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Erinnerungen aus dem Zuger Nachtleben

Wer Grosses schafft, wird nicht vergessen

(Bild: Jonah Calciano)

Wer Grossartiges schafft, darf nicht vergessen werden. Das soll auch in Zug so sein. Deshalb erinnern die Kulturschaffenden von Hoffnung+Kiwi mit ihrem Text an eine lobenswerte Figur aus dem Nachtleben. Biggie – wie die beiden ihn nennen – hat mit seinem Lokal den Gegenentwurf zur Antipartymeilen-Stimmung in Zug präsentiert.

Das war eine wilde Nacht! Im August vor zwei Jahren feierten wir mit unserem Erstlingswerk Vernissage in einer zwischengenutzten Wohnung nahe dem Zuger Bahnhof. Die Räume waren an diesem Abend gut gefüllt, ordentlich Apéro war aufgetischt und wir als Hoffnung+Kiwi den Freudentränen nahe. Doch in diesem Text geht es nicht um Kunst, nicht um die Vernissage. Und: Nicht einmal um Hoffnung+Kiwi. In diesem Text geht es um eine Bekanntschaft, die wir an diesem Abend gemacht haben und die uns bis vor kurzem beste Atmosphäre erleben liess. Um jemanden, der in Zug Grosses geschaffen hat und nicht in Vergessenheit geraten darf.

Eine Bekanntschaft


Es war schon spät und auch lärmtechnisch etwas turbulent, als die erwähnte Bekanntschaft die unterste Wohnung im zwischengenutzten Gebäude betrat. Es war der Nachbar von ganz oben. Doch nicht von Wut, sondern von Neugier getrieben, wollte er sich ein Bild von der Sause machen. Sogar ein Mitbringsel von 6 Dosen Bier durfte nicht fehlen.

Der fremde Gast wurde schnell bemerkt und willkommen geheissen. Outfitmässig vermochte sich der Nachbar nicht so ganz in die neue Umgebung einzufügen. Das war kein Künstler. Das war kein Hippie. Das Herz unter dem XXL-Shirt schlug für Hip Hop und Rap. Und daraus machte er keinen Hehl. Bald schon wurde die Boombox aufgedreht und unter genügend Alkoholeinfluss gefreestylt. Lyrische Qualität hört sich anders an. Doch die Atmosphäre stimmte. Und das hatte nicht wenig mit dem Nachbarn von ganz oben zu tun. 


Gegenentwurf zur Antipartymeile

Der Nachbar von ganz oben versteht es, zu feiern, Atmosphäre zu schaffen. Am liebsten ganz unten. In seinem Keller. Dem Biggies. Unsere Bekanntschaft – das fanden wir schon bald heraus – war kein geringerer als Niki Osmani, damaliger Inhaber des Zuger Nachtlokals «Biggies». Und so nannten wir ihn dann auch: Biggie. Und dieser Biggie, der hatte es echt drauf. Da konnte jeder Zug als Antipartymeile verschreien. Es konnte jeder sagen, dass Zug kein Nachtleben hat. Doch keiner konnte behaupten, dass Biggie mit seinem Lokal nicht den Gegenentwurf dazu präsentierte.

Wochenende für Wochenende liess der grosszügige Barkeeper Feierwütige das Tanzbein schwingen. Und dabei durfte es auch mal drunter und drüber gehen. Auf Sitzhockern wurde gerudert, Plakate von PH-Studierenden aufgehängt und ordentlich getrunken.

Es herrschte teilweise das geordnete Chaos.

Biggie hatte alles im Griff. Und so gingen viele Nächte vorbei, ohne dass die jungen Leute des Kellers überdrüssig wurden. Im Gegenteil. Er wurde für viele ein angesagtes Stammlokal und war schon bald nicht mehr wegzudenken. Die Stimmung war erstklassig, die urbane Musik auserlesen und das Personal herzlich.

Der Untergang


Wir fühlten uns richtig wohl. Wir lachten und feierten. Und genossen vor allem eines: nicht immer im Zuger Alternativpool banden zu müssen. Wir lieben Konzerte. Wir lieben schräge Musik. Wir lieben Theater. Aber manchmal kommt die Sehnsucht nach etwas Anderem. Und dieses Andere war das Biggies.

Irgendwann entschlossen wir uns, Liebe und Sehnsucht zu vereinen. Wir wollten im angesagten Keller einen Hauch Schrägheit zelebrieren. Mit einem Ikeamöbel. Einem Kammerjäger. Einer Kettensäge. Und viel verbalem Stumpfsinn. Eine Fete, bei der dadaistisches Theater und Schrägheit mit pumpenden Beats vereint werden. Der Nachbar von ganz oben schien an dieser Idee Gefallen zu finden und sicherte uns einen Abend für unsere Zelebration zu.

Danke für das Vertrauen. Wir hätten es nicht missbraucht. Beweisen konnten wir das aber nie.

Nichtsahnend betraten wir an einem Abend anfangs Februar das Lokal. Wir wollten noch Details besprechen. Doch dazu kam es gar nicht. Ein traurig gestimmter Biggie eröffnete uns die Tatsache, dass das Lokal bald seine Tore schliessen würde. In nicht einmal einem Monat ist Schluss. Keine Hoffnung+Kiwi-Zelebration. Kein Kammerjäger. Kein Ikeamöbel. Und die Kettensäge kann auch weg. Das alles wäre verkraftbar gewesen. Doch der traurige Blick vom Barkeeper und die Tatsache, dass etwas Grossartiges zu verschwinden droht, machte echt betroffen. 


Der Nachbar von ganz oben


Was sich erst als ein ganz schlechter Witz anhörte, war dann Ende Februar Tatsache: Das Biggies lud zur letzten Party. Und diese war würdig. Die Menschenmenge schien aus dem Lokal nach oben herauszuquellen. Wer rauchen wollte, musste wieder Schlange stehen. Es wurde ein letztes Mal gelacht. Ein letztes Mal gefeiert. Doch nicht ein letztes Mal dem Vater des Biggies Respekt gezollt. Denn jedes Mal, wenn wir dich, lieber Biggie, auf der Strasse sehen, jedes Mal, wenn wir neben dir an einer Bar stehen, denken wir und viele andere: Du hast uns echt bereichert. Du bist zu Recht der Nachbar von ganz oben.

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