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Wenn die Vereinbarkeit nicht funktioniert

Trotz Arbeitsteilung: Wo ist meine Work-Life-Balance?

Manchmal ist es ganz schön schwierig, eine SUPER-MOM zu sein. (Bild: nst)

Beim Thema Vereinbarkeit denken wir meist an jene von Familie und Beruf. Aber es geht auch um eigene Bedürfnisse, um ein Sozialleben und auch noch das Leben als Paar. Obwohl mein Mann und ich zusammen ein Arbeitspensum von 110 Prozent haben, gibt es so schwierige Momente wie diesen.

Ich bin nicht nur Mutter. Ich bin so viel mehr. Ich bin auch Berufsfrau, Freundin, Schwester, Tochter, Parteikollegin. Und doch werden mich einige in ihrem Smartphone als «Mama von den Fröleins» gespeichert haben.

Wo ist meine Work-Life-Balance? Manchmal liegt die in der Sofaritze zusammen mit Brösmeli, Naseböggu und Schalen von spanischen Nüssli. Dann hilft mir nur noch, Tag für Tag zu nehmen. Meine Befürchtungen und Sorgen mit Herrn Limacher zu teilen. Er, der oftmals recht pragmatische Lösungen anbietet, der da ist, mit anpackt und alles tut, dass der Laden im Hause Limacher läuft.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Ja, das klingt in der Theorie gut, ist in der Praxis meist doch schwieriger als gedacht. Ich arbeite zwei Tage pro Woche auswärts, Herr Limacher ist an diesen beiden Tagen zu Hause. Er hat als Einziger seines Teams ein Teilpensum. Gleichzeitig leitet er dieses. Es ist also immer jemand von uns zu Hause. Dieses System bewährt sich für uns seit der Geburt unserer ersten Tochter.

Ist ein Kind krank? Kein Problem, es ist jemand zu Hause. Haben die Kinder 13 Wochen Schulferien und wir nur fünf Wochen? Auch das ist kein Problem, denn es ist jemand von uns zu Hause. Die Kinder sind in ihrer gewohnten Umgebung. Dies ist ein Luxus, dessen bin ich mir bewusst. Auch bin ich mir unserer privilegierten Lage bewusst. Die Entscheidung, wie viel und ob wir auswärts arbeiten, treffen wir. Auch kommen wir durch mit einem gemeinsamen 110-Prozent-Arbeitspensum. Vielen Familien würde dies nicht ausreichen, weil ihr Gehalt zu niedrig und die Fixkosten zu hoch sind.

Neue Rollenbilder – vor allem auf dem Land

Vereinbarkeit von Familie und Beruf beschäftigt uns schon seit mehr als 11 Jahren. Nämlich schon vor der Schwangerschaft des grossen Fröleins. Wir waren beide in einer Leitungsfunktion tätig, als wir uns für eine Familie entschieden. Es gab skurrile, befremdliche und auch lustige Momente in diesen elf Jahren. Momente, in denen wir uns bewusst wurden, dass es neue Rollenbilder braucht. Gerade auch auf dem Land.

Herr Limacher wurde zum Beispiel beim Impftermin mit dem Neugeborenen im Wartezimmer des Hausarztes gelassen, weil man sicher war, dass die Mutter auch noch auftauchen werde. Ungefragt. Ich wurde bei beiden Kindern nach dem obligatorischen Mutterschaftsurlaub mehrmals am Arbeitsplatz gefragt, wer jetzt bei meinen Kindern sei und dass diese kleinen Wesen halt schon die Mutter bräuchten. Ungefragt.

In unserem Dorf schliesst der Co-Working-Space. Dies weil er schlicht kaum genutzt wurde. Beim Mittagstisch der Schule unserer Fröleins sind donnerstags jeweils gerade vier Kinder angemeldet. Auch da scheint die Nachfrage nicht riesig zu sein.

Ein Morgen zum Streichen

Und doch ist es dieser Morgen letzte Woche. Der mich am dritten Tag auswärts arbeiten am Stück einfach nur überforderte. Ruhephase nicht in Sicht. Herr Limacher verlässt das Haus bereits in aller Herrgottsfrühe. Ich soll zusammen mit den Fröleins das Haus um 7.30 Uhr verlassen. Diese elende Turnhose ist unauffindbar, das Zmorge schmeckt nicht, das Znüni ist das Falsche und ich bin noch nicht mal angezogen. Das kleine Frölein schafft es gerade noch rechtzeitig, sich aufs Kickboard zu schwingen, sie hat sogar das richtige Gepäck am Rücken, wie mir scheint.

Das grosse Frölein, noch immer diese Turnhose suchend, fühlt sich von mir im Stich gelassen. Ich präsentiere ihr, mit einem Bein in der Strumpfhose stehend, zwei Trainerhosen, aber sie sucht genau die eine. Der Wäschekorb wird durchwühlt – der mit der schmutzigen Wäsche und auch der mit der frisch gewaschenen. Der Zeiger an der Wanduhr schreitet voran. Ich rechne schon aus, dass mir der Weg zum Bahnhof nur noch mit dem Velo reicht. Im höchsten Gang und ohne Umschweife.

Manchmal ist es nicht zu schaffen

Das Frölein schreit mich an, ich schreie zurück. Die Situation ist alles andere als schön. Mein Herz rast, ich schwitzte und fluche. Wir schaukeln uns gegenseitig hoch. Und ich schäme mich zutiefst dafür. Schaffe es jedoch nicht, die Spirale zu durchbrechen. Wie einfach wäre es nun, diese Teamsitzung auf später anzusetzen. Ich leite diese jedoch und habe gerade vor Kurzem an mein Team appelliert, jeweils pünktlich zu erscheinen. Also ist Zu-spät-Kommen für mich heute ein No-Go.

Dass das grosse Frölein heute noch pünktlich an der Schulhaustüre auftaucht, scheint mir auch nicht mehr möglich. Irgendwie schaffen wir es zusammen noch aus dem Haus. Beide mit hohem Puls und Tränen im Gesicht. Ich stelle das Velo ab und renne aufs Perron. Es reicht mir gerade noch auf die letzte Sekunde auf den Zug. Ich lasse mich in das blaue Polster sinken. Schaue nach draussen. Lasse die Landschaft an mir vorbeiziehen. Atme mit der Zeit etwas ruhiger und lasse meinen Tränen freien Lauf.

Manchmal ist es nicht zu schaffen. Trotz Jonglieren unserseits. Herr Limacher und ich geben uns Mühe. Haben oftmals auch Mühe. Vereinbarkeit trifft uns beide.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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