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Mein Sommerglück war nur von kurzer Dauer

«Nimm das, Bitch!»: 2020, ein verfluchtes Jahr

Schneewittchen soll die Wende zum Gute schaffen. (Bild: Adobe Stock)

«Wir wünschen euch ein wundervolles, neues Jahr. Gewiss wird es eine goldene Dekade!» Dieser Passus war unter anderem auf unseren letztjährigen Weihnachtskarten zu lesen. In Anlehnung an die «Golden Twenties» des vorangegangenen Säkulums quasi. Und was soll ich sagen? So sehr geirrt habe ich mich im Leben noch nie. Niemals. 

Der Auftakt machte COVID-19. Mein Vater ist gestorben, dann folgte der Lockdown. Die nächsten Wochen und Monate waren eine Aneinanderreihung gleichförmiger, surrealer Tage. Wir verbrachten sie im Garten, bauten Hochbeete und pflanzten Gemüse an. In der leisen Hoffnung, ob all des Verderbs den Dingen beim Gedeihen zusehen zu können.

Glücklicherweise war uns das Wetter zu dieser Zeit sehr wohlgesinnt. Und so konnte ich unter diesem penetrant gutgelaunten Wetter nicht mehr länger anders, als wieder ein bisschen Glück zu spüren. Zuerst waren es kleine Alltagsglücke. Milchkaffee zum Beispiel. Der spontane Besuch einer Freundin. Frische Blumen auf dem Tisch. Kochen. Sowas.

Ein Sommer voller Lebensfreude

In den Sommerferien kam dann das grosse Glück zurück. Dieses wunderschöne, erquickende Gefühl von Lebensfreude, das ich ganz gut kenne. Während meine nasse Haut im warmen Sommerwind trocknete, schlich es sich ohne Sang und Klang zu mir hin. Während ich meine drei wunderbaren Kinder beobachtete und feststellte, dass sie gesund und voller Leichtigkeit sind. Während ich uns abends ein kühles Glas Weisswein einschenkte und mit diesem Mister Perfect an meiner Seite auf unser Wohl anstiess. Während ich mit meinen allerbesten Freundinnen in einem Sommernachtstraumgarten ein irrköstliches Nachtessen genoss. Peu à peu kehrten alle guten Geister zurück in mein Leben und versprachen mir, dass nun alles besser werden würde. 

Kaum aber gingen die Sommerferien zur Neige, stellte sich heraus, dass die guten Geister so gut gar nicht sind. Sie sprachen: «Nimm das, Bitch!», zogen von dannen und hinterliessen ein Potpourri an Hiobsbotschaften. Seither verfluche ich dieses Jahr. Mein Aktivwortschatz im Schimpfwortbereich ist rasant angewachsen und bei Verabredungen mit meinen Freudinnen sind jeweils die ersten 15 Minuten für meine Shitstorm-Logorrhoe auf das 2020 reserviert. 

Zu viel des Gejammers

Und genau so war es kürzlich auch. Ich schimpfte, rügte, jammerte und wütete über dieses verfluchte Jahr. Irgendwann unterbrach mich eine der drei. Sie ertrage es schlicht nicht mehr. Dieses ganze Jahr, all die schlimmen Dinge, die geschahen. All das zerschlagene Geschirr. Dieser ganze Kummer. Im September werde sie doch heiraten, drum dürfe dieses Jahr nicht immer wieder neu verflucht werden. Selbstredend fuhr mir diese Opposition ein und mein eigenes Gejaule aus.

Später philosophierten wir über Märchenszenarien, in denen weitgehend auch ganz viel Irrsinn geschieht, ehe sich alles zum Guten wendet. Nehmen wir Schneewittchen als Beispiel: Sie hatte echt eine ziemlich bescheidene Zeit. Als Halbwaisenkind aufgewachsen, wurde sie von daheim weggejagt, hat im Alleingang sieben verfluchte Berge bestiegen und ist letztlich als Haushälterin bei sieben machoiden Zwergen gelandet. Ehe ihre Odyssee ein Ende hatte, überlebte sie noch drei Attentate ihrer bösen Stiefmutter.

Meine Freundin, Schneewittchen

Nach all dem Wahnsinn, der Schneewittchen passiert ist, gehen wir heute aber davon aus, dass sie in einer glücklichen, gleichberechtigten Ehe lebt. (Es schadet nicht, Märchen zumindest im Geiste sinnentsprechend der heutigen Zeit anzupassen.) Vielleicht hat sie ein paar Kinder, eine Nanny, ein schönes Haus und einen tollen Job bei einer Werbeagentur. Vielleicht ist sie auch die neue Chefredakteurin von «Vogue». So genau wissen wir das nicht. Aber das Leben ist gut zu ihr.

In der Folge graduierte ich meine Freundin zu Schneewittchen und beschloss, dass ihre Hochzeit das Ende einer verwunschenen Ära herbeizaubern wird. Vielleicht wird es Zeit für ein bisschen Magie. Auf dass das Gute über das Böse siegen wird.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Romeo und Julia
    Romeo und Julia, 06.09.2020, 13:46 Uhr

    Mann/Frau was für ein Zeitverschwender.

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    • Profilfoto von Sabrina Forrer
      Sabrina Forrer, 21.09.2020, 16:58 Uhr

      Jö. Selberschuld.

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  • Profilfoto von Franziska Greising
    Franziska Greising, 30.08.2020, 17:49 Uhr

    Muss ja nicht alles immer nützlich sein. Es war unerhaltsam, Sabinas Einfälle zu lesen, zu schmunzeln und die Sicht auf das Märchen von Schneewittchen etwas zu verändern

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