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Die Toilette – der letzte männliche Rückzugsort

9 Pinkel-Typen und was dies über den Mann aussagt

Ach, wie gut, dass niefrau weiss, was ihr Rumpel mit dem Stilzchen macht. (Bild: Symbolbild: pexels)

Psychiater durchleuchten und untersuchen heutzutage Menschen in solcher Menge und Anzahl, wie es früher das neuartige Röntgengerät tat. Ein bedeutendes Anwendungsgebiet für diese psychologischen Persönlichkeitsauswertungen betrifft jene programmierten Algorithmen, die für Partnersuchseiten ein passendes – oder zumindest nicht abstossendes – Gegenüber herausklüngeln sollen. Dabei wäre zumindest für Frauen vieles einfacher zu haben.

Denn frau müsste sich dazu nur einmal darauf einlassen, die zwar keineswegs falsche, aber halt dann nur schwer in die Realität umzusetzende Überlegung anzustellen, ihren möglichen Partner in spe auf einer öffentlichen Toilette (nur dort sagt ihm nämlich kaum jemand, was er zu tun hat) pinkeln zu sehen. Denn in einer vom Vorkindergarten bis zu fast allen Berufen und Sport- und anderen Clubs geschlechtergemischten Gesellschaft ist die Toilette der letzte männliche Rückzugsort – ganz besonders jene, die den Herren auch noch Pissoirs darbieten.

Ein Wahrheitsinstrument

Liebe Frauen, was würdet ihr alles denken über euer Date oder euren Partner, wenn ihr alles wüsstet? Und ich rede gar nicht davon, was da der eine Mann dem anderen möglicherweise gerade anzüglich zuraunen könnte. Oder auch nicht davon, dass man auf einer Sitztoilette gut hören kann, ob da draussen am Urinal gerade ein Teenager, ein Mittvierziger oder ein Greis pinkelt (der Urinstrahl nimmt wirklich mit den Jahren ab). Und auch nicht darüber, dass ich in einer Toilette auf einem internationalen Flughafen jederzeit ausmachen kann, wer aus einem vorderasiatischen Land kommt, da man(n) in dem Fall meist die «Squat Toilet» bevorzugt. Übrigens ein Beleg für die kulturelle Prägung der Körperhaltung und sogar dafür, dass es sich dabei um erlernte Verhaltensweisen handelt, die damit also ziemlich viel über einen Menschen aussagen.

Denn genauso wie es eine Zeitlang für die Damen gar keine öffentlichen Toilettenhäuschen gab (wie es lange gar keine Verbannung aus der Öffentlichkeit gab; man urinierte lange einfach auf der Strasse) und sie sich also einiges verklemmen mussten, könnten Männer heutzutage sehr wohl auf das Sitzpinkeln umstellen. Wie es ja neu für Frauen auch Urinellas gibt, eine Vorrichtung, die es erlaubt, im Stehen zu pinkeln – um damit den in Studien oft beobachteten Kreislauf zu durchbrechen, dass viele Frauen sich aus Angst vor Bakterien auf den niedergelassenen Gesässring stellen, wodurch dieser natürlich beschmutzt wird und nachfolgende Benutzerinnen erst recht nicht normal sitzend ihr Geschäft verrichten wollen (diesem Zyklus fallen nach neuen Untersuchungen bis zu 80 Prozent der Benutzerinnen zum Opfer, wenn man so sagen will).

Die Toilette als Halbgesellschaftsphänomen

Aber zurück zu den Männern: Die Toilette ist also ein Rückzugsort, ein Männer-Reservoir mit relativ klaren Regeln (nur wer mehr als pinkeln muss, geht eigentlich in eine Kabine, denn sonst sind diese immer besetzt; deshalb geht es bei den Männern im Theater oder auf Open Airs meist schneller als bei den Frauen). Das Pissoir ist aber auch ein Ort der Gleichheit, wo Standes- und Rangunterschiede fehlen, und ebenso ein Ort der glücklichen, ja, erlösenden Momente.

Deswegen zeigt der Mann auf der Toilette möglicherweise mehr von sich als ausserhalb dieser Sonderzone: Fast keiner zieht hier etwa den Bauch derart weit ein wie ausserhalb. Und genau deshalb funktioniert die folgende etwas typologisierende Systematik des Mannes vermutlich ganz gut. Doch stellt sie zumindest Idealtypen dar und müsste in der Realität einerseits wohl noch ausgebaut werden. Andererseits gibt es wie überall auch hier Mischtypen.

Der total Verklemmte

Essenziell ist zuerst einmal, ob ein Mann, mit dem frau einen ganzen Abend verbringt, überhaupt je auf die Toilette geht: Über mehrere Stunden verklemmen es sich wohl nur jene, die irgendein Problem damit haben, öffentliche Toiletten zu benutzen. Das sind dann jene, deren Psychiater sie unter anderem wegen einer Paruresis behandelt, und im Bett sind sie es, die gerne das Licht löschen, wenn es zur Sache geht. Falls das passt: okay.

Der Sitzpinkler

Dann gibt es jenen, der auch dort, wo es Pissoirs gibt, immer eine Toilette aufsucht (auch wenn das eigentlich gegen die Regel verstösst; im Extremfall kehrt dieser Typ sogar lieber um und schaut in 20 Minuten nochmals rein, ob nicht eine Einzeltoilette frei ist). Das muss gar nichts Schlimmes heissen. Meistens wohnte er bereits einmal mit einer Partnerin zusammen und hat sich das angewöhnt.

Doch gibt es hier auch noch einen anderen Typus: Denn vor allem bei reiferen Herren mit vergrösserter Prostata kann Stehpinkeln sogar lebensgefährlich werden. Wegen der Abflussbehinderung durch die Prostata dauert das Entleeren der Blase minutenlang. Kommen die Betroffenen nun vom Bett oder einer lange ausgehaltenen Sitzposition, kann das plötzliche Aufstehen und längere Stehen bereits zu leichtem Schwindel führen. Gibt man(n) dann noch viel Druck auf die Blase, kann dieser Typ Mann ohnmächtig werden und sich beim Sturz schwer verletzen. Miktionssynkope nennt das die Medizin. Doch erkennt die Damenwelt diesen Typus meist an seinem fortgeschrittenen Alter; da ist es auch ganz vernünftig und logisch, sucht er die Sitzgelegenheit auf.

Diese beiden Untertypen wissen zumindest, was sie wollen und können und sind gut verträglich mit allerlei Eigenheiten in einer Beziehung.

Der Abstandhalter

Wenn ein Mann jedoch an ein Urinal tritt, dann geht eine Vielzahl an Möglichkeiten auf. Zumindest dann, wenn mehr als zwei Urinale vorhanden sind. Der Schweizer Durchschnittsmann tritt wohl – wie der durchschnittliche Schweizer Zugfahrende sich in jenes Abteil setzt, in dem er allein ist – an jenes Pissoir, das am weitesten von einem entfernt ist, das bereits benutzt wird; keinesfalls stellt er sich bei drei und mehr Urinalen in die Mitte. Wenn nur noch zwei Schüsseln frei sind, wählt er diese neben einem Urinierer, der fast fertig zu sein scheint. Wenn er das Pissoir männerleer vorfindet, löst er sein Wasser mit dem grösstmöglichen Abstand zur Türe. Er meidet Blickkontakte, Gespräche und Berührungen.

Ihn muss ich nicht gross vorstellen: Er ist der typische Schweizer, der sich in der Freizeit ab und zu etwas traut, aber relativ brav seinem Beruf nachgeht und wohl auch Kinder hat wie den Wunsch nach einem Eigenheim, egal, ob Wohnung oder Haus.

Der Du-Sager

Er geniesst das Fehlen der Rangunterschiede, indem er alle herzlich duzend begrüsst und verabschiedet. Gerne fragt er bei der Gelegenheit auch gerade mal nach einer Zigi. Er sucht jedoch nicht zwingend das lange Gespräch, die persönliche Grussfloskel-Möglichkeit verschafft ihm schon genügend Genugtuung.

Hier haben wir es mit einem etwas lockereren Mann zu tun, der aber in den Ferien auch gerne mal einen Tag mit gerade eben angetroffenen Bierkollegen verbringt, statt mit seiner Partnerin. Wenn man daran nichts Schlimmes findet und frau die Lockerheit auch beim Geld-Pumpen nicht stört, ist die Kombination sicher recht angenehm.

Der Geniesser

Er wartet, bis er ordentlich Druck auf der Blase verspürt. Dann geht er behaglich zur Toilette und schliesst die Türe leise, zelebriert den Auspackvorgang und lässt langsam und bedächtig Wasser. Dabei lehnt er sich gerne etwas zurück (der Kopf geht etwas nach hinten, die Augen rollen nach oben an die Decke) und gibt anerkennende Geräusche von sich. Das Abschütteln am Ende erledigt er besonders gründlich, das Einpacken erfolgt langsam und bedächtig. Er verlässt die Toilette mit einem zufriedenen Lächeln und federndem Schritt.

Es ist dies meist ein Mann, der besonders von sich überzeugt ist. Sei er jetzt Chef in einer Abteilung oder träume er nur davon. Es mag sein, dass er Frauen verwöhnen kann, weil auch er ein Geniesser ist, aber meist muss frau ihn etwas ausbremsen, wenn sie mit ihm klarkommen will.

Der Gesprächige

Für ihn ist das Pissoir ein Ort der Begegnung und des anregenden Gesprächs unter Männern. Er grüsst bereits beim Eintreten freundlich, stellt sich immer neben ein bereits besetztes Urinal und beginnt sofort eine Unterhaltung. Mit Freude äussert er Bemerkungen zu Männerthemen, stellt herausfordernde Fragen oder gibt in seiner derbsten Variante flache, frauenfeindliche Witze zum Besten. Beim Lavabo wartet er, bis ein Nachfolger mit Händewaschen fertig ist, um mit diesem plaudernd den Raum verlassen zu können.

Hier handelt es sich entweder um einen Pfarrer oder um eine Art höflicheren Macho, der zwar den Mann für das bessere Geschlecht hält, dies aber nicht auf Kosten anderer Männer beweisen muss. In einer milderen Form ist er zu ertragen und er mag sogar neue Bekanntschaften in eine Partnerschaft bringen. Aber nur in einer milderen Form!

Der Grunzer

Er scheint sich der Anwesenheit anderer Männer auf der Toilette gar nicht bewusst zu sein. Mit Vorliebe gibt er archaische Geräusche von sich, grunzt animalisch und/oder stöhnt erleichtert. Er grüsst nicht, er redet nicht und nimmt andere Anwesende einzig als Einschränkung der Urinierauswahlmöglichkeiten wahr. Manchmal wirkt er wie schlafwandlerisch, sein Pissgang scheint kein bewusster Prozess, sondern eine instinktive Handlung zu sein.

Von diesen Männern lässt frau am besten die Hände. Sie grunzen auch nach dem Sex wie blöd und selbstzufrieden und zünden sich vermutlich fast alle danach eine Zigarette an, wobei sie den Aschenbecher am liebsten auf den Bauch ihrer Partnerin stellen.

Der Spucker

Dieser Typ pisst nicht nur ins Urinal, er spuckt auch rein. Ist es reines Macho-Gehabe? Macht der Gewohnheit des Rauchers? Oder ist es bloss ein Genuss der ausbleibenden gesellschaftlichen Sanktion (irgendwie traut sich da fast keiner was zu sagen, wo viele Frauen schon lange zumindest angewidert ihr Gesicht verziehen würden)?

Ausleben eines bescheuerten Männlichkeitsideals? Umfassender Flüssigkeitsabsonderungsdrang? Ungeschicktes Überspielen von Verlegenheit, weil man in einem Raum mit Männern steht, sein Teil in der Hand? Hier gibt es einzig noch grosses Forschungspotenzial und der Input einer kameraüberwachenden Frau ohne Skrupel wäre wohl von Nutzen … Doch wäre ich hier vorsichtig mit einer Beziehung.

Die Struben

Dann, liebe Frauen, gibt es noch die struberen Fälle: Wer damit prahlt, dass er auf dem See am Fischen gerne in eine Flasche pinkelt, im Auto gerne einen Trichter dabeihabe oder ähnliche Prahlereien: Den lassen sie am besten mal links liegen. Wer das macht, der macht noch ganz andere Sachen.

Der ist etwa ebenso schlimm wie jener, der noch seine Mutter anrufen muss, sie solle doch bitte zu Hause den Wasserhahn aufdrehen und das Geräusch per Handy an sein Ohr senden: Mami-Bubis werden nie richtig erwachsen.

Auf andere Weise ein glattes No-Go ist der Mann, welcher der Frau anbietet, sie könne sein Stilzchen halten, während er Wasser lasse. Der Typ projiziert einen Penisneid in sie hinein und wird sie weiterhin behandeln wie einen Typ Mensch, dem etwas zu seiner Grösse fehlt.

Ebenfalls recht schlimm sind jene Männer, die sich zwar auf die Toilette setzen, weil sie ein grosses Geschäft machen müssen; hinterher aber auch dort aufstehen, weil sie den Urin unbedingt in dieser aufrechten Position lassen müssen. Sie leiden meist an einem Minderwertigkeitskomplex, den sie sich derart selbst ausreden wollen, ohne dass es etwas nützt.

Je nun, wird sich so manche denken – das ist nun wirklich eine Art von falscher Überlegung: Denn sie mag noch so richtig sein, wir werden sie dennoch nie zu Gesicht bekommen! Schon wahr, vermutlich. Aber viele Männer verraten sich schon beim Gehen oder beim Zurückkommen, was für ein Typ sie sind. Achten Sie nur einmal darauf …

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