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Erlebnisse, die uns die Grosskinder nie glauben werden

War die Wohnzimmer-Schule verlorene Zeit oder eine Chance?

Im Home-Schooling kann entgegen zum klassischen Schulmodell individueller auf das Kind eingegangen werden. (Bild: zvg)

Seit 11. Mai sind die Kinder wieder in der Schule. Treffen ihre Gspänlis, halten sich, so gut es geht, an die Coronaregeln und haben wieder alle denselben Stundenplan und dieselbe Lehrperson und die ist sogar gekämmt. Waren die acht Wochen zu Hause verlorene Zeit oder sogar sehr lernreich, fragt sich mancher.

Die letzten zwei Wochen «Schule» zu Hause waren wir Eltern regelrecht im Flow. Wir wussten, es geht nur noch zwei Wochen und diese wollen wir, so gut es geht, gestalten. Wir konnten uns an etwas halten und dies war schon sehr viel mehr als all die Wochen vorher.

Wir konnten unsere Energie einteilen und wussten, dass wir ab 11. Mai wieder mehr Zeit für uns, unsere Projekte und die Arbeit haben werden. Bei den beiden Fröleins jedoch war die Luft raus. Sie mochten nicht mehr zu Hause lernen.

Der Wochenplan wurde zunehmend mit weniger Begeisterung angeschaut, ausmalen mochte keine mehr was und der Fingervers vom Kindergarten wurde komplett verweigert.

Der Schulbeginn vor den Sommerferien

Mit grosser Vorfreude packten sie ihren ganzen Karsumpel und fieberten dem Montag, 11. Mai, entgegen. Wir besprachen mit den Fröleins die Sonderregeln der Schule wie «Turnen draussen» – yeah, «umarmen verboten» – schwierig.

Es fühlte sich an wie ein Schulanfang. Für gross und klein. Ich bestand darauf, mit dem Kindergartenfrölein bis zum Fussgängerstreifen zu kommen. Acht Wochen passierte sie keine Hauptstrasse mehr alleine. Warum auch. Wir waren ja zu Hause. Und wenn wir uns nach draussen wagten, dann zu zweit.

Zurück zu Hause war ich zum ersten Mal seit acht Wochen mutterseelenallein. Diese Stille. So viel Platz für mich alleine. Tausend Ideen, was ich alles tun könnte. Irgendwer summte «Allein, allein» von Polarkreis. Der Regen setzte ein.

Die Eisheiligen waren da. Und ich? Ich war so müde. Müde von all der ganzen Anspannung, all den Sorgen, all den Verpflichtungen, all dem Geben.

Sport wird durch Buch mit Sofa ersetzt

Ich könnte das Haus aufräumen, so dachte ich. Oder mal den Boden feucht aufwischen, ohne dass genau in dem Moment die ersten Füsse reintrampen. Ich könnte Sport machen oder einen Kaffee trinken gehen, denn das wäre ab heute auch wieder möglich.

Alles hat Zeit, dachte ich und legte mich mit einem Buch und Wolldecke aufs Sofa. Heute gibt’s Chäschüechli aus der Tiefkühltruhe und wenn’s noch hat, Salat dazu.

Genug ausgefallene und aufwändige Menüs haben wir geschlemmt in den letzten Wochen. Und wenn ich einnicke auf dem Sofa, so lass ich es zu.

Lernstoff versus Lebenskompetenz

Unter Mütter und Väter war in den letzten Wochen so viel diskutiert worden, wie man das so handhabe mit dem ganzen Schulstoff. Ob die Kinder die Lernziele schaffen würden.

Ob man diese eventuell korrigieren müsse. Ob diese Wochen gar verlorene Zeit gewesen seien. Ich finde klar, nein.

Wir hatten ganz viel wertvolle gemeinsame Zeit. Gemeinsam gekocht, gebacken, Wäsche sortiert, Pflanzen ausgesät, die Haustiere umsorgt, Pläne erstellt, Zeiten ausgehandelt, uns in neuen Kommunikationsmitteln versucht und auch deren Grenzen wahrgenommen, unsere Digitalkompetenz erweitert.

Wir konnten vertieft auf die Bedürfnisse eines einzelnen Kindes eingehen. Es selber entscheiden lassen, ob man in einem Fach viel länger bleibt als im anderen. Auch, was wann erledigt wird. Die Kinder entscheiden nach Bauchgefühl und Energie. Etwas, was im geregelten Unterrichtsablauf nicht möglich ist.

Aus der Coronazeit wird Erinnerung

Auch haben wir für unsere Nachbarn geschaut. Erkannt, wie stark unsere Familie doch ist. Aber auch, welch wertvolle Arbeit Lehrerinnen leisten und woher sie die Geduld wohl nehmen. Wir haben die Langsamkeit schätzen gelernt.

Schampar viel Zeit in der Natur verbracht. Kurz: Die Kinder haben viel fürs Leben gelernt. Auch in Sachen Selbständigkeit ist so viel gegangen in den letzten Wochen. Ja, vielleicht haben sie Lernstoff verpasst oder ämu weniger schnell vorwärtsgekommen im Lernplan.

Im Gegenzug haben sie an Lebenskompetenz dazugewonnen.

Dies lässt sich nicht mit Lerntests messen, jedoch mit Beobachten und Einschätzen. Vielleicht sogar in einer Neueinschätzung der Schüler. Wenn es den Kindern und auch uns Erwachsenen, egal in welcher Rolle, gelingt, diese Langsamkeit nachhaltig zu bewahren.

Dann ist dies der wahre Schatz des Lernens.

Was uns bleibt, ist die Erinnerung an eine einmalige Zeit. Wie gut, dass wir Tagebuch geführt haben, das werden uns die Grosskinder nicht glauben.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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