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Vom Idealisten zum Lastenesel der Wirtschaft

E-Cargobikes: Erst die Familien, nun zunehmend Firmen

Velociped war schon vor 30 Jahren mit dem Cargovelo unterwegs, damals noch ohne elektrische Unterstützung, dafür mit viel Muskelkraft und Idealismus. (Bild: velociped)

Zentralschweizer Unternehmen setzen zunehmend E-Cargobikes für ihre Firmenlogistik ein. Damit integrieren sie eine neue Kategorie von Fahrzeugen in ihre Firmenlogistik. Die Zeit, als primär Idealisten auf Velos für den Transport setzten, ist vorbei.

Bis vor Kurzem setzten primär Familien E-Cargobikes als praktisches Familientransportmittel ein. Ich kann mich noch gut erinnern, als 2017 das Carvelo-Sharing in Luzern lanciert wurde und die Fahrt in die Badi dank Cargobike plötzlich zum Familienhighlight wurde.

Unsere Kinder liebten es, statt hinten im Anhänger plötzlich vorne die Fahrt aus der Poleposition mitzuerleben. Sie schwärmen noch heute davon.

Vom Idealisten zur Citylogistik

Während Familien Cargobikes früh für sich entdeckten, waren nur wenige Idealisten auch beruflich mit dem Cargobike unterwegs. Der Velokurier Luzern setzt aber bereits seit über 30 Jahren auf das Velo als Logistikfahrzeug. Vor mehr als 10 Jahren kam das erste elektrisch unterstützte Cargobike dazu, um schwere Lasten auch in höher gelegene Stadtteile zu transportieren.

Heute gehört der vielfältige Einsatz der auf drei E-Cargobikes und acht Anhänger angewachsenen Flotte zum Alltag des auf Effizienz und Geschwindigkeit getrimmten Citylogistikanbieters. Mit dem neuesten E-Cargobike haben die Mitarbeitenden des Velokuriers in rund einem halben Jahr über 7000 Kilometer zurückgelegt. Dies zeigt, welch wirtschaftliche Bedeutung Cargobikes übernehmen können.

Vieles spricht für einen Boom

Die Vorteile von E-Cargobikes entdecken auch andere Betriebe. So sind auffällig beschriftete Cargobikes und Anhänger immer häufiger anzutreffen. In Kriens gibt es seit Anfang März ein grosses Cargobike-Center. Junge Unternehmen richten ihre ganze Firmenlogistik voll aufs Cargovelo aus und sind nur auf Zweirädern unterwegs. So zum Beispiel ein Stadtluzerner Catering.

Und auch ein Projekt einer Stiftung stösst in der ganzen Innerschweiz auf grosses Interesse. Bereits im letzten Jahr konnten so 18 Betriebe verschiedenster Branchen finanziell unterstützt werden, Cargobikes oder Anhänger zu kaufen. Im aktuell laufenden Bewerbungsverfahren sind innerhalb von zwei Wochen bereits über 10 Bewerbungen eingegangen.

Immer mehr Betriebe setzen erfolgreich E-Cargobikes ein, auch dank finanzieller Unterstützung der AKS.
Immer mehr Betriebe setzen erfolgreich E-Cargobikes ein, auch dank finanzieller Unterstützung. (Bild: Marcel Kaufmann)

Vielversprechende Erkenntnisse

Der Erfolg der Cargovelos in den Betrieben lässt sich auch an deren Rückmeldungen erkennen. Sie geben an, im ersten Winterhalbjahr im Durchschnitt rund fünfmal pro Woche mit dem Lastenrad unterwegs gewesen zu sein. Bei einigen sind die Fahrten fixer Bestandteil der Logistik und täglich im Einsatz. So liefert das Kirchfeld Mahlzeiten in Horw aus und legt dafür im Schnitt über sieben Kilometer zurück. Die Mitarbeitenden einer Bäckerei aus Arth setzten sich pro Woche rund zwanzigmal aufs Cargobike. Damit stellen sie den Warentransport zwischen zwei Filialen sicher – mit entsprechend kurzen Distanzen von einem halben Kilometer pro Fahrt.

Mit dem Cargobike können Betriebe zudem ihre Lernenden vielseitiger und selbstständiger einsetzen. Ohne Autoprüfung waren diese nur mitfahrend einsetzbar. Heute können Lernende jederzeit zu einer Baustelle fahren, Material mitnehmen und Arbeiten selbstständig ausführen.

Cargobikefahrten können also tatsächlich Auto und Lieferwagen ersetzen und gar die Neubeschaffung von Autos und Lieferwagen überflüssig machen.

Kritische Stimmen

Natürlich gibt es auch kritische Stimmen, die mit einer Anschaffung eines Cargobikes verbunden sind. Einerseits werden für Lastenräder in Kombination mit Anhänger Bauten, wie sie beispielsweise an der Kreuzung Freigleis/Horwerstrasse zur Unfallprävention vorkommen, zu einem kaum zu überwindenden Hindernis.

Andere verzichten auf eine Anschaffung, weil die Infrastruktur noch nicht vorhanden ist. Beispielsweise fehlen oft genügend grosse Veloabstellplätze oder attraktive Veloverbindungen wie das Freigleis. Andererseits verzichten Betriebe auf eine Anschaffung, weil sie keinen sorgfältigen Umgang mit den bis zu 10‘000 Franken teuren Fahrzeugen erwarten, wenn sie sich die Erfahrungen mit betriebseigenen Velos vor Augen führen.

Verwendete Quellen
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 22.03.2023, 15:14 Uhr

    Vielen Dank für den aufschlussreichen Artikel. Dieser sollte als Pflichtlektüre an die FDP, den Gewerbeverband und die üblichen «Aber die heiligen Parkplätze»-Grännis verschickt werden.
    Und da direkte Links nicht erlaubt sind, hier noch etwas Inspiration zum Googeln:
    1. «Stop-and-go-Verkehr und Parkplatzsuche machen das Autofahren in Genf mühsam und zeitaufwändig. Dass das auch anders geht, zeigt die Sedelec SA in Carouge: die Mitarbeitenden, die in der Innenstadt zu tun haben, sind vom Firmenauto aufs E-Bike umgestiegen. »
    2. «In der Stadt Zürich werden jährlich 200 Transportvelos gekauft. Zum Aufschwung trägt ein Sharing-Angebot des TCS bei – und Gewerbler, die umsatteln.»
    3. «Mir sattlä um!: eCargo-Bikes im Berner Wirtschaftsverkehr»
    Es geht nicht für alle, aber viele Branchen (Maler, Elektro, kleine Sanitär-Reparaturen etc.) problemlos – wenn man will.

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