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Dominik Riedo über den Wert von Schweizer Literaten

«Unser hart verdientes Geld stecken wir in neue Projekte»

Für Autoren ist es in der Schweiz nicht einfach – doch unter anderem die Berge halten den Luzerner Dominik Riedo vom Auswandern ab. (Bild: Emanuel Ammon / AURA)

Ihr erinnert euch, was unser Blogger in Teil I und II dieser Trilogie geschrieben hat? (zentralplus berichtete und berichtete nochmals). Leider ist das noch ganz lange nicht alles, was einem in der Schweiz als Kulturschaffendem so «passiert». Der Luzerner Autor Dominik Riedo schildert uns hier, wie ihm ein Verlag seine Leistung innerhalb der Buchproduktion abspricht.

Der Gipfel all dessen, was mir als Autor hierzulande so passiert ist, war dann aber Folgendes. Einer meiner ersten Verlage überhaupt bot mir einen Vertrag an. Ob ich nicht das von mir vorgeschlagene Buch herausgeben wolle? Eine Anthologie, in der ich möglichst breit Texte zu einem Thema versammeln würde, das als äusserst verkaufssicher gelten konnte.

Tatsächlich wurde es ein schönes Buch, für das ich bereits seit einiger Zeit Texte zusammengetragen hatte. Ein Buch mit Texten aus etlichen Jahrhunderten und aus praktisch aller Frauen Weltteile. Das Buch gefiel dem Publikum derart gut, dass trotz der in der Schweiz recht hohen ersten Auflage (die Auflage entsprach dem, was in der Schweiz offiziell «Bestseller» genannt werden darf), immerhin bereits ein knappes Lustrum später eine zweite Auflage gedruckt werden konnte.

Hart verdientes Geld wird in neue Buchprojekte gesteckt

Nun bekam ich, wie es bei Anthologien oft der Fall ist, nicht ein Honorar pro verkauftem Buch, sondern ich erhielt ein Auftragshonorar gleich zu Beginn, als das Buch in den Verkauf kam. Das ist natürlich ein Vorteil, wenn sich ein Buch nicht gut verkauft. Doch da der Herausgeber die Arbeit so oder so hat (und das Buch nicht an sich «seines» ist), gibt es in solchen Fällen meist ein vorher ausgemachtes Festhonorar. Das bekam ich auch.

Es wurde aber im Vertrag zusätzlich festgehalten, und auch das ist nicht aussergewöhnlich, dass ich ein Erfolgshonorar bekäme, falls das Buch in eine zweite Auflage ginge (und auch falls es eine dritte und weitere erleben dürfte). Als ich das dann nach erneut geleisteter Arbeit – die ich nicht hätte leisten müssen, aber ich sah das ganze Buch nochmals durch und verbesserte einige Druckfehler, die sich eigentlich in jedes Buch einschleichen – einforderte, verwehrte man mir dies einfach.

Zuerst antwortete man gar nicht auf meine E-Mails. Erst nach mehrmaligem Nachfragen und der Erkundigung, ob denn der Verlag finanzielle Probleme habe, hiess es lapidar, und ich zitiere aus der Mail der leider neuen Verlegerperson dieses Verlags: «Nein, dem Verlag geht es nicht schlecht, aber wir investieren unser hart verdientes Geld lieber in neue Buchprojekte.»

Ausreden über Ausreden – bis zur Dreistigkeit

Ich habe in meinen mittlerweile 19 Jahren als Schriftsteller schon einiges erlebt. Auch einiges an Ausreden, warum ein Veranstalter oder – zum Glück weniger – ein Verlag nicht zahlen möchte. Das geht von Ausreden, man habe eben ein teures Projekt hinter sich und sei nicht liquide, über billige Maschen wie jener, dass der Text nicht dem entspreche, was man erwartet habe, und man drucke zwar schon, wolle aber bloss die Hälfte zahlen etc.

Aber nie, nie, wirklich NIE wagte es ein Verlag, mir zu sagen, dass sie «ihr hart verdientes» Geld lieber in neue Bücher stecken würden als den bereits gedruckten Autoren, mit deren Büchern sie das besagte Geld verdienten und denen sie per Vertrag dies Geld auch schuldeten, ihr zustehendes Honorar zu zahlen.

Und auch hier: Ich schaltete meine Rechtsstelle ein, die mir auch hier dazu riet, es lieber sein zu lassen. Für derart kleine Beträge (die für mich aber so klein gar nicht sind), lohne das nicht. Immerhin vermochte ich den Verlag dann auszutricksen: Ich bestellte Bücher für die Summe, die sie mir schuldeten, und bezahlte nicht. Sie wagten es dann nicht, mich zu betreiben. Denn in dem Fall hätte ich sofort ihre E-Mail an mich gezückt, in der sie zugaben, mir Geld zu schulden, das sie aber lieber in neue Bücher stecken wollten. Wehren muss man sich halt (leider)!

Mehr Geld, Stipendien und Preise aus Deutschland

Zum Abschluss und zur Abrundung bezüglich der Achtung vor Schweizer Kulturschaffenden noch allgemein diese Informationen. Mein literarischer, recht spezieller Blog (von der Länge und Art der Texte her), den ich seit 2010 führe, wird bereits seit 2011 jeden Tag vom deutschen Literaturarchiv Marbach digital gespeichert. In der Schweiz ahnt das Schweizerische Literaturarchiv – das übrigens eigentlich von Friedrich Dürrenmatt gegründet wurde, nicht per se von der Schweiz – wohl nicht einmal, dass ich einen Blog habe.

Oder: Meine bisherigen Preise und Stipendien – immerhin sieben Stück – kommen bis auf zwei Ausnahmen aus Deutschland; und die zwei aus der Schweiz sind nicht etwa vom Staat, sondern von Privaten. Überhaupt verdiene ich in der Schweiz ungefähr 500 Franken, aus Deutschland etwa 2600 Franken pro Monat (ja, das ist alles). Auch gibt es hier keine staatliche Kranken- und Altersvorsorge der Kulturschaffenden durch den Staat, wie man es in Deutschland kennt.

Wer kann es sich leisten, in der Schweiz Autor zu sein?

Wie müsste oder muss das Fazit lauten? Wer kann es sich in der reichen Schweiz überhaupt noch leisten, Schriftsteller zu sein? Wer Familie hat, man darf es so sagen, ist gezwungen, Professor oder Journalist oder – in den meisten Fällen – Lehrer zu werden beziehungsweise zu bleiben. Selbst einer, der relativ erfolgreich ist, kann nicht wirklich von dem Beruf leben. Ich hatte (über mich darf ich halt immer schreiben, während es bei anderen problematisch sein könnte) eine Oper am Opernhaus Zürich. Und wurde sogar einmal – sicher übertrieben, aber trotzdem – für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen.

Aber wer nicht zu den fünf Topnamen gehört, mit denen sich in einem Verlag und auf der Bühne wirklich Geld verdienen lässt, wird es in der Schweiz immer schwer haben. Vor allem seit etwa 2010, als der Buchverkauf drastisch gesunken ist. Nicht der Umfang aller verkauften Bücher. Aber jede Autorin, auch die bestverkauften, verkaufen heute noch ein Fünftel von dem, was sie in den 1990er-Jahren verkauft haben. Auch wenn sie gleich populär geblieben sind – zu sehen an Einladungen, Preisen und Erwähnungen in Zeitungen.

Auswandern nach Deutschland?

So überlege ich es mir mehrmals im Jahr – und bin wohl bei Weitem nicht der einzige Schweizer Schriftsteller, der dies tut –, nach Deutschland zu ziehen. Warum ich es nicht tue? Irgendwie hänge ich halt an den Bergen. Die ich zwar, wie Carl Spitteler es sagt, nicht selbst aufgefaltet habe, aber die mir einen Himmelsblick erlauben, wie ich ihn in Berlin nie gesehen habe. Und ich hänge an den andersartigen Kulturleistungen hier. Den Häusern und Brücken und Bögen und Schienen und den nicht entfernten Panzersperren, weil ja vielleicht einmal die Russen doch noch kommen.

Verwendete Quellen
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Heinz Hanselkranzmeier
    Heinz Hanselkranzmeier, 02.08.2022, 18:35 Uhr

    Als Ingenieur würde ich auch gerne von Staatlichen Stipendien und Preisen leben können – so hätte ich endlich Zeit um die Raumschiffe der Zukunft zu entwerfen. Leider aber hat der Steuerzahler entschieden, sein hartgewonnenes Einkommen einzubehalten um damit seine eigene Vorlieben zu unterstützen (das Geld muss ja irgendeinem anderen Zweck weggenommen werden). So muss ich anderweitig ein Einkommen finden, bzw. dem Kunden das Liefern was er möchte – weshalb ich nun meine Arbeitszeit mit dem entwerfen von Abwassersystemen verbringe.

    Das mit dem Verlag tut mit aber echt Leid.

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    • Profilfoto von Dominik RIEDO
      Dominik RIEDO, 08.08.2022, 13:50 Uhr

      Guten Tag
      (Ich antworte erst heute, da ich noch in den Ferien war.) Sie sehen das etwas falsch, denke ich: Ich werde ja gerade NICHT von dem Staat unterhalten, in dem ich lebe und Steuern zahle, sondern von Deutschland her – und die zwei Schweizer Preise waren von privater Seite. Das steht alles oben.

      Zudem möchte ich an sich nicht von Almosen leben. Wenn ich trotzdem finde, der Staat sollte uns mehr finanzieren, dann deswegen, weil er nicht dafür sorgt, dass uns zukommt, was uns zukäme. Es gibt in der Schweiz keine Bibliotheksgebühr an Schriftsteller (ein Buch kann gratis so oft ausgeliehen werden wie die Bibliothek will; das ist in fast allen Ländern rundherum anders), das Urheberrecht hat brutale Lücken (wem kann schon ein Haus weggenommen werden, nachdem der Erbauer 70 Jahre tot ist? Bei den Büchern ist das der Fall; irgendjemand darf sogar an dem ‹Haus› herumbasteln, wie er/sie möchte).

      Zudem gibt es auch wirklich Förderungen für Architekten: Der Bund ist einer der Hauptauftragsgeber im Baugewerbe. Wäre er das auch in der Literatur, alles wäre mehr als fein.

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