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Spurensuche auf dem Biobauernhof

Der wahre Grund, warum Biomilch teurer ist

Biomilch kommt von glücklichen Kühen – hat aber nicht nur damit zu tun. (Bild: zVg)

Bioprodukte sind oft teurer als konventionelle. Wo steckt der Mehrwert? Eine einfache Frage am Frühstückstisch führt eine Familie auf einen Biobauernhof – und zu überraschenden Einsichten über Kühe, Milch und Konsum.

Es ist ein typischer Sonntagmorgen. Auf dem Tisch: Müesli, Brot, Kaffee und, wie jeden Tag bei uns, die Biomilch. Mein älterer Sohn löffelt seinen Joghurt und murmelt: «Wieso eigentlich immer Bio? Ist doch einfach nur teurer.» Ein Satz, einfach so nebenbei gesagt. Ich erkläre, was ich weiss, sage etwas von besseren Tierhaltungsbedingungen, weniger Chemie, mehr Nachhaltigkeit, aber irgendwie reicht das meinem Sohn nicht. Für uns steht deshalb fest: Wir wollen es genauer wissen.

Ein paar Tage später fahren wir los: Wir sind auf den Spuren der Biomilchwirtschaft. Nach kurzer Fahrt biegen wir auf eine kleine Seitenstrasse ab. Zwischen Apfelbäumen und Weideflächen liegt ein Biobauernhof, auf dem uns die Bäuerin erwartet. Der Hof ist seit Generationen in Familienhand und wurde vor über zehn Jahren auf biologische Landwirtschaft umgestellt. Die Bäuerin hat uns eingeladen und möchte uns ihren Biobetrieb zeigen und all unsere Fragen beantworten.

Was ist eine Biokuh?

Sie führt uns über den Hof, spricht ruhig, mit spürbarer Leidenschaft. «Die Kühe sind gleich da hinten», sagt sie, während wir an duftenden Heuballen und alten Gerätschaften vorbeigehen. Die Kinder sind neugierig und uns immer zwei Schritte voraus. Beobachtet werden wir von einem Kälbchen mit grossen dunklen Augen, das draussen neben dem Stall steht.

«Also, was genau macht eine Biokuh anders?», beginne ich unser Gespräch.

Die Bäuerin bleibt stehen, schaut zu ihren Tieren und stellt klar: «In der Biolandwirtschaft gehts um mehr als nur das Futter. Unsere Kühe dürfen während der Vegetationszeit an mindestens 26 Tagen pro Monat auf die Weide, und im Winter verweilen sie mindestens an 13 Tagen pro Monat im Laufhof. Es ist wichtig, dass sie sich bewegen, frisches Gras fressen, die Sonne auf dem Fell spüren. Das ist für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden entscheidend.» Sie zeigt uns die grosszügige Weide hinter dem Stall. «Im Winter haben sie viel Platz im Stall, mit Stroh oder weichem Einstreu. Denn auch im Stall sollen sie sich wohlfühlen», erklärt sie weiter.

Mein Sohn fragt: «Und was ist mit Spezialfutter, gibts da was?»

Die Bäuerin schüttelt vehement den Kopf und bestätigt: «Unsere Kühe fressen fast ausschliesslich das, was hier wächst: Gras, Heu, Silage. Wenig Kraftfutter (besonders energie- oder eiweissreiches Futter von lizenzierten Herstellern, ebenfalls Bio), nämlich fünf Prozent des Futters, ist erlaubt. Trotzdem füttern etliche Biobäuerinnen und Biobauern keines. Das bedeutet aber, sie geben etwas weniger Milch, rund 6000 bis 7000 Liter im Jahr. Während konventionelle Kühe bis zu 10’000 Liter schaffen. Im Gegenzug leben Biokühe gesünder und länger.»

Strenge Regeln bei Medikamenten

Mich interessieren aber auch die Medikamente, denn solche werden bekanntlich in der Biolandwirtschaft nur spärlich eingesetzt. Also frage ich: «Was ist, wenn eine Kuh krank wird?»

«Natürlich behandeln wir unsere Tiere, wenn es nötig ist», sagt die Bäuerin bestimmt. «Wir bevorzugen natürliche Mittel und komplementärmedizinische Heilmethoden. Antibiotika dürfen wir nur einsetzen, wenn es wirklich sein muss. Und für Erstbehandlungen dürfen nur Antibiotika eingesetzt werden, die keine kritischen Wirkstoffgruppen enthalten.

Nach einer Behandlung darf die Milch für eine gewisse Zeit nicht verkauft werden. Die Wartefrist ist bei allen Medikamenten doppelt so lang wie bei den nicht Biobetrieben.» Die Bäuerin betont: «Es ist wichtig, verantwortungsvoll mit Medikamenten umzugehen – für die Tiere, aber auch für uns Menschen. Resistenzen sind ein wachsendes Problem.»

Wir setzen uns auf eine Bank neben dem Stall und beobachten die Kühe, die draussen grasen. Die Tiere käuen wieder, einige dösen in der Frühlingssonne. Es ist friedlich hier.

Darum kostet die Milch mehr

Als wir wieder zurück in Richtung Hofeingang gehen, will es der jüngere Sohn ganz genau wissen und kommt auf unsere ursprüngliche Frage vom Frühstückstisch zurück. «Warum kostet Biomilch mehr?», fragt er schliesslich.

Für die Bäuerin eine leichte Frage: «Weil wir anders wirtschaften. Wir haben einen Mehraufwand, bedingt durch diverse Einschränkungen. Die wiederkäuergerechte Fütterung beispielsweise und die Einschränkungen bei der Düngung haben zur Folge, dass wir weniger Kühe pro Fläche halten können. Jede Kuh gibt auch weniger Milch. Der Mehraufwand und die geringere Produktion muss dann über einen höheren Milchpreis abgegolten werden.

Weiter verwenden wir zum Beispiel kein Milchersatzpulver für die Kälbchen, und wir tränken sie mindestens drei Monate. Wie schon gesagt, warten wir mit dem Verkauf der Milch einer Kuh, die krank war, doppelt so lang. Es gibt weitere Einschränkungen bei der Haltung, Fütterung, Zucht und der Tiergesundheit, die alles aufwendiger machen. Das alles kommt jedoch dem Wohl der Tiere zugute und fördert natürliche Kreisläufe und Prozesse. Und wir werden regelmässig kontrolliert – jede Biobäuerin, jeder Biobauer. Nur so dürfen wir das Biolabel tragen.»

Sie zeigt auf das kleine Knospenzeichen auf einem Schild am Hofeingang. «Dieses Zeichen steht für unsere Arbeit. Für Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz – und für faire Bedingungen. Nicht nur für die Tiere, sondern auch für uns Bäuerinnen und Bauern», fasst die Landwirtin stolz zusammen.

Heimwärts

Es ist schon späterer Nachmittag, und wir fahren wieder nach Hause. Auf dem Rückweg ist es still im Auto. Wir hängen unseren eigenen Gedanken nach, denn irgendwie haben wir alle ein bisschen mehr verstanden. Apfelbäume und Weideflächen liegen hinter uns, aber das, was wir heute gesehen und gehört haben, hallt noch nach.

Am nächsten Morgen steht wieder die Biomilch auf dem Tisch. Diesmal schauen wir sie mit anderen Augen an. Es ist nicht einfach nur Milch. Es ist ein Stück Verantwortung, eine bewusste Entscheidung: für die Tiere, für unsere Region und für unsere Gesundheit.

Und ganz ehrlich, sie schmeckt einfach wunderbar.

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