Wie wir unsere Kinder mit dem Festival-Virus ansteckten
Heitere Fahne, war das schön! Was als Geschenk für das Teenie-Patenkind und unsere Fröleins gedacht war, beschenkte selbst uns Erwachsene: ein Besuch an einem Open-Air-Festival in Zofingen. Das Beste dabei: Noch waren meine Tanzkünste den Töchtern nicht peinlich.
Die Tickets für das Heitere Openair lagen zwei Jahre im Schublädli. Coronabedingt musste das Festival warten und wir mit ihm. Ob dies noch was werden würde mit unserem ersten Festivalbesuch, bevor die Fröleins ausziehen würden, fragte ich mich. Und ob! Wir hatten Tickets für den Sonntag. Tagsüber. Inzwischen war unser Gotti-, Göttikind jedoch nicht mehr 13 und hätte auch am Freitagabend gehen können. Umso mehr freute es uns, dass sie noch immer Bock hatte, mit uns hinzugehen. Zwei Jahre grosse Vorfreude und gespannte Erwartung.
Die einen gehen, die anderen kommen
Ab dem Bahnhof Zofingen gehts also hoch zum Hügel, einfach immer der Musik nach. Wegweiser gibt es keine. Allen scheint es klar, wohin der Weg sie führt. Junge Frauen und Männer mit Ikea-Säcken und Grünabfuhrkübeln voller Material kommen uns entgegen. Unter ihren Augen sind dunkle Schatten, auf ihren Schultern teilweise Sonnenbrand und sie wirken allesamt müde, aber zufrieden. Nach zwei oder drei Tagen Festival räumen sie das Feld. Ob auf dem Hügel noch was los ist, fragen wir uns.
Und wie! Das Festivalgelände ist noch voll. Voll mit Menschen, Klein und Gross, mit Fleischspiessen und Wasserpistolen bewaffnet, die einen ein Kind auf den Schultern die andern die Freundin im Arm. Dass auf dem Festival-Armband gleich die Telefonnummer eines anwesenden Elternteils notiert wird, gibt mir ein gutes Gefühl. Im Notfall würden wir wieder zueinander finden.
Familientag am Festival
Der Sonntag scheint am Heitere Openair der Familientag zu sein. Die Stimmung ist enorm friedlich. Es herrscht nie ein Gedränge. Selbst direkt vor der Bühne gibt es genügend Platz. Zum Sein und zum Tanzen – auch mal auf den Schultern von Mama oder Papa, damit man mehr sieht. Zwischendurch setzen wir uns auf das Festivalgelände mit unserer Picknickdecke, knabbern Pommes und Süssigkeiten und chillen.
Während die Fröleins über ein Tattoo nachdenken, das sie sich stechen lassen wollen, wenn sie erwachsen sind und sich fragen, warum James Arthur eine Knieschiene trägt, holt Herr Limacher Kaffee. Dass er mir den Becher hinstreckt und dabei zwinkert, verstehe ich nicht direkt. Beim ersten Schluck dann schon. Da ist ein Schuss Baileys drin. Wann habe ich dieses Getränk letztmals getrunken? Wohl in meinen jungen Jahren. Es schmeckt genauso gut, wie ich es in Erinnerung habe.
Tanzen, als gäbe es kein morgen
Gehörschutz für Klein und Gross ist klar für uns. «Mama, spürst du die Musik auch in den Knien, im Bauch und überall?», fragt das kleine Frölein. Oh ja, das tue ich. Wie kann man(n) da nicht tanzen? Herr Limacher hält sich an seinem Getränk fest und wippt ein Minimüh mit dem Knie, eventuell auch noch mit dem kleinen linken Zeh. Von aussen kaum wahrnehmbar. So war das immer zwischen uns.
Ich kann nicht anders als zu tanzen bei dieser Musik. Meine Beine folgen der Musik, die Arme ebenso und die Hüfte erst. Noch bin ich den Fröleins nicht peinlich damit. Sie hüpfen neben mir auf und ab, schwingen ihre Arme in die Luft und klatschen mit. Noch. Das ist mir bewusst. Sollten wir nächstes Jahr wieder ein Festival besuchen, kann es gut sein, dass das grosse Frölein meilenweit von mir weg steht oder mich wenig feinfühlig darauf aufmerksam macht, dass «alte Frauen» nicht so tanzen sollten. Weil voll peinlich. Gerade weil mir dies durchaus bewusst ist, geniesse ich die ausgelassene Stimmung mit den Fröleins in vollen Zügen.
Das Festival-Virus
Gemeinsam etwas Tolles erleben, heisst gemeinsam zu wachsen. Ich hoffe, wir geben den Fröleins mit einem gemeinsamen Festivalbesuch glückliche Erinnerungsmomente fürs Leben mit! Seit diesem Sonntag auf dem Hügel läuft die Playlist des Festivals nonstop. Das ist gut so. Denn endlich haben wir eine Playlist, die alle mögen. So tanzen wir durch die Bude. In Erinnerung an grossartige Konzerte und frisch entdeckte Bands. Wie schön es doch ist, wenn schon die nächste Generation mit dem Festival-Virus angesteckt wird.
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