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Mario Stübi

Für Kultur braucht es in erster Linie Raum, erst später Geld

Steht anstelle des Luzerner Theaters in einigen Jahren die Neue Theaterinfrastruktur alias Salle Modulable?

(Bild: Copyright by AURA)

Ganz Luzern wartet gespannt auf das Urteil zu den Salle-Modulable-Millionen. Ganz Luzern? Wohl vor allem die Leute, welche derzeit die Zukunft der Kultur planen. Klar ist, dass die Stadt ein neues Theater erhalten wird. Wo dieses entstehen soll und was mit dem alten Theaterhaus an der Reuss geschieht, ist offen. Mario Stübi plädiert dafür, kulturelle Fördergelder mit Vorsicht zu geniessen und über eine kreativ-kulturelle Nutzung des Luzerner Theaters nachzudenken.

Ganz Luzern wartet gespannt auf das Urteil zu den Salle-Modulable-Millionen, welches in den kommenden Wochen auf Bermuda gefällt werden soll. Ganz Luzern? Wohl vor allem die Leute, welche derzeit die Zukunft der Kultur (und ihre Förderung) im Kanton und der Stadt Luzern planen. Die entsprechenden Dokumente heissen Planungsbericht über die Kulturförderung des Kantons Luzern, Theater Werk Luzern, Grundlagenbericht Kultur-Agenda 2020. Darin werden künftige Stossrichtungen beschrieben, Idealzustände skizziert und allgemein viel geplant wird: Fördermodelle, Partnerschaften, ja sogar von Neubauten ist die Rede. Das erwähnte Urteil wird aber offenkundig entscheidenden Einfluss auf diese Planung haben, Stichwort geplanter Neubau des Luzerner Theaters. Ich komme später darauf zurück.

Mehr Kultur-Fördergelder bedeuten mehr Abhängigkeit

Vor allem bei der Freien Theaterszene und der Filmförderung soll sich einiges bewegen. Diese Aspekte der Luzerner Kultur werden als wichtig taxiert und dem soll entsprechend Rechnung getragen werden. Unter dem Strich läuft es darauf hinaus, dass für diese Bereiche mehr öffentliche Gelder fliessen sollen. Das ist löblich, ja «wurde auch Zeit!» ist man gewillt zu sagen – aber ist es die Lösung? Angesichts der miserablen Finanzlage der öffentlichen Hand bin ich sowieso skeptisch, was von all dem Geplanten dann schlussendlich finanziert werden kann, aber das ist ein anderes Thema.

«Mehr Fördergelder bedeuten für die Empfänger gleichzeitig mehr Abhängigkeit und im dümmsten Fall Trägheit und Innovationslosigkeit»

Die Freie Szene macht einen verdammt guten Job

Die vielen Theatergruppen, Ad-hoc-Ensembles und Laienprojekte im Kanton Luzern mögen durchaus seit Jahren über zu wenig Geld für ihre Produktionen verfügen – dafür machen sie aber einen verdammt guten Job, geben alles, um die nötigen Mittel für zwingende Requisiten oder Werbemassnahmen zusammenzuraufen, geben viel Freizeit für Planung und Organisation her und das mehrheitlich unentgeltlich. Das schweisst zusammen, stiftet Identität und ist für mich eine zentrale Eigenschaft dieser Szene.

«Geld ist nicht alles, vielmehr sollten ein paar andere Hürden fallen»

Finanzielle Unterstützung ist nämlich oftmals vorhanden, abholbereit in diversen Fördertöpfen. Weil aber zuerst Unmengen an Unterlagen zusammengetragen und ausgefüllt werden müssen, fragt sich so mancher Theater- oder Filmschaffende, ob es überhaupt erwünscht ist, dass er sich kulturell engagiert. Auch ich habe schon auf die Einreichung eines Gesuchs verzichtet, weil für mich (zeitlicher) Aufwand und (finanzieller) Ertrag in keinem Verhältnis standen. Oder das mühsame Einholen diverser Bewilligungen – Filmer können hiervon ein Lied singen.

Ein Abriss des Luzerner Theaters wird nicht funktionieren

Ich will keineswegs den sich offenbar öffnenden Geldhahn der Behörden bereits wieder zudrehen, aber bei den genannten Beispielen könnte auf beiden Seiten Aufwand eingespart und damit viel positiver Impact generiert werden, ohne dass direkte Fördergelder erhöht werden. Abgesehen davon wäre es schön, wenn sich der Kanton Luzern an geltende Gesetze halten würde, sonst reist unser Lotteriefonds bald mehr als nur Moskau einfach.

«Ich will nicht, dass dieses Theater abgerissen wird»

Das Theaterhaus an der Reuss – um auf mein anfängliches Thema zurückzukommen – ist ja angeblich zu klein und zu alt und ein Neues soll dereinst in KKL-Nähe zu stehen kommen. Weil das Inseli als möglicher Standort zurecht bereits für politisch tot erklärt wurde, als es zur Diskussion gestellt worden ist, bleibt wohl oder übel nur der jetzige Standort an der Reuss übrig. Vor dem Tod des Salle-Modulable-Stifters Engelhorn, als noch hemmungslos mit der grossen finanziellen Kelle angerührt werden konnte, war die Wiese zwischen dem jetzigen Theater und der Jesuitenkirche aber scheinbar noch zu klein. Dabei liegt aus meiner Sicht diese Lage auf der Hand, zumal die dortige Lücke mit der Wiese im historischen Kontext noch jung ist und dort vor einem halben Jahrhundert mit dem Freienhof schon mal ein Gebäude gestanden hat. Fragt sich jetzt nur, ob es dennoch den Abriss des heutigen Luzerner Theaters braucht. Sollte sich dieser Plan bei den Entscheidungsträgern durchsetzen, möchte ich einfach nur zu bedenken geben, dass dieser nicht aufgehen wird. Das hat zwei Gründe:

  1. In unmittelbarer Nähe hat der «Mach-das-Alte-weg-Übermut» schon öfters gespielt (Hotel du Lac, Seidenhof, Gotthard-Haus). Wie lieb den Städterinnen und Städtern gewisse Gebäude sind, wird derzeit wieder von der ZHB-Planungsleiche unterstrichen (dieses kantonsrätliche Malheur wird gefälligst noch dieses Jahr wieder geradegebogen, wir haben wirklich andere Probleme)

  2. Und das ist jetzt etwas narzisstisch: Ich will nicht, dass dieses Theater abgerissen wird. Und ich werde mich auch dafür einsetzen. Einerseits hege ich ganz klar nostalgische Gefühle für den 175 Jahre alten Bau. Andererseits kann ich es auch aus Sicht der Kultur in Luzern nicht zulassen, dass Infrastruktur abgerissen wird, die zwar der einen Nutzung (ein nach heutigen Standrads funktionierendes Drei-Sparten-Haus) offenbar nicht mehr genügt, einer anderen aber mehr als zugute kommen würde. Ja, ich denke laut: Dieses Haus – ich nenne es seit kurzem gerne wie früher Stadttheater, wenn ich nur vom Gebäude selber rede – ist doch prädestiniert für eine kreativ-kulturelle Nutzung für Institutionen und Akteure wie eine Freie Theaterszene beispielsweise. Auch Boa, La Fourmi und Kunsthalle (und ganz aktuell das Neubad) hatten ihren Ursprung in ungenutzten Räumlichkeiten.
     

Damals wie heute ist es genau gleich: Für Kultur braucht es in erster Linie Raum, erst später Geld. Was spricht da noch dagegen, dass im Stadttheater auch nach dem Luzerner Theater Kultur stattfindet?
 

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