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Niko Stoifberg über Sepp Ebinger – und Putin

Wer sich unsterblich machen will, macht sich lächerlich

Nach Sepp Ebinger (rechts) wurde eine Gasse in Luzern benannt – verspricht dies ewigen Ruhm?

Unser Blogger glaubt nicht, dass es so etwas wie ein ewiges Leben gibt. Weshalb manche wie Putin doch nach ewigem Ruhm streben und wieso dies nicht funktionieren kann, erklärt er in seinem Blogpost.

Wladimir Putin hat Angst. Nicht davor, als grösster Übeltäter des Jahrhunderts in die Geschichte einzugehen – das scheint ihn nicht gross zu bekümmern – sondern davor, nicht in die Geschichte einzugehen. Einfach nur einzugehen, wie eine Pflanze.

Berühmtheit ist vergänglich

Berühmtheit ist viel vergänglicher, als der stolze Wladimir sich das vorstellt. Vor 10 Minuten bin ich hier in Luzern durch die Sepp-Ebinger-Gasse gegangen. Bei allem möglicherweise verdienten Respekt: Sepp Ebinger ist heute unter Menschen, die noch über eigene Zähne verfügen, etwa gleich bekannt wie Kimberly Loaiza unter den dentaltechnisch Supplementierten.

Jede Zeit hat ihre Heldinnen und Helden, doch die sind längst nicht so wichtig, wie wir glauben. Ich zum Beispiel verehre die Philosophin Susan Sontag. Aber wie viel würde mir wirklich fehlen, wenn es sie niemals gegeben hätte? Dann würde ich in der freien Zeit Susan Tedeschi hören, die ist auch gut.

Kein Wunschkonzert

Wer sich unsterblich machen will, macht sich lächerlich. Bevor wir uns über Putin mokieren, müssen wir aber zugeben, dass wir oft denselben Denkfehler machen. Wir alle wollen etwas hinterlassen: ein Kind, ein Buch, ein schönes Schwarzgeldkonto. Klar, um etwas Bleibendes zu schaffen, zum Beispiel einen gut gepflegten Schrebergarten, muss man nicht ganze Grossstädte mitsamt Zehntausenden unschuldiger Menschen umpflügen. Die Gärtnerei ist eindeutig sympathischer als die Kriegstreiberei. Aber der Denkfehler bleibt.

Genau genommen sind es drei Denkfehler. Erstens: Sich zu verewigen, ist rein technisch schwierig. «Alle Lust will Ewigkeit», sang Nietzsches Zarathustra, aber: «das Leben ist kein Wunschkonzert», entgegnete ihm Schlagersänger Leonard. Selbst wer jüdisch, christlich oder muslimisch an einen Himmel ohne Populationsgrenze glaubt, oder, wie die Hindus und Buddhisten, an die Wiedergeburt als Tiger, Elefantenkuh oder Regenwurm, wird spätestens in fünf Milliarden Jahren am Ende der Weisheit sein: Dann nämlich erlischt die Sonne, und dann ist definitiv Ruhe im Karton. Der Karton, sofern ihn jemand abholt, kommt in die galaktische Sammelstelle und dort wird kaum nach Leistungsausweis sortiert.

Die «Theorie der Grossen Männer»

Aber gut, das ist noch ein Weilchen hin. Deshalb, zweitens: Wer soll unseren Nachruhm geniessen? Wir selber nicht, denn wir sind nicht mehr da – oder höchstens noch als Regenwurm, mit beschränktem Verständnis für die Meriten früherer Daseinsformen seiner selbst. Unsere Kinder eher auch nicht: Die stehen allenfalls noch ein Weilchen in unserem Schatten und regen sich auf darüber. Die Nachwelt als Ganzes? Kommt ohne uns aus. An die im 19. Jahrhundert beliebte «Theorie der Grossen Männer» haben schon damals nur die Selbsternannten geglaubt. Ob sie von Edison oder sonst jemandem erfunden wird, ist der Glühbirne egal.

Selbst einer der grössten Ehrgeizlinge des 20. Jahrhunderts, Ernest Hemingway, muss geahnt haben, dass das nichts werden wird mit dem ewigen Ruhm. In seinen letzten Jahren hat er sich stattdessen mit Rum begnügt und sich schliesslich mit dem Doppelläufer erschossen. Das ist der dritte Punkt: Berühmtheit und Reichtum machen das Leben nicht besser – nicht mal, so lange wir es noch haben.

Geld macht unglücklich

Neulich hab ich eine Studie aus dem «British Medical Journal» gesehen. Sie zeigt, dass besonders reiche Menschen besonders oft Selbstmord begehen. Jeder von ihnen nur einmal, natürlich. Aber es ist klar, worauf die Studie hinauswill: Geld in grossem Mass macht sogar unglücklich. Dass man sich statt eines Stricks in der Landi ein 1.-Klasse-Ticket bei Exit kaufen kann, ist vermutlich ein schwacher Trost.

Übrigens hab ich jetzt noch nachgeschaut, wer dieser Sepp Ebinger war: der «Urvater der Guggenmusik»! Gut für ihn, dass er mit dieser schweren Schuld nicht ewig leben muss.

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