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Max Huwyler

Bannhölzlers Meineid

Frühmorgens ist das Hochmoor noch von Nebelschwaden durchzogen. (Bild: Marcel Hähni)

Wem gehört das Land auf dem Walchwiler Berg? Eine Zuger Geschichte über Eid und Betrug eröffnet die Frage nach dem rechtmässigen Landbesitz auf dem Walchwiler Berg.

«Handeln» sagt man, wenn von einer Hand etwas in eine andere Hand übergeht. Einen Handel schloss man mit Handschlag. Die Handelspartner sagten noch etwas dazu: «Es gilt» oder «Es sell gälte» oder «Abgemacht», eine Art weltliches Amen. Ein Handschlag galt wie ein Eid. Ein Betrüger war e mäinäidige Chäib. Es gibt Rechtssysteme, in denen Rechtsbrechern eine Hand abgeschlagen wird, wenn sie einen Handel brechen oder etwas nehmen, das in eine andere Hand gehört.

Handel von Hand zu Hand

Bei Streit um ein Gut wird aus Handel Händel. Schweizerdeutsch steht Händel für Streit. Hörid uuf händle ist elterlicher Schlichtungsversuch bei Kinderzank. Beim Handel per Handschlag wird mit der rechten Hand eingeschlagen. Die linke Hand soll dabei nicht im Hosensack stecken. Die Linke soll mitbekommen, was die Rechte tut. Auf Treu und Seligkeit wurde abgemacht, und man brachte damit die höhere Macht ins Spiel um Recht. Als dem Handel von Hand zu Hand nicht mehr so recht zu trauen war, unter anderem, weil keine schriftliche Vereinbarung vorlag, gesellte man zur handelnden Hand die Treue als Beiwort. Dem Treuhänder war nun zu trauen.

In alten Kulturen sorgten sich Geister und Götter um Grund und Boden. Sie griffen bei Frevel ein «im Namen Gottes des Allmächtigen». Betrüger bekamen es mit dem allmächtigen Eigner zu tun.

Den Streit um Zuger Erde

Einmal geriet die Stadt Zug in einen Rechtsstreit mit Walchwil. Es ging um ein Stück Allmend auf dem Walchwiler Berg. Beide Parteien machten geltend, sie hätten das strittige Landstück als Erste genutzt. Sie machten ein altes Recht geltend, nach dem jener Besitzer ist, der zuerst drauf sitzt. Schon zwei Mal hatte die Stadt in diesem Rechtsstreit den Kürzeren gezogen.

Die Sache galt als erledigt, bis unerwartet einer auftauchte, der sagte, er könne das Vorrecht der Stadt beschwören. Also ging man erneut zum Schiedsgericht auf das strittige Landstück. Ob er nun schwören möge? Er möge. Dann solle er. Gut, dann wolle er. Er wisse aber, was ein Meineid bedeute. Das wisse er. Also tat er den Schwur: «So wahr ich einen Richter und einen Schöpfer über mir habe, so wahr stehe ich auf Zuger Erde.» Einem Schwur hatten die Richter kein höheres Recht entgegenzuhalten. Sie schlugen Besitz und Weidrecht den Zugern zu.

«Geschichten erzählen vom Bannhölzler, der jenen als Gespenst auf einem Geisterross begegne, die durch Betrug zu Bodenbesitz gekommen waren.»

Sie wussten aber nicht, dass der Zuger Herr Erde in die Stiefel gegeben hatte und unter seinem grossen Hut einen Kamm, den Richter, und einen Schöpflöffel, den Schöpfer, versteckt hatte. Das war dann allerdings, so erzählt es die Sage, dem richtigen Richter und allmächtigen Schöpfer zu viel. Auf dem Heimritt scheute das Pferd und warf den Betrüger ab. Er kam beim Sturz zu Tode. Des Meineidigen Seele fand keine Ruhe. Geschichten erzählen von Begegnungen mit dem Bannhölzler, der jenen als Gespenst auf einem Geisterross begegne, die mit unlauteren Mitteln zu Bodenbesitz gekommen waren. Ein frommer Bruder habe den heillosen Reiter auf der hinteren Walchwiler Allmig in einen Fels gebannt. Bis heute drücke stinkiges Wasser aus dem Fels heraus.

Nachwort

Alois Lütolf, der die Sage nacherzählt, schickt ihr die Bemerkung nach: «Einige wollen des Bannhölzlers Geschlechtsnamen kennen.» Der Name wurde nicht publik. Es gehe hier um Grundsätzliches, um ein Lehrstück quasi. Ich bediene mich des Namensverzichts, wenn ich eine Episode anhänge aus den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts.

Es kam ein Rechtsanwalt vor Gericht wegen Bodenhandels mit Ausländern. Der Rechtsanwalt, so fanden des Rechtsanwalts Rechtsanwälte, könne nicht verurteilt werden, denn die Sache sei verjährt. Und einer doppelte mit dem griffigen Argument nach, andere machten das auch. Die Bannhölzlerstrafe spielt nicht mehr. Doch es stinkt weiter zum Himmel aus jenem Fels auf dem Walchwiler Berg.

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