Arbeiten in der Kleintierklinik – ist das dein Ernst?

Kleintierklinik – echt jetzt? So oder ähnlich reagierte mein Onkel Sepp aus Simplon-Dorf im Wallis, als ich ihm vor vielen Jahren sagte, wo ich arbeite und was ich mache. Statt Geissen oder Kühe versorgen wir in der Ennetseeklinik für Kleintiere in Hünenberg Hunde, Katzen oder – sehr zu seinem Erstaunen – auch mal Hasen.

Autor

Alexander Gerold

Mein Onkel war deshalb so erstaunt, weil er dachte, meine Pläne zu kennen. Denn ich kümmerte mich zusammen mit meiner Grossmutter jeden Sommer auf meiner geliebten Alpe Rossboden um sein Vieh. Und wurde so auch seinetwegen und wegen seiner Frau, meiner Tante Marie, Tierarzt.

Er wusste, dass ich plante, nach dem Abschluss des Tiermedizin-Studiums ins Wallis zurückzukehren, mich dem einheimischen Tierarzt anzuschliessen und mit einem Subaru von Hof zu Hof zu tingeln und kranken oder verletzten Kühen, Kälbern und anderen Viechern zu helfen.

Mit Katzen zum Tierarzt?

Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Ich machte eine Spezialisten-Ausbildung in Innerer Medizin der Kleintiere und arbeite nun in der Ennetseeklinik für Kleintiere (ESK) in Hünenberg (und fahre keinen Subaru …).

«Du kümmerst dich also um Schafe und Geissen?», wollte Onkel Sepp wissen. «Nein, um Hunde und Katzen», antwortete ich leise. Sepps Stirn runzelte sich und ohne dass er etwas sagte, wusste ich, was er meinte: mit Katzen zum Tierarzt?

Ob er Mutzi, dem Hofhund, kurz in die Ohren schauen könne, fragte mein Onkel den Tierarzt auch schon, als dieser wegen einer kalbernden Kuh auf dem Hof war. Aber wegen einer sich an den Ohren kratzenden Katze hatte er den Tierarzt noch nie um einen Gefallen gebeten.

Spezialisten für Kleintiere

«Und Innere Medizin? Also Herzerkrankungen oder so?», fragte Tante Marie. «Nein, darum kümmern sich unsere Kardiologen, die Herzspezialisten. Internisten befassen sich mit Hunden und Katzen, die an Erkrankungen der inneren Organe, also zum Beispiel der Bronchien und Lungen, des Magens und Darms oder der Nieren und Harnblase leiden.»

«Die Kardiologen durchlaufen ein anderes, separates Spezialisten-Programm. So wie die Chirurgen und Neurologen der ESK auch. Oder unsere Dermatologen und Ophthalmologen».

«Ofta- was?», wurde ich unterbrochen. «Das sind unsere Augentierärzte, sie kümmern sich ausschliesslich um Probleme der Augen und deren Anhangsorgane.»

Die Gesichter meiner Verwandten wurden immer länger, sie wussten offensichtlich nicht, dass es Spezialisten für Kleintiere gibt, und dann noch so viele.

In der Kleintierklinik werden auch Hasen behandelt

Dass es bei uns in der ESK auch spezialisierte Tier-Zahnärzte, Physiotherapeuten und Akupunkteure gibt, erwähnte ich schon gar nicht mehr. Auch nicht, dass Ernährungsberater sich um das Wohl der Tiere kümmern oder dass wir Hunde und Katzen in der bildgebenden Abteilung endoskopieren oder für eine CT-Untersuchung in die Röhre schieben.

«Echt jetzt?», fragte Onkel Sepp. «Und Hasen behandelt ihr in der ‘Üsserschwiz’ wahrscheinlich auch noch.» «Selbstverständlich», antwortete ich mit zunehmendem Stolz. «Bei uns werden Heimtiere wie Kaninchen, Meerschweinchen oder Hamster und Exoten/Zootiere wie Amphibien, Reptilien und Vögel auch von spezialisierten Tierärzten betreut.»

Versorgung wie bei Familienmitgliedern

«Hunde und Katzen sind in der Schweiz zu einem wichtigen Teil der Familie geworden und ihre Besitzer wollen, dass sie auch wie Familienmitglieder medizinisch versorgt werden – und zwar rund um die Uhr. Dies gewährleisten Fach- und Assistenztierärzte, tiermedizinische Praxisassistentinnen und Tierpfleger in der hausinternen allgemeinen Kleintierpraxis und in einem Notfalldienst, der 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr für die Patienten und ihre Besitzer da ist.»

«Hier werden beispielsweise Katzen vorgestellt, die mitten in der Nacht von Autos angefahren werden oder vom Balkon im 4. Stock eines Wohnhauses in die Tiefe stürzen. Oder Hunde, die vor den Augen ihrer Besitzer Sportsocken oder ein Gummispielzeug ihres Babys verschlucken.»

Marie und Sepp staunten. In ihrem Dorf und allgemein im Land der Tschugger ist vieles noch ein bisschen anders …