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Mit Frotteetüchern gegen Unwetter in Wolhusen

Vom nasskalten Sommer und japanischer Glückskatze

Seit den Unwettern in Wolhusen wacht eine japanische Winkekatze auf dem Kleiderschrank über unser Glück. (Bild: Nadja Stadelmann Limacher)

Kinder, Kinder, was ist denn das für ein Sommer. Die erste Sommerferienwoche zogen wir mit Wollsocken und Wollkappe bewaffnet auf den Campingplatz. Nachts kühlte es auf zwei Grad ab. Gut, dass wir im Camper auf engstem Raum schlafen. Denn einander Wärme spenden war bitter nötig.

2021, das war der Sommer, in welchem wir öfter Gummistiefel trugen als Zehensandalen. Die Beinhaare zu wachsen lohnte sich kaum. Denn war man mal so weit, zogen bereits wieder dicke Regenwolken auf. Unser Konsum von Sonnencrème war öppe gleich gering wie der Glacékonsum. Erstes wird unserem Häutchen im Alter wahnsinnig zugutekommen und die Gewässer freuts. Zweites ist schade. Ich liebe Pistache-Stracciatella-Walnuss-Himbeer-Fior-di-Latte in der Waffel. Glacé erfrischt so schön von innen und tut der Seele wohl. Aber diesen Sommer waren eher der warme Tee in der Thermosflasche und Raclette angebracht.

Es hat auch Vorteile. Immerhin haben die Kinder keine Eltern, die ihnen mit der Sonnencrèmetube hinterherrennen oder sie daran erinnern, doch bitte ein Tschäppi auf den Kopf zu setzen. Bisher konnten wir auch ohne Wespen als Störenfriede draussen essen. «Du hast schon ganz blaue Lippen», habe ich diesen Sommer bisher nicht sagen müssen. Unsere Badi-Besuche können wir an einer Hand abzählen, die Dauer der Besuche waren ebenfalls rüüüdig kurz. Denn kaum waren wir eingenistet – und dies dauert mit drei Badetüchli, die richtig platziert werden wollen (beide gleich nah an Mama) – fielen die ersten Regentropfen vom Himmel.

Unwetter über unserem Dorf

Wir kamen nach Hause von richtig, richtig schönen Campingferien. Tiefenentspannt ging ich durch den Garten und bestaunte unser Daheim. Dafür muss ich jeweils weg gewesen sein, um unser Zuhause mit anderen Augen zu sehen. Wie viel Platz wir haben. Was da alles Schönes wächst und gedeiht im Garten. Wie bequem sich unser Bett wieder anfühlt und hey, auch mal wieder schön, dieses nur zu zweit zu belegen.

Flugs fegte am nächsten Tag ein zünftiges Unwetter über Wolhusen. Unser Dorf wurde zum zweiten Mal innert vier Wochen hart getroffen. Dies geschah gerade, als sich meine Tochter beklagte, dass sie noch keinen Zmittag bekommen habe und es jetzt schon wieder Abend sei. Aber es ist erst vor dem Zmittag, so entgegnete ich ihr. Sie sagte: «Aber Mama, warum ist es denn schon dunkel?»

Ein Garten wie im Winter

Tatsächlich wurde es so dunkel, gespenstisch dunkel mitten am Tag und im nächsten Augenblick prasselte ein zünftiger Hagelsturm über unser Quartier, der Wind rüttelte an den Fensterläden und rupfte an den Bäumen, als wollte er sich für etwas rächen. Nach 15 Minuten war unser ganzer Garten weiss. Wie im Winter. Statt Schnee lag da ein Hagelfeld. Bäche an Wasser kamen daher, und dies, obwohl wir gar nicht an einem Bach wohnen. Wir konnten die Wassermassen nicht aufhalten, bloss unsere Ferientücher in die Glunggen werfen und Wasser absaugen, die Eingänge mit Schneeschaufeln (im Juli!) freiräumen und hoffen, dass die Fenster halten.

Später dann räumen, aufräumen, entsorgen. Dies mit Wehmut. Klar, man kann vieles ersetzen. Aber der emotionale Wert von Dingen im Keller eben nicht. Der Garten, der für einmal sooo schön geblüht hatte, sah aus wie durch einen Fleischwolf gedreht. Und etwa so fühlten wir uns innerlich. Dennoch hatten wir viel Glück. So viele Häuser hat es massiv schlimmer getroffen im Dorf.

Urvertrauen

Unser beiden Fröleins hatten grosse Angst. Sie standen mit offenen Mündern am Fenster, hielten unsere Katze eng am Körper und sorgten sich um unser Daheim. Wenn dieses Unwetter selbst in neue, moderne Häuser wie die Dreifach-Turnhalle eindringt und nicht nur in unser fast-100-jähriges Haus, wo ist man dann noch sicher? Solche Fragen stellte die grössere unserer Töchter. Wir wissen keine Antwort darauf. Werden wir in Zukunft andere Häuser bauen? Welcher Zusammenhang besteht zwischen Klimawandel auf solchen extremen Wetterverhältnissen und was können wir tun?

Das kleine Frölein war bereits beim Unwetter vor vier Wochen mit mir im Auto unterwegs. Damals, als es Autos regelrecht einschlug. Wir hatten grosses Glück – konnten wir doch unter ein Scheunendach fahren – und grosse Angst. Sie fragt seither oftmals abends, ob ein Gewitter komme. Blitzt es vom Weitem, rennt sie ins Haus. Die beiden Ereignisse haben an ihrem Urvertrauen gerüttelt wie der Wind an unseren Fensterläden.

Ich fragte sie, was ihr wieder etwas Sicherheit und einen tiefen Schlaf geben könnte. Nach einigen Tagen war ihre Antwort konkret und ebenso verwunderlich: eine japanische Glückskatze! Ja, eine söttige, die unablässig mit der Pfote winkt, soll unser Haus vor weiteren Gewittern schützen. Maneki Neko sollen sie auch heissen oder eben herbeiwinkende Katze. In Wolhusen kam mir nur ein Laden in den Sinn, der solch kitschige Dinge führt. Also fuhren wir mit dem Velo hin. Und siehe da, da hockte diese Katze oberhalb der Kasse, in Gold und winkte uns. Zurück in unserem alten Haus, wurde sie im Zimmer vom kleinen Frölein deponiert. Auf dem Schrank, gerade so, dass man sie gut auch vom Hochbett aus sieht.

Beim Gutenachtsagen muss ich seither schmunzeln, wenn ich diese Pfote im Halbdunkeln winken sehe. «Pass gut auf uns auf, Busle!»

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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