch die geladenen Gäste fühlen, denn am Ende des Abends werden sie mehr als 200 Gramm Insekten verspeist haben.
Gegen die Verschwendung von Ressourcen
Das Tropenhaus als Veranstaltungsort schien bei den Anwesenden auch das Vertrauen in die Zukunft zu stärken. «Dieses Haus hat eine 30-jährige Vorgeschichte», sagt Johannes Heeb, Mitbegründer des Tropenhauses, und klopft seinem jüngeren Pionier-Kollegen zuversichtlich auf die Schulter, «aber ich glaube, bei euch wird das bedeutend schneller gehen.» Dessen scheint sich das junge Startup offensichtlich sicher: «Wir sind überzeugt, dass Parlamentarier im Bundeshaus in fünf Jahren Insekten regelmässig geniessen werden», so Co-Founder Christian Bärtsch von Essento. Schliesslich gehörten die Tierchen heute schon bei Milliarden von Menschen zum Menüplan dazu, und dies, obwohl es oftmals teurer wäre als Fleisch.
Was so vielen bisher als lästige Plagegeister begegnet war, enthalte laut Bärtsch etwa gleich viel hochwertige Proteine wie Fisch und Fleisch, aber auch Mineralstoffe und Vitamine. Auch in den USA kämen deshalb immer mehr Produkte auf den Markt und trieben die Nachfrage in die Höhe. In punkto Nachhaltigkeit seien Insekten eine «hocheffiziente Form, hochwertiges Protein zu züchten», so Bärtsch und macht damit die Gäste darauf aufmerksam, dass zehnmal weniger Wasser und Futter nötig sei, um die gleiche Masse Insekten zu züchten, als beispielsweise bei Rindern – gerade angesichts der drohenden Überbevölkerung ein ernst zu nehmendes Argument. Dazu käme, dass Insekten als nicht sehr wählerische Gattung auch gegen Foodwaste eingesetzt werden können. Teures Futter kann dabei ökologisch sinnvoll durch nicht verwertete Nahrungsmittel ersetzt werden.
Spitzenköche stehen dahinter
Mit einer Erstauflage von 3500 Exemplaren wurde von Essento bereits auch ein Delikatessen-Kochbuch mit Kreationen von Schweizer Spitzenköchen präsentiert, die in ihrer Kreativität freien Lauf hatten. Tatsächlich merkt man beim Schmökern keinen grossen Unterschied zu einem handelsüblichen Kochbuch. Erst bei genauem Hinsehen und Lesen wird der Genussinstinkt der Leser etwa von einer appetitlich garnierten und angerichteten Polenta/Mehlwurm-Roulade herausgefordert oder von einer lustvoll an einem knospenspriessenden Baumästchen umwobenen Zuckerwatte, die kunstvoll mit bunten Insekten geschmückt ist. Ein farbig reizvolles, aber auch provozierendes Bild für das Auge.
Und das Menü selbst: Fragt man die Teilnehmer des Abends, so sind es die ganzen Insekten, die beim einen oder anderen ein wildes Kopfkino auslösen. Besonders gut angekommen sind denn auch jene Kreationen, bei denen die Zutaten nicht mal mehr zu erahnen waren, so etwa das falsche Nussglace aus Mehlwürmern oder ein Pesto. Allen degustierten Gattungen ist ein nussiges Aroma gemein, begleitet von einer leicht bitteren Note.
Wenn auch nicht als ganze Tiere, so würden wir pro Jahr ohnehin schon 400 Gramm Insekten vertilgen, ohne dass wir sie bewusst sehen, klärt Christian Bärtsch die anwesenden Gäste auf. Verarbeitet – besonders in Erdnussbutter, Tomaten oder anderen Lebensmitteln – würden diese regelmässig auf dem Teller landen. Nun also auch bei Coop. Ab April, wenn die anstehende Lebensmittelgesetzrevision den Markt für Insekten öffnen wird, das heisst von Tag eins weg, will der Schweizer Detailhändler Insekten als Delikatessen im Verkaufsregal anbieten. Für einige (Heu)schrecken dürfte also schon bald gesorgt sein, der Nachhaltigkeit sei gedankt. Unterdessen möchte das Tropenhaus-Restaurant seinen Fokus weiterhin auf eine moderne, regional-tropische und leicht asiatisch angehauchte Küche legen, wobei Insekten nur marginal eine Rolle übernehmen werden.
*Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit dem Tropenhaus Wolhusen