Künstler vermarkten ihre Musik heute anders als früher. Thomas Gisler, Geschäfts- und Programmleiter des Konzerthaus Schüür, macht sich Gedanken über die «Eventisierung» von Musik und Konzerten.
Thomas Gisler
Die Event-Hysterie
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Der Musikindustrie geht es schlecht. Sehr schlecht sogar. Das sagen zumindest die Labels. Man könnte es auch «Gesundschrumpfen» nennen, da die Labels jahrelang schlicht über ihre Verhältnisse gelebt haben.
Auswirkungen hat dies vor allem auf die Bands. Fehlende Einnahmen aus Alben-Verkäufen werden vielfach durch häufigere Touren kompensiert. Waren internationale Acts früher alle drei bis vier Jahre auf Tournee, so sind sie heute fast jährlich in den Clubs und Hallen des Landes anzutreffen. Dies führt dazu, dass die Konzerte weniger exklusiv sind und von einem immer kleiner werdenden Publikum besucht werden.
Natürlich will eine Band weiterhin die gleiche Gage erhalten wie früher. Folglich werden sie weniger gebucht und verkaufen noch weniger Alben (da eine höhere Livepräsenz sich positiv auf die Verkäufe auswirkt).
Jetzt kommen die Labels wieder ins Spiel. Diese «verschachern» ihre Künstler an Events, welche mit Vorliebe von Lokalradios oder Gratiszeitungen veranstaltet werden: «Radio Rigi Oster Musiknacht» und dergleichen. Immer mit der Hoffnung, den Bekanntheitsgrad der Musiker zu steigern.
Die Labels «verschachern» ihre Künstler an Events, welche mit Vorliebe von Lokalradios oder Gratiszeitungen veranstaltet werden.
Was dabei oft vergessen geht: Die Besucher solcher Events sind in den seltensten Fällen an der Musik interessiert. Sie besuchen diese, weil sie entweder ein Gratisticket haben (Werbepartner, Verlosungen, etc.) oder weil die Kollegen hingehen (die ein Gratisticket haben). Wer auf der Bühne steht ist zweitrangig und an die Bandnamen können sich 90 Prozent am nächsten Tag schon nicht mehr erinnern.
Für die Bands ist dies selten ein Vergnügen, da sich das Publikum lieber über den Polterabend des Kollegen (der kein Gratisticket mehr ergattern konnte) vom letzten Wochenende unterhält – selbstverständlich laut und verbunden mit grossem Gelächter und vorzugsweise bei ruhigen Songs.
Dieser Trend stellte sich in den letzten Jahren auch bei den grossen Festivals ein. Die Open Airs von Nyon, St. Gallen oder auf dem Gurten sind vielfach schon ausverkauft, bevor das Line-Up überhaupt bekannt ist. Es stehen nicht mehr die Acts im Zentrum sondern der Event. Die Leute gehen ein Wochenende feiern und wenn es gut kommt, ziehen sie sich noch den einen oder anderen Act rein. Meistens nur mit einem Ohr, weil ja der Swisscom-Stand mit «Töggelikästen» und die Pizzabude mit «Super-mega-lässigem-Gewinnspiel» auch noch daneben stehen. Sie haken die Band dann ab und verzichten auf die Clubshow drei Monate später. Was verpassen sie mit dem Verzicht? Ein Konzert, welches oft doppelt so lang dauert wie die Festivalshow und erst noch gute Soundqualität bietet.
Der Trend zur Eventisierung ist auch bei kleineren Konzerten feststellbar. Die Veranstalter und die Location spielen oftmals eine übergeordnete Rolle. Fairerweise muss gesagt werden, dass dies wegen dem kleineren Kreis von Leuten, die angesprochen werden, zu einem Teil auch logisch ist. Kennt man einen Veranstalter persönlich oder zumindest näher, ist die Hemmschwelle tiefer, an einem Event dabei zu sein. Der Besucher vertraut auf den guten Geschmack eines Kollegen. Wenigstens besteht die Hoffnung, dass Besucher von kleineren Konzerten auch eher Musikinteressierte sind, welche den Act dann ein zweites Mal sehen wollen. Insofern es nicht gerade wenige Monate später nach dem ersten Mal ist. Womit sich der Kreis wieder schliesst…
Punktlandung.