Haben Sie schon ein Verschiebedatum?
Nach vier Jahren Produktionszeit will das Hörspiel «Tàlmynd. Lokis Trugbilder» endlich unter die Leute kommen. Doch was tun, wenn alle Lesungen abgesagt werden? Henrik Amalia von Dewitz erzählt vom Startfeuer und davon, wie es am Brennen gehalten werden soll.
«Guten Tag, Person von Dewitz
Leider müssen wir aufgrund der Covid-19-Bestimmungen ihre Veranstaltung absagen. Natürlich können wir es zu einem geeigneten späteren Zeitpunkt durchführen.» – «Unsere Schule hat auf Fernunterricht umgestellt und kann nun nicht an ihrem Projekt teilnehmen. Das Poetry-Coaching ist bis auf Weiteres auf Zoom verschoben.»
Wie viele Mails mit diesem oder ähnlichem Inhalt ich und viele weitere Kulturschaffende erhalten haben, ist wohl nicht einfach zu zählen. Irgendwie werden Lösungen gefunden, Veranstaltungen werden verschoben oder abgesagt und am Ende bleibt doch die Ungewissheit. Bei jedem Mail ist es ein klein wenig schwieriger hinzunehmen und jeden Morgen bleibe ich ein klein wenig länger im Bett liegen, um mich für den Tag aufzuraffen.
Kultur zu schaffen ist für mich ein Herzensprojekt: Musik zu schreiben, Theaterprojekte umzusetzen oder Poetry-Slam-Veranstaltungen zu organisieren. An jedes neue Projekt gehe ich mit einer Begeisterung heran, welche ein einzigartiges Brennen in mir auslöst. Ich kann für Stunden in der Frage versinken, wie ich nun ein Projekt umsetzen möchte.
Startfeuer braucht Holz
Doch ohne Holz – ohne Futter! – brennt das Feuer irgendwann aus. Sagt mir jemand, dass meine Idee nicht umsetzbar ist, spornt mich das anfangs an. Ich möchte beweisen, dass sie sich irren und dass mein Projekt mit grossem Erfolg ans Tageslicht kommt. Doch wenn immer mehr Hürden kommen und die Ziellinie fernbleibt, verschwindet irgendwann die Luft aus den Lungen.
Das schwierigste während dieser Lockdownzeit war es für mich nicht, drinnen zu bleiben oder wenige soziale Kontakte zu haben. Sondern zuzuschauen, wie meine kleinen fragilen Startfeuer nach und nach erloschen sind. Aber einmal gestartet, muss es doch auch weitergehen, oder etwa nicht? Das schulde ich doch den anderen Mitwirkenden! Also los, wir begeistern uns wieder. Auch wenn es ungewiss ist, ob es wirklich Früchte trägt.
Kaugummiprojekte für Kaugumminerven
Nun ist es bald 4,5 Jahr her, seitdem ich mit Sara Gerhardt das Projekt «Tàlmynd. Lokis Trugbilder» in Angriff nahm. Die Idee: Wir machen aus dem Fantasybuch von Sara gemeinsam mit Schauspielenden des Zürcher Theatervereins Jungthaeter ein Hörspiel. Das klingt einfach, das ist doch machbar. Die Schauspielenden waren schnell gefunden, die ersten paar Proben verliefen gut und wir teilten alle die Begeisterung für die nordischen Figuren.
Henrik Amalia von Dewitz, 26, kulturschaffende Lehrperson aus Zug.
Kurze Zeit später mussten wir den ersten Rückschlag einstecken, als unser Aufnahmeort ohne Kontext absagte. Kein Studio, keine Aufnahmen und so stagnierte das Projekt. Bis wir ein neues Homestudio fanden, wo wir den Gottheiten, Menschen und dem Gnom Snorri neues Leben einhauchen konnten. Ende 2019 schafften wir es gerade noch vor jeglichen Coronaeskapaden alles aufzunehmen! Was für ein Abenteuer.
Doch wie könnte es anders kommen, als dass ein Theaternerd wie ich die Tücken der Postproduktion unterschätzt! Stunden um Stunden flossen in die Bereinigung der Schnitte und schliesslich standen wir nach dem ersten Lockdown mit 12 Stunden Hörspiel da. Die Zeit hatte ich ganz produktiv genutzt und so konnte ich es kaum erwarten, dass nun endlich andere Menschen von dieser Geschichte verzaubert werden – genau so, wie sie mich verzaubert hatte, als ich sie das erste Mal las.
Nachdem Musik und Soundkulisse auch noch aufeinander abgestimmt wurden, war es im Dezember 2020 endlich so weit, dass wir die ersten vier Stunden des Hörspiels veröffentlichen konnten. Mit Hoffnung planten wir von Januar bis Juni eine Lesetour in den grösseren Städten der Deutschschweiz, unter anderem auch im «Kurioz» in Zug und im «Theater Winkel» in Luzern.
Erneutes Aufraffen
Nun ist es Mai 2021 und mit den Impfungen ist langsam ein Ende in Sicht. Und ich kann mich wieder dazu motivieren, die Daten für die neue Lesetour zu planen. Also geht das Mailschreiben los: Wann kann Schauspieler Manuel, wann kann Schauspielerin Milena, wann können andere? Ist die Location noch mit dabei?
Und immer wieder schauen, dass die Flamme nicht erlischt. Denn wenn es dann klappt, wird es grossartig!