Eltern
Blog
«My daily cleaning routine»

Sisyphos – oder die Freude am Putzen

Ewiges Ärgernis: der Hausputz. (Bild: fotolia.com/Erwin Wodicka)

Der Sirupbecher fiel im hohen Bogen um und überzog dabei nicht nur den Tisch, sondern auch den Stuhl, die Wand, den Boden mit klebrigen roten Spritzern…

Der Sirupbecher fiel im hohen Bogen um und überzog dabei nicht nur den Tisch, sondern auch den Stuhl, die Wand, den Boden mit klebrigen roten Spritzern. Seufzend holte ich Putzeimer, Mop und Putzlappen hervor. Sie waren noch feucht vom letzten Gebrauch. Es handelte sich fast um das gleiche Szenario, mit einem Kind und einem Sirupbecher (etwas anderes als Sirup trinkt das Kind im Moment ja nicht) als Hauptdarsteller.

Immerhin haben wir Plastikbecher und es gab nicht noch Scherben dabei, obwohl die ja Glück bringen sollten (und Blut und Tränen und Pflästerli und Heileheilesäge…). Meine Tochter half fleissig mit beim Putzen, indem sie mit ihrem Lieblingsnuschi und meinem Gesichts-Waschlappen (wann hatte sie den denn in die Küche geschleppt?) die Wand abrieb.

Natürlich sagte ich nichts dazu, denn nur schon, dass sie mir half, war ja löblich. In einem unbeobachteten Augenblick schnappte ich mir den Waschlappen elegant und ging Richtung Schlafzimmer, um ihn dem Wäschekorb zu übergeben.

Autsch, warum liegen hier im Gang überall Legosteine? Aha, die Kleinere hat eine der Kisten erwischt und ausgeräumt – im Moment ihr Lieblingshobby. Und um die nächste Ecke lauert ein fieser Puppenwagen. 

Der Wäschekorb ist voll, in den Ecken sind Flöckchen und die Klos sind auch schon wieder fällig… Dabei habe ich doch eben erst überall geputzt und staubgesaugt.

Seit ich in der Ausstellung «Sisyphos» in der Kunsthalle Luzern gewesen bin, habe ich einen Namen für mein Leiden. Denn da traf es mich wie der Blitz: Das bin ich! Nennt mich Sisyphos! Die ewige Steinerugelerin.

Wobei der Ausdruck ewige Putzlappenschwingerin es wohl eher trifft. Neulich war ich an einem Punkt, wo ich dachte, so könne es nun wirklich nicht weitergehen. Ich habe nicht etwa eine Putzfrau in Erwägung gezogen. (Das käme ja notabene sowieso nicht infrage. Da hätte jemand Wildfremdes einen Schlüssel zu meiner Wohnung und würde meine privatesten Sachen sehen. Und jedes Mal wenn ich die Kosten überschlage, kommt mir unsere Wohnung dann sowieso wieder so klein vor.)

Nein, ich habe im Internet nach Putztipps gesucht. Und habe auch gaaaaaaaanz viele gefunden. Die besten Tipps sind auf Youtube zu finden. Schaut da auch mal rein. Alles findet man da: Wie kriege ich den vollverschmutzten Backofen mit Backpulver und Zitronensaft sauber, wie entkalke ich mein WC mit einem bekannten braunen, kohlesäurehaltigen Erfrischungsgetränk und ein absolut nützliches Video, wie man es schafft, die Wohnung in 10 Minuten für unangekündigten Besuch empfangbar zu machen.

Meine Lieblingsvideos sind zurzeit auch «My daily cleaning routine»-Videos von us-amerikanischen Hausfrauen. Diese Housewives filmen sich dabei selbst – meist im Zeitraffer – beim Aufräumen und Putzen von Häusern und Wohnungen, die bereits vorher besser dran waren als unsere eigenen vier Wände. Da heisst es dann zu Beginn über ein paar unordentlich drapierte Socken und Bücher sowie vielleicht noch ein paar Spielsachen: «Oh, hier sieht es ja wieder furchtbar aus.»

Ganze Wissenschaften gibt es da. Eine besonders clevere Dame hat ihr Haus in 5 Zonen eingeteilt. Pro Zone hat sie zig Aufgaben. Jeden Tag erledigt sie mindestens eine Aufgabe pro Zone. Toilette putzen, Boden saugen und aufnehmen, Kästen in der Küche abwischen, Vorhänge waschen etc. Jeden Tag! Muahahahaa, kann ich da nur sagen. Ich bin schon froh, wenn ich abends das Geschirr im Geschirrspüler habe, Wohnzimmer von Spielsachen befreit, mindestens einmal pro Woche staubgesaugt habe und die WC-Schüssel sauber ist.

Alles andere ist Gelegenheitsarbeit. Wobei, wenn ich es recht überlege, die Gelegenheit ergibt sich oft. Die Küche ist ja jetzt wieder sauber. Wobei sie es auch vorher schon war, bis auf den Sirup. Und auch die Waschmaschine läuft praktisch jeden Tag. Und auch die Vorhänge sind sauber, da gerade gestern jemand die Schokoladefinger daran abgeputzt hat. Und auch im Wohnzimmer ist gerade staubgesaugt worden, da jemand die Packung Salzstangen ausgeleert hat. Eigentlich sind die Staubknäuel nur gerade in unserem Schlafzimmer. Vielleicht sollte ich die Kleinen öfter hier spielen lassen?

Na gut, wenn ich grad dran bin, dann mach ich halt noch rasch das Schlafzimmer. Zur Belohnung gibt es für mich und die Kinder einen feinen Dessert in der Küche. Schoggimuffins, mmmhhh… Meine Tochter greift mit verschmierten Fingern zur Papierrolle auf der Tischmitte.

Dabei stösst sie ihren frisch gefüllten Sirupbecher um…

Themen
Eltern
Blog
Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon