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Pablo Haller

Spoken Poetry, Slam Word

Die Wortkünstler von «Bern ist überall»

Mit der Verpflichtung von Patti Smith als Headlinerin gelang dem Spoken Word Festival Woerdz, das Mitte Oktober im Südpol über die Bühne geht, ein veritabler Coup. Doch was ist eigentlich Spoken Word? Was Poetry Slam? Und wie geht die Geschichte des Woerdz Festival, das heuer zum zweiten Mal über die Bühne geht weiter? Eine Spurensuche von Pablo Haller.

Mit der Verpflichtung von Patti Smith als Headlinerin gelang dem Spoken Word Festival Woerdz, das Mitte Oktober im Südpol über die Bühne geht, ein veritabler Coup. Doch was ist eigentlich Spoken Word? Was Poetry Slam? Und wie geht die Geschichte des Woerdz Festival, das heuer zum zweiten Mal über die Bühne geht weiter? Eine Spurensuche von Pablo Haller.

Der Mann, der den Slam erfunden hat heisst Marc Kelly Smith. Er stammt aus Luzerns Partnerstadt Chicago und begann 1984 als Literaturveranstalter zu wirken. 1986 wars so weit: Mit der Autorengruppe Chicago Poetry Ensemble ging der erste Poetry Slam weltweit über die Bühne: Dichter performen eigene Texte, eine Zuschauerjury kürt den Sieger, der – meist – eine Flasche Schnaps überreicht erhält.

Slam Poetry ist eine Form des Spoken Word, wo, wie impliziert, das gesprochene Wort, der Vortrag, vorrangig ist. Im krassen Gegensatz zur Wasserglaslesung. Wichtige Vorreiter waren die amerikanischen Beat-Poeten um William S. Burroughs, Allen Ginsberg und Jack Kerouac. Im deutschen Sprachraum sind Einflüsse der Dadaisten wie auch von Lautpoeten wie Franz Mon, Oskar Pastior oder Ernst Jandl wegweisend.

Slam als Breitensport

Mittlerweile ist Poetry Slam bei der Masse angekommen. Spätestens seit Gabriel Vetter ist das Genre zu einer SRF-tauglichen Kabarettsparte geworden, deren Exponenten Woche um Woche bei Giacobbo/Müller rumkasperln dürfen, sofern die nicht gerade Sendepause haben. Was anarchisch begann – siehe den Film «Poetry Slam im Tojo Theater» (1999) von Matto Kämpf – hat seine Ecken und Kanten verloren. Die Texte, ja gar der Flow, sind mittlerweile gleichförmig, das Format wirkt ausgelutscht.

Mittlerweile ist Poetry Slam bei der Masse angekommen. Die Texte, ja gar der Flow, sind mittlerweile gleichförmig, das Format wirkt ausgelutscht.

Nicht so Spoken Word. Unter den Ex-Slammern, Nicht-Slammern, Bühnenpoeten entwickelte sich in der Schweiz eine interessante, relevante Szene. Mitverantwortlich ist Matthias Burki, mit seinem Verlag «Der Gesunde Menschenversand», in dem er seit 1998 Bühnentexte publiziert. 2009 entstand die «Edition Spoken Script», wo Pedro Lenz’ «Goalie» erschien sowie «Kurz vor der Erlösung», das Debüt des Berners Michael Fehr, der  vergangenen Sonntag (6. Juli) mit einem Auszug aus «Simeliberg» beim Bachmann-Wettlesen den 2. Preis, den Kelag-Preis, gewann.

Die Geburt von Barfood Poetry in Luzern

Zurück zu damals. Eine der frühen Veranstaltungen mit «gesprochener Literatur» hob anno 2000 Adi Blum, heute Vorstand des DeutschSchweizer PEN Zentrums aus der Taufe: «Ich organisierte für die BOA damals die Literarischen Ostern, ein Festival, das bereits damals die ‹Randgebiete› der Literatur beackerte.» Unter anderem fand damals ein Slam statt, mit Till Müller-Klug. Bas Böttcher, der erste deutsche Poetry-Slam Meister trat auf, wie Christien Uetz und der Dub-Poet Linton Kwesi Johnson. Blum: «Ich fand mich mit dieser Idee verstanden von Matthias Burki. Wir gingen auf die Suche nach einer Möglichkeit, auch unter dem Jahr Popliteratur/Spoken Word zu machen und fanden André Schürmann, der damals noch beim Fourmi mitarbeitete. Konzept: Essen und Literatur. Anschliessend Tanzveranstaltung. Barfood Poetry war geboren.»

Was 2001 mit den Surfpoeten und Pirmin Bossart als Bin DJ hinter den Plattentellern begann, wurde in den knapp 13 Jahren, in denen die Reihe lief, zu einem Stelldichein der Spoken-Word Szene. Beispielsweise 2003, als sich die Mundart-Formation «Bern ist überall» an einem Barfood-Anlass gründete. Adi Blum lud Beat Sterchi («Blösch»), Guy Krneta und Pedro Lenz zu einem gemeinsamen Auftritt ein und kündigte sie kurzerhand als «Bern ist überall» an. Das Quartett harmonierte, die ersten Auftrittsanfragen kamen. Mittlerweile ist die Gruppe über 200 Auftritte, vier CDs und zwei Preise schwer. Oder der legendäre Auftritt des Lautpoeten Oskar Pastior, weniger als einen Monat vor seinem Ableben.

Das Fourmi wurde Geschichte und nach einigen Anlässen im Südpol auch Barfood Poetry. «Aufgelöst haben wir uns, als das Festival Woerdz flügge wurde. Ein neues Konzept, eine neue Trägerschaft, ein neuer Name» so Adi Blum. «In dieser Zeit hat sich diese Literaturform stark entwickelt, ist anerkannt und etabliert geworden», sagt Mitveranstalter Matthias Burki im Rückblick. Auch gebe es mit der Loge nun einen zweiten wichtigen Veranstaltungsort.

Spoken Word als literarische Tradition

Die Literaturbühne Loge führen seit 2004 André Schürmann und Jürg Lischer. Initiiert wurde sie «aus Interesse für das gesprochene Wort – die Literatur für die Bühne, nicht für das Büchergestell», wie Schürmann erzählt. Ausserdem ist Spoken Word eine literarische Tradition die wieder aufgenommen, der mehr Platz gegeben werden sollte. Es ist ja immer ein Zusammenspiel zwischen einer Tendenz, einem Trend eine Plattform zu geben und sie zu unterstützen oder gar initiieren.» Schürmann, der 2012 mit einem Atelierstipendium bereits bestehenden Kontakte zur Chicagoer Spoken-Word-Szene intensivierte, entwickelte immer wieder neue Formate. Wie den Text-Tiegel, wo Autoren eine Dreiviertelstunde Zeit haben, mit drei vom Publikum gegebenen Stichworten einen Text zu schreiben.

Auch am Woerdz Festival gibt es einen Text-Tiegel. Unter anderem mit Robbie Q. Telfer aus Chicago. Auch am Woerdz Festival gibt es einen Poetry Slam. Unter anderem mit der wunderbaren Hazel Brugger als Moderatorin und dem fabelhaften Duo Canaille du Jour. Das Festival zeigt am Samstag einen eigens kuratierten Querschnitt durch die aktuelle Spoken-Word Szene. Unter anderem mit Bern ist überall.

Höhepunkte aber werden wohl der Auftritt der Punk-Grossmutter Patti Smith sein wie auch das Projekt «CHicaGO», wo drei Chicagoer mit drei Schweizer Poeten in einer Woche ein zweisprachiges Programm aushecken.


Vom 15. bis 19. Oktober findet in Luzern das erste internationale Spoken Word Festival der Schweiz statt.
Tickets und Informationen: www.woerdz.ch

Zur Einstimmung ein Auftritt von «Bern ist überall»


 

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