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Die ungeschriebenen Spielplatzgesetze des Vögeligärtli

Um Himmels Willen: Geben Sie dem Kind bloss keine Milchschnitte!

Schnell vergessen die Kinder die Zeit wenn sie sich ins Spiel vertiefen. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Der Spielplatz ist der Tummelplatz für die Grossen von morgen. Doch Kinder und Eltern haben unterschiedliche Ideen bezüglich angemessenen Verhaltens. Eine Regel aber steht über allen anderen: Das ungeschriebene Gesetz zur Zwischenverpflegung. Was man soll – und vor allem, was überhaupt nicht geht, hat unsere Bloggerin im Luzerner Vögeligärtli ermittelt.

Guten Morgen Vögeligärtli. Wie gern sitze ich einen kleinen Milchkaffeemoment hier und fröne meinem liebsten Spielplatzhobby: Menschen beobachten. Am allerliebsten natürlich Kinder. Ich liebe es, ihren Konversationen zu lauschen, ihre Argumente für die Beschlagnahmung eines Spielzeugs oder die Infiltration eines bestehenden Spiels zu hören. Die Diversität des kindlichen Verhaltens ist grenzenlos. Und so auch die elterlichen Reaktionen.

Das Miteinander erlernen ...

Auf dem Spielplatz trainieren die Kleinsten der Gesellschaft tagtäglich ihre Sozialkompetenzen. Es gilt, einen gemeinsamen Konsens zum Spielen zu finden, Regeln und Konventionen zu erkennen und seinen Platz zu definieren. Schliesslich tummelt sich im Vögeligärtli das gesamte soziale Spektrum der Stadtspezies, vom Kleinkarokind über das krasse Kind bis hin zum Schössling der Regamutti. Und obendrauf ein paar Landeier aus Merlischachen.

... und die Regeln

Wer nun aber denkt, die Kinder können hier frei ihre Welt erforschen, dem sei gesagt: Es gelten durchaus einige ungeschriebenen Spielplatzgesetze. Sie dürften regional starke Abweichungen aufweisen, gehen aber in jedem Falle weit über die gängigen Hinweise auf den Schildern hinaus. Die Erwartung, das kindliche Verhalten des eigenen Zwerges subtil in die gewünschte Richtung zu lenken, schwingt durchaus über dem «Riitiseili» in der Luft. 

Kindliche Vorstellungen von Regeln – und die der Eltern

Ich spreche hier natürlich aus meiner sehr subjektiven, unreflektierten und rechthaberischen Warte fürs Vögeligärtli. Will man sich hier Freunde machen, sollte man dem sozialen Spielplatz-Impact unserer Luzern-Bubble keinesfalls zuwiderhandeln. Die Zwerge bringen qua ihres Backgrounds und ihres eigenen Kopfes selbstredend die ganz eigenen Ideen von «zusammen spielen» mit.  Wie man als Elternteil seine Kommentare elegant drumrum jongliert, sei im Folgenden beschrieben. Steigen wir also ein in eine ganz gewöhnliche Alltagsszenerie im Vögeligärtli:

Soziale Regeln sind Definitionsfrage

Während der eine brave Bub sehr anständig fragt «döööfi bissoguet mitspiele?», ist für ein freches Mädchen «das Schüfeli voll Sand mitten ins Gesicht des anderen» vielleicht seine etwas tapsige Aufforderung zum Spiel.

Kinder sind verschieden ...

Wenn man also der braven Fraktion angehört, soll man dem Kind ruhig Mut einreden. «Du dörfsch imfall au ganz klar säge, was du wetsch, gäll Hermes-Quentin?» Ist man hingegen die Mutter der Ausbrut an sandschmeissender Frechheit, sind hier folgende Worte nicht falsch: «Also Gina-Lilian, ich find Sand schmeisse imfall nöd so nett. Frag doch lieber ganz aständig, ob du mal das violette Schüfeli dafsch uslehne.»

Es gibt Kinder, die schaukeln so lange unbehelligt durch den Wind, bis ihr Gesicht minim an das von Cher erinnert und lassen sich derweil in keinster Weise von der Warteschlange vor dem «Riitiseili» beirren.

... und haben keine Uhren

Ein Rat an deren Eltern: Helfen die dezenten, liebevollen Hinweise auf die wartenden Kinder nicht, wird schon erwartet, dass man dem Schaukelkind eine Galgenfrist von ungefähr 10 Mal vor und zurück gewährt und es danach dazu bringt, runterzukommen. 

Kinder, welche die Rutsche hoch- und runterspringen, als gäbe es kein Morgen – auf ein und demselben Weg, versteht sich. Kennt ihr die? Und deren braves Pendant, welches immer artig das Leiterli hochsteigt, nur um oben dann ellenlang zu warten, bis der Springer endlich nach Hause muss. Springereltern: Man soll das Kind zwar für die Wünsche seiner Mitmenschen sensibilisieren, es jedoch um Himmels Willen nicht in der Wahl seines Weges – wie es die Rutsche hochkommt – beeinflussen.

Eltern des Wartenden: Ablenken ist hier nicht falsch. Jedoch auf keinen Fall mit Esswaren runterlocken. Wir wollen doch nicht, dass sich das Kind in Zukunft aus jeder schwierigen Situation bloss noch mit essbarer Ersatzbefriedigung erlösen kann.

Was wäre der Spielplatz ohne Katastrophenkind

Und dann gibt es noch einen Ben Jerry Leroy. Er taucht irgendwie immer auf, wenn auch wir da sind. Meist mit schwingendem Stock und wehender Piratenflagge. Der Spielplatzschreck. Es ist wie beim Klassenkaspar: Es gibt überall einen. Er nimmt sich alles, was ihm zusteht, und auch alles, was ihn nichts angeht. Er ist laut. Frech. Wild.

Der Kindsvater stellt sich derweil im Café nebenan einen Macchiato ins Gesicht. Vielleicht auch einen Gin Tonic. Jedenfalls gilt hier für alle andern anwesenden Eltern: Ben Jerry kann nichts dafür. Er ist halt ein ganz besonderer Charakter. Am besten, man lockt sein Kind aus dem Jagdrevier des Jungen.

Sollte es doch einmal zu einer Konfrontation oder gar einer Fehde kommen: Schnelles Einschreiten, eigenes Kind aus der Situation befreien und den Jungen schlicht milde anlächeln. Nie, aber auch wirklich nie darf ein fremdes Kind angeprangert werden. Egal, was es tut.

Wenn der Snack nicht zu Spielplatzregeln passt

Das Schlussbouquet für mein heutiges Amüsement macht ein Knirps, der die Deckel zweier Milchschnitten auseinander zerrt und den milchigen Fett-Zucker-Schaum abschleckt. Die braunen, trockenen Schokodeckel wirft er achtlos vor die einigermassen neidischen Augen seiner Zuschauerschaft. Ehe diese jedoch ihren Ekel vor der angesabberten Scheibe versus der Versuchung, dennoch nach der verbotenen Süssigkeit zu greifen auf die Waage legen können, tummeln sich hier natürlich bereits die verzogenen Vögeligärtli-Spatzen darum herum und vernichten die Reste des Jungen blitzschnell.

Welcher Snack wirklich passt

An dieser Stelle möchte ich Ihnen folgenden, wertvollen Tipp nicht vorenthalten: Um Himmels Willen! Geben Sie dem Kind bloss keine Milchschnitte. Die Zwischenverpflegung auf dem Spielplatz umfasst nämlich mit Sicherheit den längsten Paragrafen der ungeschriebenen Spielplatzgesetze. Idealerweise sollte das Znüni irgendwas zwischen saisonal, regional, superhealthy, fancy anzusehen, selbstgemacht und im Bienenwachstuch verpackt sein.

So. Mein Milchkaffee ist leergetrunken und das Croissant von mir und den Vögeligärtli-Spatzen gleichermassen aufgefuttert. Und schliesslich habe ich ja neben der Spielszenenbeobachterei auch noch eine ellenlange To-do-Liste, wovon wohl alle Muttis und Vatis ein Liedchen singen können.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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