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Wie ich als Mutter lernte, dem Bus fernzubleiben

«Selbst schuld – mit Kinderwagen meidet man einfach die Stosszeit!»

(Bild: pixabay)

Eigentlich bin ich eine leidenschaftliche Buspassagierin. Oder besser gesagt, ich war es einmal. Mit der Geburt meiner Kinder hat sich dies abrupt geändert. Warum es so weit gekommen ist, frage ich mich bisweilen selbst.

Die kurzen Wege, die vielen Leute, das turbulente Leben zu jeder Tageszeit. Ich könnte noch viel mehr Gründe aufzählen, warum ich gerne in der Stadt wohne. Ja, ich würde nie aus irgendwelchen Gründen aufs Land ziehen. Ich bin einfach dem Sog der Stadt erliegen, wenn auch die Stadt Luzern nicht wirklich eine Grosstadt ist. Gut, denn da muss man nicht immer den Bus nehmen, sondern man kann auch mal gemütlich nach Hause laufen. Seit längerem habe ich zudem die Vorteile des Velofahrens entdeckt und möchte nicht mehr darauf verzichten.

Bis vor sieben Jahren war dies noch ganz anders. Für jede erdenkliche Strecke stieg ich in den Bus. Ich genoss es, aus dem Fenster zu blicken und die vorbeiziehenden Gebäude zu betrachten Es störte mich auch nicht, wenn ich nicht sitzen konnte, weil der Bus bis auf den letzten Platz rappelvoll war oder weil alles mit Koffern von nervösen Touristen überstellt war, die nicht wussten, wann sie aussteigen sollen. Gerne half ich den völlig orientierungslosen Touristen bei der Suche nach ihrer gebuchten Übernachtungsmöglichkeit.

Aber eben, vor sieben Jahren änderte sich diese Einstellung schlagartig.

Die bange Frage: wer hilft mir jetzt?

Es begann an einem schönen Sommertag, ich war vor kurzem stolze Mutter eines kleinen Sohnes geworden und wollte mit dem Kinderwagen nach einem Grosseinkauf nach Hause. Ich wartete an der Bushaltestelle auf den Bus. Als dieser zufuhr, stellte ich mit Schrecken fest, dass der Einstieg viel zu hoch ist. Das war mir vor dem Mami-Sein nicht aufgefallen. Da gab es tatsächlich noch Busse, die keine tiefen Einstiege hatten, sondern solche, bei der man eine hohe Treppe zu bewältigen hatte.

«Ach nein, wer hilft mir jetzt beim Einstieg?», schoss es mir durch den Kopf, während ich mich hilfesuchend an der Bushaltestelle umsah. Niemand wollte auf Anhieb mitanpacken. Also musste ich die erstbeste Person ansprechen. Widerwillig unterstützte mich der junge Mann beim Einstieg. Gefühlte lange Minuten später musste ich wieder jemanden fragen, ob er mir hilft auszusteigen. Von diesem Tag an mied ich diese Buslinie. Ich hatte ja zum Glück mehrere zur Auswahl.

Entspannt wird es nicht…

Aber das gute Gefühl des Busfahrens, das ich von früher kannte, war plötzlich weg. Immer, wenn ich in den Bus einstieg, kletterte mein Puls in die Höhe. Ich wusste: Entspannt wird es nicht. Habe ich Platz mit meinem Wagen? Kann ich mich irgendwo halten, wenn der Bus abrupt bremst? Schreit mein Kind nicht doch plötzlich wie aus der Pistole geschossen?

Um dies zu vermeiden, suchte ich immer sehr schnell meinen Platz, band den Wagen an und spielte die ganze Zeit mit meinem Kind. Verdüsterte sich seine Miene, gab ich ihm zu essen oder reichte das Trinkfläschchen. Nur, um mein Kind vom Schreien abzuhalten. Keine Sekunde liess ich den Kinderwagen aus den Augen.

Vor allem wollte ich nicht in die kritischen Gesichter der anderen Passagiere blicken. Ich wusste genau, was die von einer kinderwagenbepackten Frau hielten, die gestresst versuchte, ihr Kind vom Schreien abzuhalten. Und dann passierte es. Der Kleine schrie, das Essen spuckte er aus, das Trinken verweigerte er und auch der Nuggi verschaffte keine Abhilfe: Ich musste den Kleinen rausnehmen und versuchte ihn zu beruhigen. Doch auch das nützte nichts. Es blieb mir nichts anderes übrig, ich musste aussteigen.

Die Haltestelle des Grauens

Mit zittrigen Fingern drückte ich den Halteknopf, die Tür ging auf und da war sie. Die Bushaltestelle, die keine Mutter so geplant haben kann, kein wirklich weit denkender Mensch. Denn genau dort, wo sich die Türe öffnet, stand ein Abfalleimer. Na toll, wie komm ich da raus? Kind auf dem Arm, Wagen vollbepackt vom Einkauf, Tasche auf der Schulter und dann fällt noch das «Noschi» runter.

Nachdem ich mich danach streckte, das Kind noch lautstarker zu weinen begann und ich es endlich irgendwie doch noch heil rausschaffte, stand ich nun da. Schweissgebadet, ein schreiendes Kind auf dem Arm und das bedrückte Gefühl, am liebsten selbst lautstark zu weinen. In diesem Moment kam eine Frau auf mich zu und meinte kurz und knapp: «Tja, selbst schuld – mit Kinderwagen meidet man einfach die Stosszeit!»

Paff, der hat gesessen. Zum Glück war ich zu Hause. Von da an mied ich morgens und abends die vollen Busse und versuchte so oft wie möglich zu laufen.

Busfahren ist und bleibt stressig

Aber irgendwann ging es nicht mehr anders. Auch ich wollte mal schnell zuhause sein, weil sich der Kleine nicht wohl fühlte, egal zu welcher Tageszeit. Und auch ich musste mal frühmorgens zum Arzt oder wollte mal ohne auf die Zeit zu schauen, bei meiner Freundin bleiben. Inzwischen sind mehrere Jahre vergangen. Das Busfahren mit Kids ist immer noch anstrengend. «Nicht springen! Halt, das ist kein Klettergarten… Bleib auf dem Sitz sitzen… Lass deinen Bruder in Ruhe, nicht kämpfen! Es können nicht beide ans Fenster…Nein wir essen nicht im Bus!» Das ist nur eine Auswahl an Sätzen, die ich immer wieder von Neuem wiederhole.

Ja, Busfahren ist stressig, anstrengend und nervenaufreibend! Aber dennoch habe ich mittlerweile gelernt, damit umzugehen. Schliesslich bezahle auch ich für die Fahrt und auch meine Kinder dürfen mal einen schlechten Tag haben. Zudem gibt es mittlerweile diese kurzen, hoffnungsvollen Momente, in denen beide gespannt aus dem Fenster blicken und die vorbeiziehenden Gebäude betrachten. Ja, dann bin ich sicher: Irgendwann werde auch ich wieder gerne im Bus fahren.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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