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Die Musik spielt wieder

Warum die Kulturbranche nun Luxusprobleme hat

Um auf der Bühne wieder so fit zu sein, wie zuvor, muss Cyril Montavon noch etwas trainieren. (Bild: Sari Mock)

Die Kulturbranche erwacht aus dem Coronaschlaf und freut sich über wiedergewonnene Arbeitsfreuden. Erst wollte man und konnte nicht und jetzt kann man und muss vor allem auch. Auch wenn es nicht immer in den Kram passt, meint der Musiker Cyril Montavon.

Plötzlich ging es schnell, die Massnahmen verschwanden beinahe so rasch wie sie gekommen waren. Und die Lust auf Konzerte sowie Kultur scheint nicht verloren gegangen zu sein. Die ersten Wochen nach den Öffnungen und Aufhebungen der Massnahmen zeichnen ein optimistisches Bild.

Eine veränderte Ausgangslage

War zu Zeiten von Zertifikat, Testen, Isolation und Quarantäne immer mal wieder Stirnrunzeln angesagt, hat uns Omikron wohl den lang ersehnten Befreiungsschlag gebracht. Offensichtlich mild in der Wirkung, hat es für den benötigten Wandel gesorgt, welcher uns weg von der Couch und wieder in die Konzertsäle sowie auf die Bühnen ebendieser bringt. Und es schaut gut aus, die Lust auf Unterhaltung ist zurück.

Ausprobieren, durchhalten und belohnen

Ich durfte mit vielen Musikern über die letzten zwei Jahre parlieren und mich über die Konsequenzen der Pandemie unterhalten. Jede hat sich individuell über Wasser gehalten, sei es finanziell, emotional, kreativ und energetisch. Eins war aber bei allen gleich: Die Liebe zur Musik und Kultur ging nie verloren. Manchmal hatte man einfach ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger Lust darauf. Viele meiner Musikerkolleginnen haben sich in ihr stilles Kämmerlein zurückgezogen, Musik kreiert, sich neu formiert oder etwas Anderes ausprobiert.

Einige haben auch ein weiteres Instrument erlernt oder sich (wie meine Wenigkeit) mit der einen oder anderen neuen Gitarre bei Laune gehalten. Um etwelchen Nörglern gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen – die Klampfen habe ich mir durch meinen Job als Lehrer gegönnt, da ging keine Kulturkohle drauf. Irgendwie muss ich die Ausfälle, welche nach wie vor vorhanden sind, ja einigermassen kompensieren. Zum guten Glück hatte ich mal was Richtiges gelernt…

Alles aufs Mal ist irgendwie auch ein bisschen anstrengend

Auf alle Fälle geht es jetzt wieder los und unzählige Bands und Musiker buhlen um die verbliebenen freien Slots in den Clubs sowie den Festivals im Sommer. So einfach ist das im Übrigen gar nicht, sind doch ganz viele Termine (teils bis Ende dieses Jahres und darüber hinaus) bereits besetzt mit Verschiebeterminen oder all den Acts, welche seit zwei Jahren mit neuen Alben gewartet haben und jetzt alle aufs Mal drauflos schiessen.

Nicht ganz einfach für kleine und mittlere Acts und natürlich auch nicht für die Veranstalter, welche nun plötzlich praktisch ohne Unterlass die vergangenen Monate «abarbeiten». Es ist eine Krux mit diesen Anlässen. Erst wollte man und konnte nicht und jetzt kann man und muss vor allem auch. Ob’s dann auch wirklich in den Kram passt oder nicht.

Natürlich sind das Luxusprobleme und ich will auch gar nicht jammern. Aber es ist dann halt auch so, dass sich das Publikum nicht vermehrt hat. Es hat einfach die Qual der Wahl. Ich für meinen Teil habe beispielsweise die Problematik, dass ich nun durch diverse Verschiebungen Doppelbuchungen vorliegen habe und daher nicht alle Konzerte spielen kann, welche ursprünglich wunderbar aneinander vorbeigegangen wären. Auch wieder ein klitzekleines Problem, das nicht ansatzweise relevant ist im Grossen und Ganzen, aber halt doch einen Grossteil meiner Planung mitbestimmt.

Eingerostete Gelenke und überflüssige Pfunde

Doch nun endlich zu den erfreulichen Tatsachen. Wir dürfen wieder Konzerte spielen, Kultur veranstalten, im Kleinen wie im Grossen. Dem Publikum wieder unsere Songs um die Ohren hauen, mal laut, mal leise. Mal plakativ und ausufernd, mal reduziert und bescheiden. Bisher habe ich mitgekriegt, dass viele Konzerte nach einer kurzen anfänglichen Skepsis gut besucht sind und die konzert- sowie kulturbegeisterten Menschen nicht nur mit Netflix zufrieden gestellt sind.

Ich war mir da anfänglich nicht ganz sicher, denn auch bei mir hatte sich eine gewisse Bequemlichkeit breit gemacht. Apropos breit: diesen Nebeneffekt haben ebenfalls einige Musiker in meinem Umfeld zu spüren gekriegt (ich schreibe bewusst Musiker, die Musikerinnen scheinen sich diesbezüglich besser mit den Nebenwirkungen des «coach potatoing» auseinandergesetzt zu haben). Die Liveklamotten passen nicht mehr ganz so knackig wie früher, die Kondition lässt zu wünschen übrig. Und ganz allgemein ist man auch schneller müde respektive verweilt nicht mehr bis in die frühen Morgenstunden für einen letzten Absacker an der Bar. Die Routine ist dahin!

Üben, üben, üben und noch mehr auf den Hometrainer

In meinem ersten Blog vor etwas mehr als einem Jahr beschrieb ich meine verschiedenen Strategien mit der neu gewonnenen Zeit. Nun, die Mandalas hatten dann irgendwann ausgedient, leider war ich auch nach zig ausgemalten «Kunstwerken» nicht tiefenentspannter. Eigentlich eher das Gegenteil angesichts der Endresultate… Das Radeln habe ich aber konsequent durchgezogen und flitze auch «in real» motiviert und fix durch die Strassen von Luzern.

Viele Serien habe ich mir dabei zu Gemüte geführt, auch Jack Bauer hat es mir nochmals angetan (jetzt ist aber wirklich gut, der wird ja auch nicht mehr jünger). Für die anstehenden Konzerte muss ich mir aber trotzdem noch was einfallen lassen, damit’s dann auch konditionell passt. Vielleicht «Game Of Thrones» im Schnelldurchlauf? Oder «Blacklist» bis zum bitteren Ende? Wir werden sehen. Auf alle Fälle freue ich mich sehr auf die vielen Konzerte in den nächsten Wochen und Monaten, welche ich selbst spielen darf und selbstverständlich auch besuchen werde.

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