Wie ich mich als Mutter verlor – und langsam wiederfand
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Wie der Alltag mit zwei Kindern zur Herausforderung geworden ist – und warum eine Mutter, die sich um sich selbst kümmert, eine bessere Mama ist.
Kürzlich habe ich auf Instagram ein Video gesehen, das mich ziemlich beschäftigt hat. Jugendliche von heute würden wohl sagen: «It hit me hard!» Aber vermutlich hätten sie es nie bei diesem Video gesagt, das mein schlauer Algorithmus mir vorgeschlagen hatte.
Selbstfürsorge als Mutter
Um was es im Video ging? Selbstfürsorge. Und in meinem Fall der Selbstfürsorge einer Mutter. Interessanterweise wusste ich vor der Geburt unserer ersten Tochter immer sehr genau, wer ich war und wer oder was mir guttut. Vor allem die Geburt unserer zweiten Tochter brachte mich mehr an meine Grenzen, als ich vermutet hatte. Ich hatte buchstäblich verlernt, mich einmal ein paar Stunden herauszunehmen.
Klar, das hatte seine Gründe und es sind gute. Aber es war eben auch so, dass mich diese elf Monate seit der zweiten Geburt immer stärker in Richtung Erschöpfung trieben. Therapeuten hätten bei mir damals vermutlich ein Burn-out diagnostiziert. Ich bin ehrlich gesagt nicht sicher, ob sie damit nicht sogar recht gehabt hätten.
Das Gefühl des Verloren-Seins
In den ersten neun Monaten konnte unsere zweite Tochter weder ein Schnuller noch eine andere Person ausser ich – ihrer Mutter – ins Bett bringen. Anders als bei unserer Erstgeborenen funktionierte Einschlafstillen bei ihr nicht wirklich. Während unsere ältere Tochter bereits nach sechs Wochen das erste Mal durchgeschlafen hat, führen wir mit unserer Zweitgeborenen auch nach elf Monaten noch immer einen Kampf. Damit kennen auch wir seit fast einem Jahr kein Durchschlafen mehr.
Erschöpfung und das Suchen nach Balance
Dieser Schlafmangel hat bei mir Spuren hinterlassen. Ironischerweise haben sich diese Spuren aber erst gezeigt, als ich während einigen Tagen nicht zuhause war und sich mein Schlafrhythmus dennoch nicht regulieren konnte. Als ich wieder nach Hause kam, habe ich festgestellt, dass irgendetwas mit mir nicht mehr stimmte.
In meinem Umfeld war ich bis zu diesem Zeitpunkt im Grunde immer bekannt als «diejenige, die alles unter einen Hut bringt». Und dann war sie plötzlich weg: die Lebensfreude, die Energie ebenfalls. Und ich? Musste plötzlich feststellen, dass ich überhaupt nichts mehr alleine gebacken kriegte. Das war hart, echt hart.
Weil ich mich auch bei meiner Dissertation viel mit dem Thema «Mental Load» in Paarbeziehungen beschäftige, habe ich das Thema natürlich auch in unserer Partnerschaft angesprochen. Vermutlich auch zum Leidwesen meines Mannes. Doch bei uns ging es nicht darum, wie unfair ich es finde, dass Frauen oft den viel grösseren «Mental Load» der Familie tragen müssen. In meinem spezifischen Fall war es bereits fünf vor zwölf. Ein Gespräch war also dringend nötig.
Ein Moment der Erkenntnis
Ich musste zurückbuchstabieren und begann damit, wieder mehr Zeit für mich selbst freizuschaufeln. Um bewusst wieder mit mir in Kontakt zu kommen. Eine erste Annäherung fand beim Zahnarzt statt – kein Witz! Dort lag ich nun, auf dem Schragen meiner Zahnärztin und blickte die weisse Decke an. Nach Monaten hatte ich endlich den lang ersehnten Raum, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen.
Es folgten Ausflüge an ein Weihnachtskonzert, gefolgt von mehreren Spaziergängen mit meinen besten Freundinnen. Zahlreiche Gespräche mit meinen liebsten Menschen und regelmässige Sonntagmorgen, die ich bewusst mir selbst und meinen Prioritäten widmen konnte.
Zu Beginn hatte ich ein ziemlich schlechtes Gewissen – meinen beiden Töchtern, aber auch meinem Mann gegenüber. Es dauerte lange, bis ich gemerkt habe, dass eine gute Mutter eine Mutter ist, die sich in erster Linie um sich selbst kümmert. Das hat nichts mit Egoismus zu tun. Denn eine Mutter, die mit sich im Reinen ist, kann auch ihren Kindern mehr von dieser Energie geben. Sei es in Form von Geduld, Fürsorge, Unternehmergeist oder ganz einfach: Lebensfreude.
So betrachtet, war das ganze letzte Jahr für mich persönlich das schwierigste überhaupt. Auch deshalb, weil ich mich wieder auf die Reise nach mir selbst begeben musste. Ob ich mich inzwischen gefunden habe? Ich glaube nicht, aber ich arbeite daran.