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Aufatmen nach 84 Monaten selbst verschuldeter Sklaverei

Zeit nur für mich – aber wofür eigentlich?

Die Kleinen sind weg – ab aufs Sofa! Oder doch lieber Hausarbeit?

(Bild: Nathan Fertig)

Endlich! Nach bald sieben Jahren in der selbst verschuldeten Sklaverei ist sie gekommen. Nach knapp 84 Monaten Unterordnen, Zurückstecken und Dienen: die Zeit für mich. Jetzt stellt sich nur noch die Frage: Was stelle ich mit all der Zeit an? Jedenfalls nicht, was ich mir vorgenommen habe.

Ein paar Stunden ganz ohne Büeblis. Und das ganz offiziell. Darf ich vorstellen: Ich. Mutter von drei Jungs. Einmal 1. Klasse, einmal Kindergarten und seit einigen Wochen einmal Spielgruppe. Ja, genau, mein Jüngster wird jetzt zweimal in der Woche je drei Stunden fremdbetreut.

Meine Gebete wurden erhört – er darf in die Spielgruppe

Ach, was habe ich mich darauf gefreut! Seit der Spielgruppen-Anmeldung im Mai habe ich mir selbst die Daumen gedrückt, dass er genommen wird, obwohl er theoretisch noch zu jung ist. In schlaflosen Nächten habe ich mein Gesicht zum Himmel gewandt und den da oben lauthals (also so innerlich – man will ja die Kids nicht wecken, wenn sie schon mal schlafen) angefleht, meinen Wunsch zu erhören.

Meine neue Freizeit scheint grenzenlos.

Und es hat geklappt! Unbändige Freude! Planungsphase: Was könnte ich alles tun während dieser kostbaren Stunden? Sicher nichts im Haushalt. Vielleicht shoppen gehen? Spa? Zuhause auf dem Sofa «Frauentausch», «Bauer sucht Frau» oder «Liebesglück im Osten» schauen? Oder das Kind gleich in den neuen schnittigen Running-Klamotten zur Spielgruppe bringen und dann elegant von dannen joggen? Meine neue Freizeit scheint grenzenlos.

… ob er wohl gerade bewusstlos in der Ecke liegt und die Bastelsachen vollblutet?

Realität: Wie immer ganz anders. Gemacht habe ich mit diesen geschenkten Stunden bisher nicht viel. Warum? Die ersten zwei Wochen musste die arme Angi von der Spielgruppe meinen wild um sich tretenden und schreien Zweijährigen mit aller Gewalt festhalten, damit ich mich davonstehlen konnte. Danach tigerte ich jeweils in der Wohnung herum und konnte mich auf nichts richtig konzentrieren. Dabei immer der Blick aufs Telefon, ob ich ihn nicht gleich wieder abholen muss, weil er immer noch schreit. Oder vor lauter Kummer und Trauer den Kopf so oft ans hölzerne Bäbi-Haus gehauen hat, dass er jetzt bewusstlos in der Ecke liegt und die Bastelsachen vollblutet.

Dann halt trotzdem langweiliges Haushaltszeug

Jetzt, in der dritten Woche, ist es besser geworden. Er weint und schreit nicht mehr, sondern geht sogar gerne in die Spielgruppe und verabschiedet sich süss winkend. Und ich? Ich gehe auf dem Heimweg in den Quartierladen, räume zu Hause da und dort ein bisschen auf, lege Wäsche zusammen und koche. Ich mache also entgegen meinem Vorsatz doch nur langweiliges Haushaltszeugs. Aber: Ich mache es in aller Seelenruhe. In der Reihenfolge, in der ich will. So lange, wie ich will. Und ich mache alles einfach fertig, ohne zwischendurch immer wieder etwas anderes anzufangen. Das ist ein kleiner Luxus für sich.

Manchmal höre ich dazu sogar Radio. So richtig laut, wie sonst nie. Denn normalerweise ist mein Gehör mein wichtigstes Früherkennungs-Organ für blöde Ideen, wüste Schlägereien und Fluchtversuche. Ich höre also laut Radio. Und wenn es hoch kommt und es mich übernimmt, singe ich laut mit. Und mache den einen oder anderen Tanzschritt dazu. Ach, wie geniesse ich diese Zeit nur für mich.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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