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Mahlzeiten wie eine Umarmung von innen

Warum Seelennahrung eben doch super ist

Ein heisser Käsekuchen und warmes Apfelmus reichen manchmal schon, um jemandem etwas Gutes zu tun. (Bild: Nadja Stadelmann Limacher)

Wir alle haben bestimmte Erinnerungen, die mit Essen verknüpft sind. Oft bedeuten solche Erinnerungen Trost und Geborgenheit. An welche Mahlzeiten sich wohl meine Fröleins später erinnern werden?

Ich erinnere mich an Essen, welches mich besonders tröstete. Vogelheu mit Zimtzucker war so eines. Meine Grossmutter Rosa kochte dies regelmässig für uns. Den grossen Brotlaib an ihre Brust gedrückt, hantierte sie geschickt mit dem Brotmesser herum. Dennoch liess sie es nicht aus, uns Grosskinder zu mahnen, so das Brot nicht zu schneiden.

Die Brotwürfel hat sie in eine Schüssel mit einem Milch-Wasser-Ei-Gemisch getunkt und sie anschliessend über dem Feuerherd gebraten. Wir Enkel deckten währenddessen schon mal den Tisch. Nicht fehlen durfte dabei ihr Zimtzucker in einem leeren Marmeladenglas, angeschrieben mit einem Etikettiergerät.

Für mich war das immer das goldene Glas. Rosa ermahnte uns nicht, weniger von diesem goldenen Zimtzucker auf unser Vogelheu zu streuen. Ja, auch dann nicht, wenn die Stücke mehr braun als gelb waren. Vogelheu mit Zimtzucker, manchmal noch mit Früchtekompott. Diese Seelennahrung koche ich nun für meine Fröleins. Ein goldenes Glas steht längst in unserem Küchenschrank. Wird dieses hervorgeholt, ist Vogelheu-Zeit. Ich wünsche mir, dass die Fröleins sich später mit einem Lächeln daran erinnern und an ihre Urgrossmutter Rosa zurückdenken, auch wenn sie diese nie kennengelernt haben. Es war die mit dem goldenen Glas.

An Salate erinnert sich niemand

Essen, das tröstet und Kindheitserinnerungen weckt, ist meist eine recht süsse oder herzhafte Speise. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein gesunder Salat dies für jemand sein kann. Kann ein Eisbergsalat trösten? Ein deftiger Kartoffelsalat mit viel Mayonnaise wohl eher. Oder der Rüebli-Böhnli-Salat aus der Dose bei der Grosstante. Auch da gehörte viel Mayonnaise rein.

Solche Mahlzeiten lösen bei mir Erinnerungen aus. Heute würde man dazu «Comfort Food» sagen oder eben Seelennahrung. Der Trend geht eindeutig wieder hin zu Grosis Rezepten. Mit dem Essen löffeln wir nicht nur Nährstoffe, sondern auch Wohlbefinden. Wir suchen damit positive Gefühle und Geborgenheit. Wenn wir essen, stossen wir unter anderem Glückshormone aus, die dabei helfen, unser Anspannungssystem im Körper zu beruhigen.

Bei den Fröleins ist es ein frisch gebackenes Brot, noch lauwarm, oder auch ein zünftiger Turm Omeletten, der sie in den sofortigen Zustand von Geborgenheit, Glück und seliger Unbeschwertheit katapultiert.

Essen verbindet

Als bei uns im Dorf eine Mutter von fünf Kindern an Krebs erkrankte, schenkte ich ihr ein Gratin-Abo. Ich stellte ihr jeweils am Chemo-Tag auf 11.30 Uhr ein Gratin vor die Tür, welches ihr Mann oder eines der Kinder nur noch in den Backofen schieben konnte. Auf dem Zettelchen mit dem Retourgeschirr konnte sie jeweils ankreuzen, wann sie froh um das nächste Gratin wäre. Es war Essen für stürmische Zeiten. Essen zum Stärken. Essen zum Überleben. Essen, um dessen sich niemand in der Familie kümmern musste. Manchmal mochte die Mama im Lebenssturm gar eine Gabel voll davon essen, was mich besonders berührte.

Diese Mutter hat den Krebs besiegt, auf ihrem Haupt wächst wieder eine Haarpracht. Uns verbindet die besondere Gratin-Zeit. Es war auch für mich schön. Ich konnte dadurch von der Ohnmacht ins Handeln kommen und all die guten, stärkenden Zutaten in ein Gratin schichten. Darum geht es doch – etwas tun zu können.

Als ich kürzlich mit einer heftigen Grippe flachlag, brachte mir eine Freundin einen ofenfrischen Käsekuchen und eine Schüssel lauwarmes Apfelmus an die Haustür. Dass sie sich diese Mühe machte und so liebevoll für mich kochte, rührte mich zu Tränen. Essen ist so viel mehr als Nahrungsaufnahme. Es ist ein Seelentröster auf dem Teller.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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