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Thomas Brändle

Bruno kandidiert

Auch wenn die Parteigründung der LVP, der Liberal-visionären Pragmatiker, in ausgelassener Stimmung zustande kam, Bruno Weber ist sich seiner Sache sicher. Überzeugt, selbstsicher und mit einer Prise Ironie stellt er sich an der Pressekonferenz den Reportern. 

Bruno Weber will auf dem politischen Parkett das Tanzbein schwingen. Er kandidiert auf der Liste der LVP, der Liberal-visionären Pragmatiker. Mit der Idee, dafür eine neue Partei zu gründen, war er schon länger schwanger. Aber erst ein ausgelassener Männerabend gab schliesslich den Anstoss. Manche der Mitglieder realisierten ihr neues Ämtchen als Kassier, Aktuar oder Wahlkampfleiter erst in der Woche danach, als sie ausgenüchtert das Protokoll der Gründungsversammlung lasen.

«Herr Weber, werden Sie ihr Programm nochmals überarbeiten?», fragt einer der Journalisten bei der Pressekonferenz skeptisch.

Ja, auch das Parteiprogramm war fraglos in angeheitertem Zustand verfasst worden. Dennoch, Weber meint es ernst. Lange genug hatte er gehofft, von einer der etablierten Parteien als potenzielles Talent erkannt und gefragt zu werden – ohne Erfolg. 

«Ich verstehe Ihre Frage nicht», kontert Weber gewollt naiv.

«Zum Beispiel Ihre verkehrspolitischen Vorschläge», erwidert der Medienvertreter ohne Zögern.

«Das Baudepartement stösst finanziell und personell an seine Grenzen. Und da praktisch jeder Haushalt in unserem schönen Kanton ohnehin einen geländegängigen und polierten Offroader in der Garage stehen hat, sollten wir nicht nur keine neuen Strassen mehr bauen, sondern auch die alten abreissen.»

Da Weber seine Ausführungen ohne den Hauch von Ironie vorträgt, bleibt auch das erwartete Gelächter aus.

«Was die künftige Nutzung des ehemaligen Landis&Gyr-Gebäudes betrifft, meinen Sie es demnach auch ernst?», erkundigt sich die Dame vom Lokalradio.

«Das ist korrekt», antwortet Weber. «Nachdem der Kanton dem Hooligan-Konkordat, den elektronischen Fussfesseln für jugendliche Straftäter und der flächendeckenden Videoüberwachung zugestimmt hat, war es ein leichtes, in Sondierungsgespräche mit der NSA zu treten. Sie fühlt sich in Zug verstanden und willkommen und dürfte rund 1800 Arbeitsplätze mitbringen.»

Bruno Weber wirkt sichtlich entspannt. Er hatte es sich schwieriger vorgestellt, den Damen und Herren von der Presse Rede und Antwort zu stehen. 

«Nun, sollte die NSA tatsächlich nach Zug kommen, würden Sie sich mit Ihrem Vorschlag für die Besetzung der reaktivierten Stelle des Zuger Stadtbeobachters aber doch ins eigene Knie schiessen», stellt ein weiterer Reporter fest. 

«Sehen Sie, was global nicht möglich ist, schafft der gigantische Kanton Zug im Kleinen. Ich bin da recht optimistisch. Ich habe bereits seine Zusage. Was aber die Erwartungen an die Aufklärungsquote betreffend Litteringdelikte betrifft, bin ich genauso skeptisch wie der potenzielle Stadtbeobachter Edward Snowden. Da appelliere ich einfach an die Eigenverantwortung.»

Wohlwollender Applaus brandet durch den Raum. Weber trinkt sein Glas aus. Doch, die Zeit ist reif für einen Kantonsrat vom Format eines Bruno Weber.

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