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Max Huwyler

Die Zerstörung Palmyras

(Bild: Copyright by AURA )

Zwei kleine Geschichten über Ruhm, Gier und Vergänglichkeit.

Die Brüder von Palmyra

Palmyra, arabisch Tadmur, liegt an einer Karawanenstrasse in der syrischen Wüste. Die Römer hatten Palmyra zu einer bedeutenden Oasenstadt ausgebaut mit Tempeln, Amphitheater und Rennstrecke für Kamelrennen. Palmyra war eine wohlhabende Handelsstadt. Ein Ort gemacht für eine Zukunft ohne Ende, ohne Untergang, ein Ort für mancherlei Geschäfte.

In Palmyra vernahm ich die alte Geschichte von drei Brüdern, von Männern mit Geschäftssinn. Sie liessen als Bauunternehmer ein wohlproportioniertes, einige Feierlichkeit ausstrahlendes, höhlenartiges Rundgebäude bauen mit über hundert Grabkammern zum Zwecke, hier neben- und übereinander angeordnete Totenkammern je für hundert Jahre an wohlhabende Stadtbürger zu vermieten, gegen Vorauszahlung vorsichtshalber.

Mit der weitsichtigen Innovation sicherten sie sich ein gutes Dasein und hatten Aussicht auf ein ruhmreiches Nachleben. Denn die drei Brüder waren vorausschauend genug, sich an der Wandung neben ihren Grabhöhlen in Stein abbilden zu lassen, sodass noch nach über 2000 Jahren sprachgewandte Reiseführer todmüden Touristen erklären können: «These are the famous tombs of the three famous brothers from Palmyra.» – 2016 haben die IS grosse Teile des Welt-Kulturerbes Palmyra zerstört.

Die Störe von Usedom                                            

Auf der Insel Usedom in der Ostsee ist mir eine kleine Geschichte zugefallen, die Geschichte einer Wende. Vor Zeiten habe Gott der Herr die Mönche des Klosters auf der Insel Usedom mit einem besonderen Zeichen seiner Fürsorge und Gnade ernährt. Er liess jedes Jahr zwei grosse Störe zur Klosterinsel schwimmen. Einen der beiden durften die Mönche aus dem Wasser holen, den anderen mussten sie wieder ziehen lassen, damit er im nächsten Jahr mit einem neuen Gefährten zur Insel fände. Das war die Regel und die Regel hielt. Und es schien, als würde sie ewig gelten.

Einmal aber kamen zwei derart grosse und fleischstarke Störe zur Insel Usedom, dass in den Mönchen ein Gefühl aufkam, das sie nicht kannten, dem sie wie ausgeliefert waren. Ein Wort für dieses Gefühl hatten sie nicht. Sie holten beide Fische aus dem Wasser. Dies sei das letzte Mal gewesen, dass Störe zum Kloster auf der Insel Usedom geschwommen kamen. Das Prämonstratenser-Kloster gibt es nur noch in dieser Geschichte.

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