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Was in einer perfekten Welt anders wäre

Magische Momente als Rezept zum Glücklichsein

Etwas Süsses backen und sich so einen hausgemachten «magic moment» verschaffen. (Bild: pexels)

In einer perfekten Welt wäre alles anders: Da würden wir den Januar nutzen, um die kühnsten Pläne fürs taufrische Jahr zu schmieden. Wir würden unsere Agenda entjungfern, ihre blassen Seiten mit ersten Jahresfunken füllen: Das Blue Balls Festival eintragen. Ein Mittesommer-Kinderfest planen. Das Freundinnenwochenende. Die Familienreise. Das Love-Weekend. Die Zusammenkünfte im Freundeskreis. Innert weniger Tage wäre die Agenda voller goldener Highlights.

In einer perfekten Welt würden wir nach Andermatt in die Skiferien fahren, wo wir den mühsamen Teil des kindlichen Skifahrenlernens an eine Fachperson outsourcen und währenddessen wellnessen würden. Nachmittags würden wir die rotbackigen, Winter-satten Kinderchen abholen und mit ihnen vors Cheminéefeuer in der Hotellobby sitzen und heisse Schokolade trinken. Wir würden sie abends in schöne Restaurants ausführen, ganz ohne Schutzmassnahmen.

Alles ist anders

Unsere Welt ist längst nicht mehr perfekt. Sorgen wohnen bei uns. Wir vermissen das Zusammensein mit unseren Freunden und das Kulturangebot der Stadt. Wie die allermeisten Menschen derzeit, verzichten wir auf so vieles und das erschöpft uns innerlich sehr. Und selbstredend sind wir uns sehr bewusst, dass wir hier privilegiert durch diese Pandemie gehen. Ich frage mich oft, wie es anderen Familien derweil ergeht, die von der Krise weit mehr betroffen sind.

Zum Glück gibt es ein Rezept zum Glücklichsein. Das können wir momentan alle gut gebrauchen. Ich nenne es «die magischen Momente». Man kann sie überall entdecken, sie lauern hinter jeder Ecke. In jedem klirrend kalten nebeligen Waldausflug gibt es ein paar davon. Wenn der Blick über die Bäume schweift und man die Entspannung im Kopf förmlich spüren kann, zum Beispiel. Oder wenn das Kind hochschaut und sagt, man sei sein liebster Mensch auf Erden.

Oder, wenn das Feuer endlich lodert und man sich an den heissen Flammen die kalten Finger aufwärmen kann. Diese Momente muss man erkennen, die Augen schliessen und prompt erklingt im Innern das Lied «magic moments» von Perry Como. Versprochen.

Selbstmitleid oder Zimtwecken?

In einer perfekten Welt wäre Corona einfach ein blödes Bier und das Wort «positiv» würde etwas Gutes bedeuten und es wäre auch nicht Januar. Und weil jetzt alles anders ist, sind selbst sich türmende Wäscheberge ein bisschen schlimmer als sonst. Und die Kuchenkrümel unter dem Tisch auch. Es stellt sich dann die Frage: Selbstmitleid oder Zimtwecken?

Zweiteres lässt die flinken Kinderhände sofort im Gefrierfach nach den geliebten Wecken graben. Wir zünden ein paar Kerzen an, schmeissen die Wäsche hinter die nächste Wand und 10 Backofenminuten später mampfen wir die süssen zimtigduftigen Wecken und schlürfen heissen Kakao. Sowas nennt man einen hausgemachten «magic moment».

Und wenn wir mal einfach im Bus sitzen und uns eine ältere Dame einen sehr freundlichen Blick zuwirft, ja sogar ein Unter-der-Maske-Lächeln zu erahnen ist, dann ist doch für diesen einen kleinen Moment einfach alles gut und wir brauchen nichts anderes zu tun, als freundlich zurückzulächeln. Und vielleicht reicht das schon für das innerliche Anklingen von «magic moments, when two hearts are caring …»

Singende Welt

Horch nach dem Lied in allen Dingen und die Welt hebt an zu singen. Nie konnte ich diese eigene Interpretation von Eichendorffs Wünschelrute besser gebrauchen im Alltag. Wahrscheinlich bin ich eine Romantikerin. Aber das hat im Grunde wenig damit zu tun. Jeder Mensch kann sich bewusst dafür entscheiden, diese Momente im Alltag zu erkennen. Oder sie sich immerhin selbst zu kreieren.

In der Folge schärft sich der Geist darauf und schliesslich sind sie plötzlich überall und man kann sie gar nicht mehr einfach achtlos vorüberziehen lassen. Ich bin aktuell sehr geübt darin und ich kann vermelden, dass es wirklich das Ding mit der Richtung der Aufmerksamkeit ist.

Selbst wenn ich mich der unliebsamsten Arbeit – den haushältlichen Pflichten – widmen muss, entdecke ich beispielsweise beim Bodenwischen einen «magic moment». Dann nämlich, wenn ich mit dem Schüfeli und Bäseli mehr Kuchenkrümel und Glitzer aufwische als Staub und Dreck. Ich sag es ja, manchmal sind sie klitzeklein. Aber sie sind da.

Der beste Moment des Tages

Was bei mir wunderbar funktioniert, kann natürlich auf andere gesucht oder gar gekünstelt wirken. Sollte man zu dieser Sorte gehören, kann man auch einfach mal versuchen, «den besten Moment des Tages» zu finden. Dazu muss man ihn zuerst erkennen und geniessen, was natürlich gleichzeitig das Geheimnis des Tricks ist. Ich mach das auch ab und an.

An solchen Tagen spekuliere ich beispielsweise schon morgens beim Schäumchenkaffee aus meiner geliebten Goldrandtasse, dies möge vielleicht der beste Moment des Tages sein. Meist denke ich aber bereits zur Morgenmitte «ah nein, DAS ist der beste Moment!» und nachmittags geht dies wieder ein paarmal so und abends, wenn ich unter dem glühenden Ast auf dem Sofa liege und lese, weshalb das Kind in der Polenta kocht, denke ich es ein letztes Mal.

In einer perfekten Welt wäre alles anders. Aber die «magic moments» könnten niemals perfekter sein.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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