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Auch Kulturschaffende müssen wieder unter Menschen

Routine: meine beste Verbündete – und mein grösster Feind

Wenn's zu plüschig wird, sollte man die Routine durchbrechen. (Bild: cer)

Im Homeoffice wird’s plüschig. Der Grottenolm muss wieder unter Menschen, bevor er’s sich zu bequem macht. Denn so langsam kehrt Routine ein, und diese hat nicht umsonst einen schlechten Ruf.

Neulich war ich mal wieder an einer «richtigen» Sitzung mit Menschen und Masken und in einem grossen Raum. Ich fühlte mich richtig unbeholfen nach all der Zeit allein im Homeoffice. Zum Glück währte die grosse Unsicherheit nicht allzu lange. Noch während der Sitzung tauchten Erinnerungen daran auf, wie das ist «unter Menschen».

Hat man in einer Sache mal eine gewisse Übung erlangt, kann man noch einige Zeit darauf zurückgreifen. Beim Schreiben ist diese Art von Routine meine beste Verbündete. Die erste Fassung ist selten mehr als ein Entwurf, ein Zusammenraffen von Ideen, Stimmungen und Szenen, die mir in den Sinn gekommen sind und von denen ich fürchte, sie gleich wieder zu vergessen. Qualität stellt sich erst nach ein paar Durchläufen ein, wenn ich den richtigen Rhythmus gefunden und den richtigen Tonfall. Dann flutscht es beim Schreiben und irgendwann auch zum Lesen.

Neue Kindergeschichten und eine alte Idee

Zum Autor

Der Autor Silvano Cerutti ist im Kanton Zug aufgewachsen und lebt in Bern. Aktuelle Veröffentlichung: «Der fliegende Tintenfisch», editionhazard.ch.

Um diese Art der Routine zu fördern, unterteile ich mein Schreiben in verschiedene Phasen. Frühling und Herbst sind für gewöhnlich in meinem Brotjob ziemlich intensiv. Das geht zulasten der Schreibzeit, weshalb ich mich dann auf kürzere Texte konzentriere. Dieser Frühling gehörte den Kindergeschichten. Rund um die Publikation meiner ersten Kindergeschichte («Der fliegende Tintenfisch», Edition Hazard) sind mir ein paar Lichtlein an- und ein paar Knöpfe aufgegangen.

Das freut mich vor allem für eine Idee, die ich schon seit Jahren verfolge, in immer neuen Fassungen, unter immer neuen Blickwinkeln und bei der ich jetzt hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich endlich die richtige Umsetzung gefunden habe – in ein paar Jahren werde ich es wissen.

Ein Puffer für Zwischenfälle

Bald aber werde ich die Kindergeschichten zur Seite legen und über den Sommer auf die lange Strecke wechseln. In der ersten Woche oder in den ersten zwei werde ich mich dabei wahrscheinlich so unbeholfen und tapsig fühlen wie neulich in der Sitzung. Danach aber sollte die Routine zurückkommen und mich zügig arbeiten lassen – immer vorausgesetzt, dass von aussen nichts dazwischenkommt. Das war in den letzten Jahren oft genug der Fall – oft genug auch auf den letzten Metern, kurz vor dem Ziel. Inzwischen rechne ich in meinen Plänen bereits einen Puffer für Zwischenfälle ein.

Aber auch bei der besten Verbündeten ist alles eine Frage des richtigen Masses. Routine hat nicht umsonst einen schlechten Ruf. Zuerst muss man hart arbeiten, um sie zu erreichen, danach wird es eine Zeit lang bequem und schliesslich wird man faul, wenn man es sich zu bequem einrichtet. Darum ist es für mich gut, von Zeit zu Zeit den Schreibrhythmus zu wechseln. Und darum fährt der Grottenolm jetzt auch ins grosse Büro. Ich wünsche Euch allen einen schönen Sommer!

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