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Gutscheine für Konsumenten statt fixe Kriterien

Kulturförderung: Giesskannen für alle!

Ein kleines Giesskännlein für alle Kulturliebhaber. (Bild: pexles)

Wer soll über die Verteilung von Kulturfördergeldern entscheiden? Amtlich zusammengestellte Jurys? Oder lieber eine Art Algorithmus, wie die Tänzerin Irina Lorez ihn fordert (zentralplus berichtete)? Es gäbe noch eine dritte Möglichkeit: wir selbst.

«Wie Lotto» funktioniere die hiesige Kulturförderung, empörte sich Irina Lorez neulich in einem Blogpost für zentralplus. Inkompetente Amtsinhaber und Jurys würden willkürliche Geschmacksurteile fällen und wer das Glück habe, mit ihnen bekannt zu sein, hätte schon mal einen super Lottoschein, wenn die Qualitätsrichter in ihren Zahlensack greifen.

Ach was, gaben diese sofort zurück. Ämter, Jurys und einflussreiche Stellen würden durchaus kompetent besetzt und hätten sich nach genauen Vorgaben zu richten. Und überhaupt: Wäre es denn besser, wieder zum Giesskannenprinzip zurückzukehren, nach dem jedes noch so unbedeutende Kulturpflänzchen ein paar Tropfen abbekommt, aber keines genug, um richtig saftige Früchte zu tragen?

Unbezahlte Höhlenmalerei

Es wäre eigentlich ein Grund für Dankbarkeit, dass wir uns solche Fragen überhaupt stellen dürfen. Staatliche Kulturförderung in der heutigen Form gibt es gerade mal seit ein paar Jahrzehnten. Davor wurde gefördert, wer mehr oder weniger zufällig in der Gunst irgendeines Fürsten oder der gerade herrschenden Partei stand. Und noch davor war es noch härter: Der zweifellos talentierte Mensch, der in Lascaux Auerochsen an die Wand malte, hat bestimmt keine Fördergelder bekommen. Von einem Geldtopf durfte er nicht mal träumen, nur schon, weil das Geld noch nicht erfunden war und hätte er Forderungen gestellt, wäre die Abrechnung wohl per Keule erfolgt. Wahrscheinlich war er einfach froh, in den Farbtopf greifen zu dürfen, während seine Kolleginnen vor der Höhle Hirschleder schrubbten.

Aber zurück zum Bild der Gartenarbeit, das mir immerhin deutlich besser gefällt als das eines Lottosaals. Mein Vorschlag wäre dieser: Obergärtner Staat bekommt seine grosse Giesskanne zwar nicht zurück, aber wir geben jeder Theaterliebhaberin, jedem Musikfreak und jeder Leseratte ihr eigenes, kleines Giesskännlein. Natürlich auch jedem Aficionado zeitgenössischer Tanzkunst. Damit dürfen dann alle giessen, was sie möchten.

Ein wilder Garten

Etwas konkreter, unpoetischer: Die Gesamtsumme aktueller Kulturförderung wird durch die Gesamtzahl potenzieller Konsumentinnen und Konsumenten geteilt, es gibt Kulturgutscheine für alle. Mit diesen Gutscheinen bezahlen wir dann im Kino, im Buchladen und an der Museumskasse. Das Kino, der Buchladen und das Museum müssen die Gutscheine annehmen – und können sie beim Staat wiederum gegen echtes Geld eintauschen.

Damit würden wir automatisch genau die Kultur fördern, die wir fördern wollen. Wir – nicht irgendein zweifelhafter, amtlicher Gartenarchitekt und auch nicht ein ausgeklügelter, aber ebenso fragwürdiger Kriterienkatalog, der den genauen Unterschied zwischen Unkraut und Zierblüten festzulegen versucht.

Es würde ein ziemlich wilder Garten. Aber vermutlich einer, der sich zu entdecken lohnt.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von K. Meyer
    K. Meyer, 20.06.2021, 10:06 Uhr

    Die Höhlenmaler hatten durchaus eine Förderung. Meinen Sie eigentlich, das hätte nicht gedauert? Und in jener Zeit waren andere für ihn an der Jagd, kochten, flickten Kleider. Das ist auch eine Förderung. Denn das Geld heute schenkt dem Kulturschaffenden Zeit. Wie dort eben direkt Zeit geschaffen wurde.
    Und die Idee, den Konsumenten das Heft in die Hand zu geben: Kann man schon machen. Aber dann haben wir nur noch Kino und digtale Kunst. Weil in allen anderen Kunstsparten zu wenig ‹Förderr› da wären, die jene Kunst schätzen. Es braucht eben gerade einen Staat, der damit fördert, was vermutlich in hundert Jahren wichtiger sein wird als was sonst so plump konsumiert wird.

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