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Edwin Beeler: Rassist qua Geburt

Das neorassistische Dogma der Tugendwächter: Die Erbsünde 2.0

Blogger Edwin Beeler, Kindheitsfoto - die damalige Zuschreibung «Schlitzaugen» ist gut erkennbar... (Bild: ebe)

Einst wurde er beschimpft als «Gotthardchinese». Heute steckt ihn die neue Sprach- und Tugendpolizei in die Schublade des «alten, weissen Mannes» und des Rassisten qua Geburt. Der Luzerner Regisseur Edwin Beeler über die diskriminierenden Zuschreibungen, die er im Laufe seiner 63 Lebensjahre erlebte.

Ob ich ein Chinese sei oder asiatische Vorfahren hätte? Ob ich peruanisch-indigener Herkunft sei? Ich sähe so asiatisch-mongolisch-bolivianisch aus, woher denn meine Eltern stammen würden, ob sie Schweizer seien?

Solche Fragen habe ich als Kind oft gehört. Da ich väterlicherseits aus Rothenthurm im Kanton Schwyz stamme, vermuten Bekannte, während des Gefechts zwischen französischer Soldateska und den Schwyzern beim Letziturm 1798 hätten wohl asiatische Söldner sozusagen ihr «Erbgut» hinterlassen (im Klartext: einheimische Frauen vergewaltigt, dabei Kinder gezeugt und sich dann aus dem Staub gemacht). Bei meinem Äusseren könne es gar nicht anders sein.

Tatsächlich sind gewisse körperliche Merkmale auf Kindheitsfotos zu sehen, die durchaus etwas, sagen wir mal, «exotisch» wirken. Auf diesen Bildern sind meine – um das damals dafür übliche (Schimpf-)Wort zu benutzen – «Schlitzaugen» gut zu erkennen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie andere Kinder mir nach der Schule hinterher riefen: «Gotthardchinese! Schubladenchinese!»

Zuschreibungen

Irgendwie fühlte ich, dass ich ein Aussenseiter war, auch weil ich keine Geschwister hatte, was im Dorf meiner Kindheit selten vorkam. Und als Einzelkind galt man qua Geburt automatisch als «verwöhnt». Ich war also ein schlitzäugiges, verwöhntes Einzelkind.

Dass es sich dabei um Diskriminierung, gar um Rassismus handelte, war mir damals nicht bewusst und im Dorfbiotop wurde ja nicht nur ich zum «Chinesen» abgestempelt. Da gab es Menschen, die wegen gewisser Auffälligkeiten körperlicher und sozialer Art zu unfreiwilligen Dorforiginalen, zum Gegenstand der Verspottung beispielsweise in der Fasnachtszeitung, gemacht wurden. Sie trugen ihr Stigma, hatten innerhalb der ihnen zugeschriebenen Rolle zu funktionieren. Aus dieser gab es kaum ein Entkommen.

Erbsünde 2.0

Heute werde ich nicht mehr als gebürtiger «Gotthardchinese» verspottet. Heute gibt es aus einer anderen diskriminierenden Zuschreibung kein Entkommen mehr. Der zeitgeistige Trend macht mich nun zum Rassisten: Die Erziehungswissenschaftlerin DiAngelo beispielsweise sagte in einem Spiegel-Interview, wer nicht «Schwarz/People of Color» sei, sei automatisch «weiss», demnach unvermeidlich ein Rassist aufgrund seiner privilegierten Geburt. Die neue Erbsünde also. Ein neorassistisches Dogma legt nun fest, dass ich, weil im «Westen» und mit einer Haut geboren bin, die als «weiss» definiert wird, ganz automatisch schuldbeladen sei.

Die neuen Tugendwächterinnen, Kinder im Geiste von Robbespierre, Wyschinski und McCarthy, bestreiten, dass es individuelle Identitäten gibt und lösen mit neuen, diskriminierenden Etikettierungen die alten ab. Sie kennen mich und mein Leben und dessen Umstände nicht, sitzen aber über mich zu Gericht, machen aus mir eine Täterfigur und behaupten zu wissen, wer ich qua Geburt angeblich bin. Sie schreiben mir vor, wie ich zu sprechen und zu denken habe.

Wehre ich mich gegen diesen Neorassismus, laufe ich Gefahr, in eben jene Ecke gestellt zu werden, in die gestellt zu werden ich mich weigere, weil ich mein individuelles Dasein nicht auf Hautfarbe, Geschlecht, biologisches Alter, sexuelle Identität, Herkunft oder soziale Zugehörigkeit reduziert haben will. Die «neue Erbsünde» gehört in die Mottenkiste totalitärer Ideologien. Mittel dagegen sind altmodische Tugenden wie gegenseitiger Respekt, Anstand und Achtung jedweder persönlichen Identität, Schutz von Meinungsäusserungs-, Kunst- und Kulturfreiheit.


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6 Kommentare
  • Profilfoto von LD
    LD, 09.02.2023, 07:34 Uhr

    Im Übrigen hat der Kanton Schwyz im 19. Jh. mit harten Methoden die Unterprivilegierten zur Auswanderung gezwungen. Echte Dramen. Das erhaltene Geld reichte bis knapp nach Rotterdam. Sie wurden auf ihrem Leidensweg wie Weihnachtsgänse ausgenommen. In den Arbeiten des Hist. Vereins der Fünf Orte gut dokumentiert. Schwyz war nicht der einzige Ort, aber besonders radikal.
    Rassismus gegen Andersartige inkl. Wegnahme von Kindern (Freigabe zur Adoption, Verding-Kinder, gar eugenische Experimente) bis in die 80er hat die Pro Juventute und die Schweiz disqualifiziert. Aufgearbeitet? Nicht wirklich, es geht neu weiter mit dem importierten Woke-ismus.

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  • Profilfoto von LD
    LD, 09.02.2023, 07:13 Uhr

    #Ponc. No color ist falsch. Die Summe aller Lichtfarben ist weiss.

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  • Profilfoto von KDB
    KDB, 05.02.2023, 07:53 Uhr

    Aufgrund eigener Erfahrungen des Autors weiterführender Beitrag. Nur: Die kritisierte Seite liegt nicht nur falsch, lässt einfach jegliche Differenzierung vermissen. Pauschalisierungen sind eskalierend, tragen selten zu Lösungen bei.

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  • Profilfoto von Ponc
    Ponc, 25.05.2021, 21:47 Uhr

    Nicht weiss, sondern people of no color heisst das. Wen man jemanden weiss nennt, ist das genau so rassistisch wie schwarz, dunkelhäutig, farbig etc. Gleiches recht für alle.

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  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 25.05.2021, 19:32 Uhr

    Danke Edwin. Willkommen im Club. Gegen den Rassismus der Antirassisten, den Sexismus der Antisexisten, den Totalitarismus der Genderer, den Imperialismus der Kolonialismusforscher, den Faschismus der Antifa, den ganzen verqueren Schuldkult der Kämpfer gegen und für nichts ist anzugehen. Meine Erfahrung ist, dass sie als Individuen stets sehr feige sind. Einmal aufstampfen und „Phuu“ rufen, und es ist Ruhe im Karton.

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  • Profilfoto von Andreas Peter
    Andreas Peter, 25.05.2021, 19:15 Uhr

    Richtig.
    Die ganze grassierende Identitätspolitik ist ein Unding: Spaltend und gefährlich für die Gesellschaft, obwohl sie als antirassistisch bzw. antifaschistisch auftritt.
    Wir müssen uns selbstbewusst dagegenstellen.

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