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«Das doppelte Lottchen» reloaded

Von Baschis Formtief und Stemmbögli im Live-TV

Gäbe es anstelle des Sportpanoramas ein Musikpanorama? (Bild: Collage erstellt von Simon den Otter)

Kennen sie «Das doppelte Lottchen»? In diesem Klassiker tauschen zwei getrennte Zwillingsschwestern heimlich die Plätze und sorgen in ihren Familien für Verwirrung. zentralplus-Kulturblogger Simon den Otter stellt sich die Frage, wie es wäre, diese Geschichte mit einer ganz anderen Art von «Geschwistern» neu aufzurollen.

Immer mal wieder drängen sich in meinem Job Vergleiche zwischen der Musik und dem Sport auf. Die beiden haben erstaunlich viel gemeinsam, aber lassen im Alltag und dem jeweiligen Umfeld auch deutliche Unterschiede zutage treten. Man mag sich eigentlich ganz gut, lässt dem anderen aber gerne auch seinen Platz. Fast ein wenig wie distanzierte Geschwister.

Als ich neulich auf «Das doppelte Lottchen» stiess, kam mir die Idee, die Protagonistinnen Luise und Lotte durch die Musik und den Sport zu ersetzen und die Geschichte damit neu auszumalen. Etwas abstrakt, aber der Versuch war es wert.

Die Pauke ist rund und die Show dauert 90 Minuten

In der vertauschten Welt würde die Musik sicher rasch für Unmut sorgen. Man stelle sich nur mal vor, wie die vitalen Frühaufsteher um 5 Uhr morgens erstmal 30 Minuten lang Posaune übten, um energetisch in den Tag zu starten. Oder die übermotivierten Chor-Mamis, die den Dirigenten zusammenstauchten, weil dem Sprössling schon wieder nicht die erste Stimme zugeteilt worden wäre. Wie sonst sollte der Bub schliesslich sein Talent zeigen können?

Am Stammtisch würde eifrig diskutiert, wieso Baschi beim letzten Heitere Openair «einfach nicht in Form war». Und man das «ja selber noch besser hätte machen können». Vielleicht müsse er ja einfach mal wieder den Manager austauschen, oder gleich zu einer anderen Plattenfirma gehen. Mit seinen 35 Jahren könnte es ja langsam die letzte Chance dafür sein.

Am Abend würde das Musikpanorama im TV laufen. Eine kopfüber mit Sponsoren-Logos zugepflasterte Beatrice Egli erklärte darin ausser Atem, dass sie «heute einfach nicht ihr Maximum abrufen konnte». Und sich jetzt aber «bereits voll auf das nächste Konzert fokussiere». Im nächsten Beitrag frohlockte Luca Hänni, der es mit einem Foto-Finish von gerade mal 17 Streams Vorsprung auf Platz 1 der Hitparade geschafft hätte. Unter Tränen bedankte er sich bei seinen Fans, bevor es zurück ins Studio ginge und DJ Bobo von Sascha Ruefer um eine Einordnung der Geschehnisse gebeten würde.

Höher, schneller, lauter!

Aber auch die Welt des Sports dürfte sich wundern. Menschen würden plötzlich aufhören Tennis zu spielen, weil sie «sowieso nie so gut sein würden wie Roger Federer». Und die besten Matches wären ja sowieso alle schon längst gespielt worden.

Dem aufstrebenden Fussballer würde erklärt, dass Ballkontrolle und Schnelligkeit sowieso überschätzt seien. Für die Fernsehbilder könne man heutzutage ja alles noch nachbearbeiten. Trotzdem wolle man ihn gerne anfragen, ob er nicht an der Geburtstagsparty der Nichte ein paar Bälle jonglieren könne. Geld gäbe es zwar keines, aber er dürfe sich auch eine Pizza bestellen. Und überhaupt, es seien ganz viele wichtige Leute vor Ort und das wäre ja dann eine tolle Möglichkeit, sich zu präsentieren.

Am Abend liefe eine Castingshow, in der zur besten Sendezeit Skifahrerinnen gegeneinander anträten. Die erste rauschte virtuos und in einem unfassbaren Tempo dem Ziel entgegen, während sich die zweite mit zitternden x-Beinen den Hang herunterpflugte.

Kurz zuvor würde sie noch in einem emotionalen Einblender erklären, dass ihre ganze Familie gesagt hätte, dass sie also wirklich supergut Ski fahren könne. Im Publikum amüsierten sich hunderte Menschen, die eigentlich auch ganz gerne Sport machen würden. Doch ihre Angst vor dem Wettkampf würde einzig noch von der einer Blamage übertroffen.

The show must go on

Erich Kästners Geschichte gründet für die damalige Zeit erstaunlich tief und hat – wie es sich für ein Kinderbuch gehört – natürlich ein Happy End. Die getrennten Eltern von Luise und Lotte finden sich wieder und die Schwestern sind fortan wieder vereint.

Auch in unserer Version dürfte, ja müsste es so weit kommen. Denn allen Differenzen zum Trotz eint den Sport und die Musik unglaublich viel. Häufig unterschätzt, manchmal aber auch viel ernster genommen, als es eigentlich nötig wäre. Und egal ob Sportmuffel oder genervter Nachbar eines morgendlichen Posaunisten: Es möchte sich wohl niemand ein Leben ohne das jeweils andere vorstellen müssen.

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