Wie Künstler mit Wettbewerb und Konkurrenz umgehen
Die Luzerner Tänzerin und Choreografin Irina Lorez schreibt über das individuelle künstlerische Schaffen, dessen Einmaligkeit unvergleichbar ist. «Meine Muse ist delikat», sagt Nick Cave. Um sie nicht zu demütigen und sie mit Respekt zu behandeln, muss man aber kein berühmter Rockstar sein.
«Es gibt sicher Künstlerinnen, die mit Wettbewerben und Konkurrenz besser umgehen können als andere. Ich nicht.» Das sagt der berühmte Musiker Nick Cave. Er will in keiner Weise auf einem Nominierungsplatz stehen und sich schon gar nicht mit anderen Künstlern messen. Seine Musik ist individuell und einzigartig. Sie ist mit nichts zu vergleichen.
In einem Brief an MTV schreibt er: «Ich stehe mit niemandem im Wettbewerb. Meine Beziehung zu meiner Muse ist delikat und ich stehe in der Pflicht, sie vor Einflüssen zu schützen, die sie beleidigen könnten. Meine Muse kommt zu mir als eine Gabe und ich behandle sie im Gegenzug mit dem Respekt, den sie meiner Meinung nach verdient hat. In diesem Zusammenhang bedeutet das, sich nicht zu unterwerfen oder sich gegebenenfalls durch ein Urteil eines Wettbewerbs zu demütigen. Meine Muse ist kein Pferd und ich bin in keinem Pferderennen. Auch wenn dem so wäre, würde ich es nicht tun. Meine Muse darf spuken. Ich kann mich auf sie verlassen.»
Wer braucht diesen Wettbewerb?
Um die Muse mit Respekt zu behandeln, müssen wir nicht Nick Cave heissen. Es braucht jedoch etwas mehr Mut, wenn die eigene Bekanntheit nicht über einen Pferderücken hinausreicht. Doch wem macht es Spass, im goldenen Käfig zu sitzen, ein paar Cüplis mit den Kulturkönigen zu trinken und sich nach einem kurzen Applaus wieder an den Schreibtisch zu setzen? Um über Wochen, sprich Monate ein Stück aufs Papier zu bringen, das entweder niemals auf die Bühne kommt oder die Erwartungen nicht erfüllen kann.
Ich frage mich, wer braucht diesen Wettbewerb? Wem macht es Freude, andere zu demütigen, sich mit anderen zu messen? Sich über andere zu stellen – der Stärkere über den Schwächeren? Dieser Druck tut niemandem gut, auch wenn dabei manchmal Adrenalin ausgeschüttet wird und das Pferd losgaloppiert, schnaubend und furzend. Die Aufregung hält es auf Trab, doch den Karren zieht es hinterher.
Ich sass noch nie auf dem hohen Ross
Ich sehe mich selbst nicht als Pferd, weil ich noch nie auf dem hohen Ross sass und es gewohnt bin – schon von meiner Körpergrösse her – eher nach oben als nach unten zu schauen. Aber gerne schaue ich beim Sitzen in die Augen meines Gegenübers und möchte mich bei all jenen bedanken, die mein Schaffen unterstützt haben und es weiterhin unterstützen – bedingungslos!