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Martin Gössi zum Luzerner Untergrund

Was sich im Underground abspielt, ist an der Oberfläche nicht zu hören

Glen E. Friedman (Bild: Martin Gössi)

Wo ist der Luzerner Underground? Martin Gössi beschreibt Konzertveranstalter und Räume der Stadt, die jenseits der breiten Öffentlichkeit Grosses leisten und fragt: Was darf man denn eigentlich von den Medien erwarten? Etwa, dass sie über eine kalifornische Punkrocklegende schreiben, die in Luzern auftritt? Sicherlich nicht… Was man von Gössi erwarten darf? Eine 20-Seitige Biografie des Künstlers im Anhang des Beitrags.

Dies hier soll stellvertretend für alle idealistischen Konzertveranstalter stehen, welche abseits der breiten Öffentlichkeit grosses leisten in Luzern, ohne dass ihre Anlässe in irgendeinem Medium erscheinen. Was darf man denn eigentlich von den Medien erwarten? Eine gute Frage! Was von den Radiostationen hier im Land erwartet werden kann, das hat Gisi von der Schüür bereits in seinem letzten Blog erörtert. Ich persönlich schalte kaum ein, denn Weichspüler verwende ich noch nicht mal bei meiner Wäsche! Und zudem ist mir schon seit ich meinen Ohren aktiv tonale Geräusche zuführe, bewusst, dass diese ganz bestimmt nicht aus dem Radio erklingen. Somit ist das Radio für mich vernachlässigbar. Doch es gibt ja noch immer das täglich publizierte Wort und Bild in Zeitungsform. Auch wenn es immer mehr digital erscheint und nicht mehr in voller Druckerschwärze.

Ich hätte eigentlich die Vorstellung, dass ich auf den entsprechenden Seiten erfahren würde, was hier um mich herum geschieht; sei es in Politik, Sport, Gesellschaft und natürlich Kultur. Wenn ich also die Kulturrubrik aufsuche, dann müsste ich im Grunde erwarten dürfen, dass ich erfahren würde – was künftig so alles mein Interesse wecken könnte oder was ich eventuell verpasst habe. Doch natürlich bin ich nicht blauäugig. Meine Interessen werden bestimmt nicht wiedergegeben. Ich höre, sehe oder lebe Untergrund in kultureller Hinsicht.

Also findet sich in einer Zeitung, welche von den Inserate-Einnahmen lebt, nichts von dem wieder, was mich begeistern könnte. Wenn das Erscheinungsgebiet dann auch noch kulturelle Provinz ist, dann stehen die Karten noch schlechter und meistens sitzen dann in den Musikredaktionen auch Menschen, die einerseits das methusalemische Alter von Leuten haben, die Bruce Springsteen noch immer als Rockrebellen ansehen oder Bob Dylan als Revolutionär. Oder dann die jungen Leute, die den Begriff «Rocken» nur im Zusammenhang mit Plattendrehern, sogenannten DJ’s, verstehen.

Die einzigen Orte in der Stadt Luzern, wo Underground zelebriert wird, ist der Sedel oder die Industriestrasse 6.

Eine ganz schlechte Kombination, etwas über musikalischen Untergrund zu erfahren, denn für diese Leute ist der Weg in die einzigen Orte in der Stadt Luzern, wie Sedel oder Industriestrasse 6, welche diesen Underground regelmässig zelebrieren, zu mühselig. Dort treten abseits der öffentlichen Wahrnehmung wahre Koryphäen und Kultpersonen der Rockgeschichte auf, weil sie von leidenschaftlichen Leuten, die sich seit Jahren in den jeweiligen Szenen bewegen, engagiert werden und die dafür ihre Freizeit opfern, ohne dafür ein Entgelt zu kassieren oder in Lohn und Brot zu stehen bei einem Kulturverein. Idealisten eben, denen es nicht um Profit geht, sondern um das Geschehen und die somit oftmals nach einem veranstalteten Anlass intensiver arbeiten, damit sich die geschundenen Finanzen wieder etwas erholen. Diese Leute können sich dann auch nicht den Etat aus dem klammen Geldbeutel klauben, den es brauchen würde, Werbung zu schalten in den Medien, damit sie ein Anrecht hätten auf einen Druck eines Bildes oder vielleicht auf ein paar Worte, geschrieben von einem Redaktionsmitglied oder ein bisschen Sendezeit. Sie müssen sich am Glück erfreuen, dass ihr Anlass eventuell richtig in der Agenda, in der «alle» kulturellen Termine aufgelistet sind, aufgeführt wird.

Nun gut, die nachträglichen Änderungen oder nachgereichten zusätzlich engagierten Künstler wurden nicht mehr berücksichtigt. Aber immerhin: Dies muss bereits als Erfolg und Lohn angesehen werden, dass sie sich abends hingesetzt haben und für die Medienzunft ein schönes Dossier zusammengestellt und oftmals eine ausführliche Biografie verfasst haben. Es gibt Clubs, Konzerthäuser oder Veranstalter, welche sich einem gewissen Stil verschrieben haben und welche durchstarten würden, könnten sie einen Künstler oder eine Band aus der Premierleague ihres bevorzugten Genres dafür gewinnen, auf deren Bühnen aufzuspielen.

Wenn zum Beispiel das Blue Balls Festival für einen Rockabend die Rolling Stones für ihr Seebecken Festival gewinnen könnten, würden sie wohl gleich die nächsten Jahre einen Touristenpreis einheimsen und die Medien würden sich auf vielen Seiten oder über viele Stunden darüber ergehen. Alle würden anstehen auf der Akkreditierungsliste um dann in ihrem Blatt oder ihrer Radiostation zu berichten.

Eine Legende kommt und NIEMAND berichtet

Doch wenn jetzt im Sedel eine der allergrössten Kultfiguren der Punkszene aus der absoluten Premierleague des Genres schweizweit exklusives Gastspiel gibt, dann verhält sich das natürlich ganz anders. Dann erscheint im Vorfeld nichts und auch danach nichts! Trotz einer spannenden Lebensgeschichte, trotz Legendenstatus und absolut einflussreichem, prägendem künstlerischem Schaffen (Punks, welche zu den Sedelaktivisten der ersten Stunde gehörten, trugen den Namen der Band des Sängers, welche Jahrzehnte später dann leibhaftig, kürzlich zum zweiten Mal auf der Sedel Bühne stand auf ihren Lederjacken oder Badges und der Sound der Band dröhnt, seit mehr als drei Jahrzehnten durch das Gemäuer. Und ich würde eine Kulturlandschaft ohne den Sedel hier in Luzern als Brachland bezeichnen. Da nichts, was heute selbstverständlich ist im Luzerner Kulturbild, existieren würde.) Soweit die Bedeutung eines kürzlichen Sedelbesuchs einer Punklegende, ohne den auch die gesamte musikalische Landschaft anders aussehen würde.

Aber eigentlich bin ich glücklich darüber, dass kein Sender einen Ton davon erklingen liess und kein Blatt auch nur eine Zeile darüber verschwendete. Denn in der wöchentlichen Ausgehbeilage der gedruckten Luzerner Tageszeitung wird lieber ein Viertel der dafür vorgesehenen Fläche für einen braven Krauskopf aus dem Berner Oberland verwendet, der die Schwiegermütter und ihre braven Töchter mit Kindermelodien im bünzlig, miefigen Weichspül-Radiosound in den Konzerthäusern der Gegend versorgt und eine Lebensbiografie aufweisen kann, die das Actiongehalt einer Schnecke aufweist, welche sich aus ihrem Häuschen wagt. Den lieben jungen Mann und seine belanglosen tausendfach gehörten Melodien könnt ihr behalten, ich behalte dafür noch immer die spannenden Momente der Musikgeschichte! Ach so, ihr wollt wissen, welche Punkrocklegende ich denn eigentlich gemeint habe: JELLO BIAFRA – Dead Kennedys Sänger, Alternative Tentacles Labelinhaber und jetziger Frontmann von THE GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE (einer Band aus absolut gestandenen Musikern aus diversen kalifornischen Punk Legendenbands). Falls jetzt die Lust aufgekeimt ist, mehr von ihm zu lesen, dann habe ich im Anschluss meine vor drei Jahren verfasste Biografie über ihn angefügt, welche ich damals an die Medien versandt habe, die aber nirgends ausser in der WOZ eine Reaktion hervorgerufen hat.

Diese Biografie ist eine Lebensgeschichte, die nichts an Aktualität eingebüsst hat, leider auch durch den kürzlichen Tod vom grossen Schweizer Künstler H.R. Giger. 

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