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«Sex Education» – der Name ist Programm

«Wir sprechen plötzlich mit einer nie dagewesenen Leichtigkeit über Sex»

Homosexualität ist Thema in der Netflix-Serie «Sex Education» – also kann man auch darüber reden. (Bild: Screenshot aus dem Trailer)

Kinder beziehen ihr Wissen über Sexualität nicht mehr aus dem Aufklärungsheftli, sondern aus dem Internet. Unsere Eltern-Bloggerin Sabrina Forrer hat sich auf dieses Abenteuer eingelassen. Entstanden sind überraschend gute Gespräche mit ihrem Sohn.

Kind: «Mam, was bedeutet eigentlich Rimming?»
Ähm. Keine Ahnung.
Ich so: «In welchem Zusammenhang denn, Kind?»
Ha. Ich bin voll professionell.
Darauf der Sohnemann: «Schwulenporno.»
Okay. Er schaut also Pornos. Und er ist schwul. Und ich habe immer noch keinen leisen Schimmer, was Rimming heisst.
Wieder er: «Maam! Kommst du kurz?»
Ähm. Vielleicht träume ich ja.

Auf alles gefasst, pirsche ich in Richtung Wohnzimmer. Mein 15-jähriger Sohn liegt – gottseidank komplett bekleidet! – auf dem Sofa und sieht sich die beliebte Netflix-Serie «Sex Education» an. Ich setze mich zu ihm und wir schauen uns eine Folge an.

Grafische und vielfältige Aufklärung

Momentan ist es schwierig, gemeinsam einen Film anzusehen oder gar eine Serie zu finden, die uns beiden gefällt. Zu unterschiedlich sind unsere Welten. Und so besuchen wir halt hin und wieder die Welt des anderen.

Doch bei diesem Exkurs sehe ich zu viel nackte Haut für meinen Geschmack. Man sieht hin und wieder Brüste und Ärsche – und Jugendliche beim Koitus.

Darüber hinaus ist der Plot sehr heiter – wir lachen viel. Als der Sohn im Bett liegt, ergoogle ich den pädagogischen Wert der Serie. Die Worte der Sexualpädagogin Annelies Steiner beruhigen mich. Und lassen mich über die Tatsache hinwegsehen, dass sich mein Kind eh schon drei Folgen im Alleingang gegeben hat.

«Die Serie schafft es, auf eine sehr humorvolle Art und Weise, ein ganz breites Spektrum von Themen rund um Beziehung und Sexualität aufzugreifen», schreibt die Expertin. Zudem wird «Sex Education» in diversen anderen Berichten für die erfrischende Darstellung von Sex im Jugendalter gelobt.

«Sex Education» als Gesprächskrücke

Nach der Recherche legitimiere ich den Konsum dieser Serie damit, dass wir sie von nun an zusammen ansehen. Und so habe ich tags darauf abermals ein Serien-Date mit meinem Sohn.

Es ist der Clou von Serien, dass man mit jeder Folge ein bisschen mehr Teil der Geschichte wird – und unbedingt wissen will, wie es weitergeht. Es ist das Los eines jeden Serienjunkies. Mir ergeht es da nicht besser.

«Sex Education» greift wahnsinnig viele wichtige Themen auf. Etwa Homosexualität, Masturbation, Fetische, körperliche Beeinträchtigung, Rassismus, Feminismus und sexuelle Belästigung. Peu à peu wurde die Serie zu unserer Gesprächskrücke: Wir sprechen plötzlich mit einer nie dagewesenen Leichtigkeit über all jene Themen, erzählen, lachen, er fragt und ich versuche zu antworten.

Ich frage mich, wie eine adäquate Aufklärung unserer Kinder und Jugendlichen fernab der klassischen, uns allen bekannten Szenarien sonst aussehen könnte. Ich meine eine umfassende Aufklärung – auch in Bezug auf die oben genannten Themen, die alle in irgendeiner Form Teil unserer Sexualität sind.

Medialer Konsum und reales Sexleben

Davon, dass unsere Jugendlichen relativ früh in irgendeiner Form pornografisches Material konsumiert haben, müssen wir schlicht ausgehen. Zumindest wenn wir die Augen nicht vor der Realität verschliessen wollen. Welches Bild über Sexualität im Allgemeinen und über Frauen im Besonderen da transportiert wird, ist höchst problematisch und hat mit wahrer Sexualität nicht viel gemein.

Mein Mann zieht für unseren Sohn gern den Vergleich zu einem James-Bond-Film, der mit der Realität ebenso wenig zu schaffen hat. Das konstruierte und realitätsentrückte Bild anzupassen, ist meines Erachtens Teil unserer pädagogischen Aufgabe. Ehe die Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen und ihr Sexleben selber gestalten.

Der Mehrwert von «Sex Education» liegt aus meiner Sicht in der daraus entstandenen Kommunikation über Themen, die wir im Alltag womöglich nicht aufgegriffen hätten. Dieser Diskurs schafft auch für besondere sexuelle Belange eine Vertrauensbasis. Diese bleibt, so hoffe ich, längerfristig bestehen und ebnet meinem Sohn den Weg, auch zu einem späteren Zeitpunkt mit Fragen und Problemen zu mir zu kommen.

Immerhin teilen wir nun einen sehr spezifischen Wortschatz. Wofür man Worte hat, darüber kann man leichter sprechen. Und Rimming kann man googeln.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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