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Ein Zentralschweizer Start-up ist ganz vorn dabei

Häuser aus Pilzen? So könnte die Zukunft des Bauens aussehen

Der Urpilz. Seine Existenz könnte das Bauwesen nachhaltiger machen.

So verrückt es klingen mag: Baustoffe aus Pilzen könnten die Zukunft für die Bauindustrie sein. Sie sind nicht nur nachhaltig, sondern bieten auch zahlreiche andere Vorteile. Warum auch du Pilzbaustoffe nicht unterschätzen solltest, liest du in diesem Beitrag.

In der Schweiz fallen jährlich immense Mengen an Bauabfällen an: Im Jahr 2020 wurden allein im Kanton Luzern rund 1,5 Millionen Tonnen registriert. Obwohl über zwei Drittel davon recycelt werden, müssen die restlichen Abfälle verbrannt oder deponiert werden. Dies ist nicht nur eine Verschwendung von Ressourcen, sondern trägt auch erheblich zu den Treibhausgasemissionen bei.

Doch es gibt Hoffnung: Der Einsatz von Pilzbaustoffen könnte eine nachhaltige Revolution im Bauwesen einleiten. Diese innovativen Materialien werden aus dem sogenannten Myzel von Pilzen gewonnen. Das Myzel, das Wurzelgeflecht der Pilze, breitet sich in einem Substrat aus Abfällen aus, die aus der Holzbranche oder der Landwirtschaft stammen. In diesem wächst es innerhalb weniger Wochen zu festen Bauteilen heran.

Pilzmyzel, wenn es in freier Form wächst.

Der Traum vom kompostierbaren Haus

Konventionelle Baustoffe wie Beton, Ziegel und Kunststoffe sind nicht nur energieintensiv in der Herstellung, sondern auch schwer zu recyceln. Sie tragen erheblich zur Umweltbelastung bei. Im Gegensatz dazu bieten pilzbasierte Baustoffe eine nachhaltige Alternative. Sie reduzieren die Umweltbelastung und steigern die Ressourceneffizienz. Und das Beste daran? Pilzbaustoffe können nach ihrer Nutzung als Dünger dienen, anstatt in der Kehrichtverbrennung zu landen.

Diverse Plattenmaterialien aus Pilzmyzel, wie zum Beispiel mittelschwere Spanplatten (links) oder superleichte Schalldämmplatten (rechts).

Die Einsatzmöglichkeiten von Pilzbaustoffen sind schier unbegrenzt: von superleichten Dämmungen über flexible Dichtungsbänder bis hin zu schadstofffreien Spanplatten. Womöglich könnten in Zukunft auch wasserabweisende Fassadenverkleidungen aus Pilzen hergestellt werden. Schon jetzt werden Pilzmyzelien in Backsteine integriert, um hochdämmende und superleichte Bausteine zu schaffen. Diese Innovationen zeigen, dass Pilzbaustoffe konventionelle Materialien in vielerlei Hinsicht übertreffen können.

Die Produktion von Pilzbaustoffen

Diverse Unternehmen arbeiten in der Schweiz intensiv an der Entwicklung solcher Baustoffe. Eines davon ist die Firma Mycosuisse in Emmen, bei welcher ich zu Besuch war. Während meines Besuchs zeigte mir Patrick Mürner, Gründer von Mycosuisse, stolz seinen Vorrat an «Mutterpilzen» – zwei Kubikmeter voller Substratblöcke, bereit zur Verarbeitung.

Patrick Mürner bei der Präsentation verschiedener Baustoffe.

Um ein neues Produkt herzustellen, mischt er diese Blöcke mit Holzspänen aus der internen Schreinerei. Das Ergebnis wird in Formen gegossen und unter kontrollierten Bedingungen wachsen gelassen. Sobald das Pilzmyzel die gewünschte Form erreicht hat, wird es getrocknet. Dadurch wird das Wachstum gestoppt, und das Material bleibt stabil. Diese Baustoffe sind atmungsaktiv und dadurch weniger anfällig für Schimmel als ihre kunststoffbasierten Konkurrenten. Das macht sie zu einer gesünderen und nachhaltigeren Alternative zu herkömmlichen Baustoffen.

Die Auszeichnung

Mycosuisse gewann 2024 den von der Albert Koechlin Stiftung (AKS) gestifteten Umweltpreis (zentralplus berichtete). Das Team von Mycosuisse hat durch seine Pionierarbeit im Bereich der Pilzbaustoffe bedeutende Beiträge zum Umweltschutz geleistet. «Mit dem Preis würdigt die Stiftung den Einsatz für unsere Umwelt im Bereich der Bodenverbesserung und der Nutzung von natürlichen Ressourcen», so die AKS. Dies gibt Hoffnung, dass sich solche umweltfreundlichen Bauweisen weiterverbreiten und die Baustoffproblematik in Luzern und der gesamten Schweiz in Zukunft entschärfen könnte.

Vorteile von Pilzbaustoffen

Pilzbasierte Baustoffe haben zahlreiche Vorteile: Sie sind kostengünstig, gesund und vollständig biologisch abbaubar. Bei ihrer Herstellung speichern sie sogar CO₂, was sie zu einer umweltfreundlichen Wahl macht. Im Vergleich zu Pilzbaustoffen ist die Produktionskette von Holzbaustoffen zwar auch umweltfreundlicher als die von Beton oder Kunststoff, aber immer noch ressourcenintensiver. Pilzbaustoffe hingegen wachsen in die gewünschte Form und nutzen Abfallprodukte als Nährboden.

Ein weiterer Vorteil ist ihre positive Wirkung auf die Gesundheit. Pilzbaustoffe sind frei von toxischen Chemikalien und verbessern die Luftqualität in Innenräumen. Dies macht sie besonders attraktiv für umweltbewusste Bauherrschaften und Architektinnen. Brandschutz- und feuchtigkeitstechnisch verhalten sich Pilzbaustoffe ähnlich wie Holz. Beide bieten eine hohe Sicherheit im Brandfall: Sie verlieren ihre statischen Eigenschaften nur sehr langsam, da das Material von aussen nach innen verkohlt. Beton und Stahl brennen zwar nicht, verlieren in einem Brandfall jedoch schnell ihre Standfestigkeit, da der Stahl (auch im Beton) weich wird.

Besonders bei der Entwicklung entstehen Fehler. Tobias Ammann untersucht eine Produktion von Pilzmyzel, die durch einen Fremdpilz kontaminiert wurde und zur Kompostierung bereitliegt.

Pilzbaustoffe sollten – wie die meisten anderen Baustoffe auch – nicht der Feuchtigkeit ausgesetzt werden. Eine fachgerechte Planung und Ausführung ist immer und in jedem Fall notwendig, da Bauteile sonst schimmeln könnten. Die Pilzbaustoffe sind aber nicht anfälliger auf Schimmel als etwa Styropor oder kunststoffvergütete Baustoffe.

Handlungsdrang

«Jetzt ist es an der Zeit, dass Eigentümerinnen, Investoren und Bauunternehmen mutig vorangehen und den Markt in eine nachhaltigere Zukunft führen. Die Zement- und Kunststofflobby ist stark, und der Widerstand gegen ökologische Alternativen ist gross», sagt Patrick Mürner. Und er ergänzt: «Doch mit Innovation und Entschlossenheit können wir eine gesunde, nachhaltige Schweiz schaffen.»

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