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Jost Schumacher über Schweizer Nachbarschaftskonflikte

Einsprachitis

Schweizer Einfamilienhaus mit eigenem Garten. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Jeder möchte mitreden, wenn der Nachbar bauen will. Jost Schumacher über das schweizerische Verhalten und unsere Grundsatzfrage der Existenz.

Wer möchte nicht mitreden, wenn der Nachbar bauen will.
Ich habe den Eindruck, dass diese Meinung tief in uns Schweizern verankert ist. Derart tief, dass wir daraus oft eine Grundsatzfrage für unsere Existenz machen. Möglicherweise spielt auch die Eifersucht auf den Bauenden mit.

Einige Beispiele aus meiner Praxis als Anwalt:

Das Recht auf Fernblick

Da möchte ein Hausbesitzer mit einem kleinen Erdwall (50 cm hoch) allfälliges Hochwasser von seinem Haus fernhalten. Das passt offenbar dem Nachbar nicht. Er will durch Einsprache wissen, ob nicht vielleicht, durch diese Massnahme, bei einer Überschwemmung mehr Wasser in sein Haus gespült werden könnte? Ich habe ihm gesagt, er soll sich doch selber schützen! Die Einsprache musste durch die Bewilligungsbehörde abgelehnt werden.

Der Ersteller eines Hauses baut nach den baugesetzlichen Bestimmungen der Gemeinde. Das ärgert einen Nachbar mit der Begründung, er sehe nach der Erstellung des Gebäudes nicht mehr voll in die Ferne. Dafür machte er gleich CHF 50’000 Schadenersatz geltend. Ich sagte ihm, dass leider kein Recht auf Fernblick gesetzlich verankert ist. Auch diese Einsprache musste durch Entscheid, auf Kostenfolge zulasten des Einsprechers, abgewiesen werden.

«Übrigens, etwas Gelassenheit reduziert das Herzinfarktrisiko.»

Grillen dem Frieden zuliebe

Ein weiterer Nachbar möchte für seinen sonntäglichen Braten einen Grill im Garten aufbauen. Der Nachbar ist damit nicht einverstanden. Zwischen den Streitenden gibt es einen ca. 5 Meter breiten fast undurchdringlichen Laubwald mit einem Maschendrahtzaun. Wegen der Einsprache gegen diesen Grill beim Bauamt gerieten sich die Ehefrauen der Hausbesitzer derart in die Haare, dass diese gerade büschelweise gegenseitig ausgerissen wurden. Ich wies darauf hin, dass ein gemeinsames Grillfest die Wogen wieder glätten könnte. Die Einsprache wurde abgewiesen. Die Eheleute stellten gegenseitig Strafklage.

Bei der ganzen Einspracherei vergisst man oft, dass ein bisschen Grosszügigkeit oft viel mehr Wirkung ergibt. Unsere Baugesetze sind nämlich derart gut, dass der einzelne Bürger selber nicht Polizei spielen muss. Die Baubewilligungsbehörden machen ihre Arbeit gut, sowohl in administrativer wie privatrechtlicher Hinsicht. Übrigens, etwas Gelassenheit reduziert das Herzinfarktrisiko.

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Jost Schumacher – auch bekannt als «Junker Jost» – schreibt über «sein Luzern». Vorwiegend greift er die Themen Politik, Umweltschutz, Bauangelegenheiten und Rechtsfälle auf. Die Themen sind frei gewählt, seine Meinung muss nicht mit derjenigen der Redaktion übereinstimmen.
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