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Thomas Gisler

Ja. U2 sind Scheisse. Aber….

Bono, The Edge und Adam Clayton (v.l.) von U2 am Konzert «We Are One: The Obama Inaugural Celebration At The Lincoln Memorial» am 18. Januar 2009 in Washington, DC. (Bild: Mark Wilson/Getty Images/istockphotos.com)

Viele haben sich über die Gratisaktion von U2 und Apple aufgeregt. Thomas Gisler hat eine andere Meinung dazu. 

Ich gebe es zu: Ich fand U2 schon immer zum Kotzen. Bono ist für mich das ultimative Hassobjekt in der Popmusik. Sozusagen eine Mischung zwischen dem Dalai Lama und Adolf Hitler. Näher erörtern möchte ich das jetzt aber nicht. Mir geht’s heute um was anderes.

U2 ist nämlich nicht mehr nur eine Band. Sondern auch eine Plattenfirma. Jeder iTunes Nutzer konnte sich das neue Album der Band gratis runter laden. Einfach so. Schön so. Irgendwie. Oder? Was gratis ist, nimmt man doch gerne an. Das war schon bei den Wollsocken von Oma so.

Natürlich kommen nach so einer Aktion gleich die Kritiker hinter ihren Bäumen hervor. Es würden falsche Signale gesetzt! Was gratis ist, ist auch nichts wert! Sogar das Albumformat wurde zu Grabe getragen.

Können das ein paar Songs überhaupt? Sowas auslösen? Insbesondere wenn sie so belanglos sind? Meiner Meinung nach ist das Albumformat noch lange nicht tot. Es hat einfach nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher. Das kann eine Band wie U2 vielleicht unterstreichen. Doppelt und dreifach. Aber der Auslöser für den Untergang des Albumformats sind sie sicherlich nicht.

Fakt ist: U2 verschenken ihr neues Album über iTunes. Vermutlich hat Apple dafür ne schöne Stange Geld gezahlt. Ich weiss es nicht. Ist mir auch egal. Aber: Sie können sich das leisten. Sie müssen deshalb noch lange nicht am Hungertuch nagen. Kann ja nicht so falsch sein. Wenn ich ein Haus besitze und es mir leisten kann, dass ich von den Bewohnern keine Miete verlangen muss, ist das ja auch nicht so falsch. Ich kann es mir ja leisten. Das Problem ist, wenn zum Beispiel Züri West ihr Album verschenken, geht das für sie nicht auf. Ausser sie finden einen Sponsor, welcher das möglich macht. U2 können aber durch den Promoeffekt der Aktion auf einen massiv erhöhten Ticketverkauf für die kommende Tournee zählen. Weltweit. Sowas geht für eine kleine Band wie Züri West niemals auf.

Ähnliche Situationen gibt es aber auch an anderen Orten, und zwar schon lange. Ein 4. Liga Fussball-Spiel hat Gratiseintritt. Für ein Super-League Spiel zahlen die Zuschauer ohne schlechtes Gewissen 40 Franken Eintritt und mehr. Ist es jetzt so verwerflich, wenn der FCL plötzlich Gratis-Eintritte machen würde, wenn man einen guten Sponsor gefunden hat? Im Falle vom FCL könnte man im Moment höchstens sagen, dass die Auftritte zur Zeit nicht mehr wert sind. Keine Angst: Die Songs von U2 bewegen sich auf dem selben Niveau.

Und mich persönlich würde etwas interessieren: Wieviele Radiohead Fans prangern die Geschäftstaktik von U2 und Apple an? Nicht wenige, behaupte ich. Radiohead-Fans sind ja schliesslich alternativ und verurteilen jeglichen Kommerz von vornherein (ja, ich bin auch kein Radioheadfan). Aber: Radiohead waren es, welche ein ähnlich belangloses Album im Internet zum Download anboten. Zahlen durfte man, was man wollte. Von Null bis Tausentrilliardenvierhundertausendbla Dollar. Eh egal, der Promoeffekt war um ein Vielfaches höher, als der Gewinn aus allfälligen Albumverkäufen. Genau das kann sich aber keine kleine Band leisten. Auch Züri West nicht, die wir hier schon mal erwähnt haben. Schlussendlich ist es das gleiche, wie bei Bono & Co: Wenn man es sich leisten kann, «verschenkt» man halt die Musik.

«Ich persönlich hoffe, dass sich die U2-Aktion sogar positiv auf die Musikszene auswirkt.»

Ich persönlich hoffe, dass sich die U2-Aktion sogar positiv auf die Musikszene auswirkt. Viele Leute, die sich noch nie darüber Gedanken gemacht haben, dass Musik einen Wert hat, wurden zum Nachdenken angeregt. Vielleicht ist das aber auch nur Wunschdenken. Die meisten nehmen das Geschenk wohl einfach an und beschweren sich dann beim lokalen Künstler, wieso sie jetzt zwanzig Franken für ihre Platte bezahlen müssen… Hierzu aber meine Leitlinie: Zahlt doch für Musik, die ihr gerne hört. Mache ich auch. Ich höre aber auch vieles gratis. Oder zumindest gefühlt gratis. Für 13 Franken oder so im Monat hab ich auf Spotify Zugriff auf praktisch alles. Und wenn ich etwas unbedingt haben will, kauf ich es auf Vinyl. Passt mir so.

Zum Schluss: Was halte ich persönlich vom neuen U2 Album? Wenn ich mein Gaggi einen Monat lang sammle und dann als Wochenmenü im Restaurant gratis abgebe, wird es auch nicht plötzlich geniessbar. Und zu Radiohead sag ich am besten einfach gar nichts.

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