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Max Huwyler

der maler in öl

Ein Gespräch mit Dieter Leuenberger über dessen Bild «Kieshaufen» inspirierte Max Huwyler zu diesem Text. (Bild: Dieter Leuenberger)

es gibt die kleine geschichte des berühmten kunstmalers, der seiner lebtag tag für tag in öl gemalt hatte, der ölgeruch einatmete wie andere sich mit schwerem roten – die weniger arrivierten mit weissem fusel – in trance soffen, wollte mit einem befreiungsschlag sich dem malen mit acryl hingeben, um dem jahrmarkt um seine ölgemälde und um ihn als in öl malender maler ein ende zu setzen, setzte nun alles daran, seine  ölmalerleidenschaft auch in der meisterschaft als acrylmaler zu erringen, rang monate lang, tag für tag, und wusste lange nicht, warum seinen bildern die seele fehlte.

es gibt die kleine geschichte des berühmten kunstmalers, der seiner lebtag tag für tag in öl gemalt hatte, der ölgeruch einatmete wie andere sich mit schwerem roten – die weniger arrivierten mit weissem fusel – in trance soffen, wollte mit einem befreiungsschlag sich dem malen mit acryl hingeben, um dem jahrmarkt um seine ölgemälde und um ihn als in öl malender maler ein ende zu setzen, setzte nun alles daran, seine ölmalerleidenschaft auch in der meisterschaft als acrylmaler zu erringen, rang monate lang, tag für tag, und wusste lange nicht, warum seinen bildern die seele fehlte. nun griff er vermehrt zum schweren roten, trank sich in verzweiflung, befürchtete den endgültigen absturz, bis ihm eines tages schlagartig klar war, dass es weder an der farbe noch an den motiven noch an der technik lag, denn er strich mit jugendlicher lust und meinte schon, einen neuen durchbruch zu zwingen, und doch blieben ihm die tafeln fremd, verweigerten sich ihm, die depression drückte ihm auf den schnauf, bis es ihm in einer nacht plötzlich klar wurde, dass es am duft lag, am ölduft, welche erkenntnis ihn euphorisierte, aber nur kurz, denn der leidenschaftliche grübler erkannte – oder: befürchtete, dass er allenfalls lediglich des süchtigen riechens wegen ein grosser ölmaler geworden war. das warf ihn nun tatsächlich in eine ernsthafte krise, vielleicht auch deshalb, weil zu seinem nahen 70. geburtstag eine retrospektive geplant war, für welche die gallerie für die zu erwartenden neuen grossformatigen acrylbilder den grössten raum vorsorglich reserviert hielt, den zu betreten der maler nur für sich selber ausbedingte. als an der vernissage die grossen türen zum  acrylsaal, zu dem dieser in vorausberichten bereits ernannt worden war, als also die grossen türen langsam aufgestossen wurden und die besucher in den grossen raum quollen, verschlug es diesen den schnauf vor der wucht der weissen wände. kein bild. blank weiss. wände, decke, boden blank weiss. quer durch den saal zog sich in leichtem bogen ein barthekeartiges, anthrazytfarbenes möbel, auf dessen schmalem deckbrett kleine fläschchen aus klarglas mit schlankem hals, gefüllt mit verschiedenen ölen in kaum zu unterscheidenden gelbtönen; aufgereiht standen sie in langer reihe, eines neben dem andern in exakt gemessenem zwischenraum. wer sich näherte, dem kam ein sanfter ölduft entgegen; und die gäste begannen – in der mehrheit waren es damen – mit den nasen sich den fläschchen zu nähern. es war wie feierliche stimmung im saal. der gallerist war erstarrt. und plötzlich brach ein applaus los, und von diesem tag an war der berühmte maler in öl ein performancekünstler von erstem rang. mit einem einzigen werk. seinem letzten.

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