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Ein Mann kann es ja nur falsch machen

Liebe Damen ab 55: Auch ein Vater kann Erzieher sein

Väter werden oft zu Unrecht für Ihren Umgang mit dem Nachwuchs kritisiert. (Bild: Unsplash)

Unser Elternblogger ist immer mal wieder alleine unterwegs mit seinen beiden kleinen Kindern. Dabei geben ihm ältere Damen gerne Ratschläge oder äussern ihre Bedenken zu seinem Umgang mit den Kindern. Ein paar Müsterchen, was einem Vater blühen kann.

Es ergab sich, dass ich mit acht Kollegen und ihren Kindern campieren ging im Sommer. Es war wunderbar. Ich selber habe damals die Kommentare grösstenteils überhört, aber Kollegen erzählen sich die Anekdoten noch immer: Dauernd raunten uns Damen ihr Erstaunen hinterher, lobten, wie mutig und toll es sei, als Männer alleine mit den Kindern Ferien zu machen. Sie bewunderten, dass es den Kindern inmitten von Männern – ohne Mütter! – gut zu gehen schien.

Ok, es scheint halt nicht normal zu sein. Seither bin ich etwas hellhöriger, was diese Väter-als-Erzieher-Kommentare angeht – und eigentlich gehen die gar nicht, finde ich. Und ich bin ja weit davon entfernt, Alleinerzieher zu sein (Was diese sich wohl anhören müssen? Ich wage es kaum, mir das vorzustellen).

Liebe Damen zwischen 55 und 65 Jahren: Ja, als Vater kann man auch Erzieher sein. Hier ein paar Einblicke an Kommentaren von Damen, die das anders sehen:

Ertappt beim Auswärtsessen

Letzte Woche wurde ich beim Auswärtsessen mit meinen Kindern erwischt. Wir sassen im Bourbaki und genossen unser Piadini nach dem Bibliotheksbesuch. Hinter uns, noch knapp in Hörweite, zwei ältere Damen.

Die Erste: «Ja gell, früher haben wir für unsere Kinder gekocht.» – «Ja weisch, als Frau ist das halt auch einfach ein bisschen gewohnter. Ist ja schon schön, so ein Vater mit seinen Kindern. Du, das Brownie ist jetzt aber gut, oder?», erwiderte die Zweite, worauf die Erste nochmals insistierte: «Jaja, er macht das ganz gut, aber eben, so auswärts Essen, also das nimmt dann halt schon Arbeit ab. Ist ja gut, kann er sich's leisten. Ja, für so einen Ort ist das Brownie ganz in Ordnung. Du, wollen wir weitergehen?» undsogingensieweiter.

Fehlt die Mutter, hagelt es Ratschläge

Kürzlich waren wir am Markt. Es war etwas kühler als die vergangenen Wochen und das entging auch bestimmten Damen zwischen 55 und 65 Jahren nicht. Ja, es ist immer diese Altersgruppe von Frauen, die sich kümmert um mich armen Vater. Sie hatten ja bestimmt auch mal Kinder und machten das wunderbar damals und vermutlich mussten sie die Erziehung alleine stemmen.

Nun fühlen sie sich verpflichtet, ihre Ratschläge, Bedenken und Befürchtungen zu teilen. Sie sehen nicht einen Vater mit seinen Kindern, sondern sie sehen die Kinder und die fehlende Mutter, in deren Rolle sie glauben, sofort schlüpfen zu müssen. Sie sehen fehlenden Schutz und Gefahr:

«Hat die Kleine nicht kalt in ihrem Jäckchen? Also, es ist jetzt ja kälter.» Aha, danke, darum trägt sie ja auch ein Jäckchen. Ich reagiere viel zu verständnisvoll, denke ich im Nachhinein. Wir nehmen einen Kafi unter der Egg. «Ja und Sie sind ganz alleine mit den Kindern unterwegs? – Jawas, ja das gibt es jetzt halt auch, dass die Mama arbeitet, jaja.»

Die Markt-Kommentare und Bedenken von älteren Damen sind eine Kategorie für sich: «Oh, jetzt meinte ich, die Kleine sei in ihrem Wagen gar nicht angebunden», «das ist aber mutig, den Kleinen so nah am Wasser spazieren zu lassen (mit seiner Hand hält er sich am Kinderwagen).»
Solche Kommentare höre ich immer nur, wenn ich mit den Kindern alleine unterwegs bin. Sind wir Eltern zu zweit mit den Kindern, sind die Damen beruhigt. Der bisherige Höhepunkt übrigens war diese Situation: Eine Dame, vermutlich seit wenigen Jahren im Pensionsalter, fragt den Kleinen, er begutachtet am Marktstand etwas weiter vorne die Äpfel:

«Ja säg, wo ist denn deine Mama?», ich rufe ihn zu mir. Sie, tatsächlich ungläubig zu sich «Jä was, und die Mama? Ja, jetzt sind die ganz alleine unterwegs?! Ja nei.» Die armen Damen trauern vermutlich ihren nichtvorhandenen Karrieren und ihren nichtpräsenten Kindsvätern nach, so rede ich mir diese Kommentare zurecht.

Es liegt an den Vätern

Aber das nervt mich inzwischen gar nicht mehr so sehr. Es nervt mich vielmehr, dass Kolleginnen und Kollegen in meinem Alter eine lange Elternzeit politisch in Frage stellen (in Zürich und Luzern laufen zurzeit oder bald Initiativen für eine Elternzeit) und dass es weiterhin normal ist, dass der männliche Elternpart fast immer Vollzeit arbeitet, während der weibliche Part sein Pensum massiv reduziert.

Väterkollegen, ist es nicht unsere Aufgabe, dass wir die Betreuungszeit einfordern? – Hmm ja, es ist einfacher, wenn der weibliche Part bei der Arbeit reduziert (weil das eben gewohnter und akzeptierter ist). Aber hey, wenn wir uns nicht einsetzen für eine Änderung, dann hören womöglich noch unsere Kinder solche Kommentare am Markt.

Und das ist doch einfach peinlich, nicht? Bezüglich Wettbewerbsfähigkeit rangiert die Schweiz in Europa im neuesten IMD-Ranking auf dem ersten Platz und könnte sich was anderes leisten als den letzten Platz bezüglich Familienfreundlichkeit.

Für Familien ist die Schweiz aber das unfreundlichste Land in Europa (Schweden das freundlichste), so die diesjährige Studie des Uno-Kinderhilfswerks Unicef. Kein Wunder, haben wir dieses Rollenbild, das fast wöchentlich am Markt seine Kommentare über mich ergiesst. Für eine echte Gleichstellung und ein anderes Rollenbild bräuchte es eine Elternzeit (diese schlösse auch Regenbogenfamilien ein) für Mütter und Väter – und Eltern, die sich danach die Haushalts- und Kinderzeit teilen. Das können und müssen wir uns leisten.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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