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Immer ein Abenteuer: Pendeln mit Kleinkind

Pendeln mit Kind: wenn die viertelstündige Zugfahrt sich wie eine mehrtägige Reise anfühlt.

 

(Bild: Pixabay)

Vollkornguetzli, Pixie-Büchlein und Trinkflasche sind eingepackt und die Reise kann beginnen. Unsere Eltern-Bloggerin Carole Kaelin schildert in ihrem ersten Beitrag aus zwei Perspektiven, wie sich Pendeln mit Kleinkind an der Hand anfühlt.

Nein, das muss jetzt nicht sein. Nicht nach einem anstrengenden 9-Stunden-Arbeitstag. Es setzt sich genau mir gegenüber auf den Sitz und zappelt schon mit seinen kleinen Beinchen. Gleich wird es mit seinen Schuhsohlen meine Anzughosen streifen. Die Mutter sitzt daneben, schwer bepackt und etwas verschwitzt. Ich stöpsle mir schnell die Kopfhörer ein und versuche, dem Unausweichlichen zu entfliehen. Und schon geht es los … «Mami, ich hab Hunger!» Das Mami packt geduldig ein Pack Vollkornguetzli aus, welche das herzige Kleinkind jedoch vehement ablehnt. «Mami, ich will was anderes!» «Was denn?», fragt die Mutter. Ich kann sie trotz Musik im Ohr hören. Vielleicht weil sie sehr laut und deutlich sprechen, vielleicht weil ich irgendwie doch mithören will. «Ich weiss es nicht», nörgelt das Kleinkind, «ich will einfach etwas anderes.» Und der Zug ist noch nicht mal abgefahren.

So muss es wohl meinem Mitreisenden ergehen, wenn ich mit meinem Kita-Kind in den überfüllten Zug steige und nach Hause pendle. Unsere Fahrt dauert glücklicherweise nur eine Viertelstunde, aber gefühlt sind es manchmal trotzdem Stunden. Und da mein Kleinkind die Welt noch nicht durch Kopfhörer und Handybildschirm erlebt, erfährt es eben auch Zugfahrten immer wieder … nennen wir’s mal «lebhaft».

Feuerlöscher und Fingernägel

Wissen Sie, wo in der S-Bahn die Feuerlöscher installiert sind? Kennen Sie alle Piktogramme der SBB, die bei der Eingangstüre auf das korrekte Verhalten («Lassen Sie Ihr Gepäck im Notfall im Zug und leisten Sie dem Zugpersonal Folge») hinweisen? Wissen Sie, wo das kleine Hämmerchen für den Notausstieg hängt? Mittlerweile sind mir all diese bahntechnischen Dinge mehr als vertraut; ohne mein aufmerksames Kleinkind wären sie mir jedoch nie aufgefallen. Auch kommt man ganz anders und sehr prompt mit anderen Menschen ins Gespräch. Wenn alle auf ihren Smartphones herumspielen und es ganz ruhig ist, fängt es plötzlich an; «Du Mami, warum hat die Frau da …?» (jetzt wahlweise einfügen: so spitze blaue Fingernägel, den Arm so komisch angemalt). Auch lustig: «Mami, kann der Mann da mit diesem grossen Bart überhaupt sprechen?»

Um die kurze Fahrt für alle Beteiligten möglichst erträglich zu gestalten, bin ich stets ausgerüstet mit Trinkflasche, Guetzli, Darvida, Vorlesebüchlein und allem an Geduld und Ruhe, was man nach Feierabend aufbringen kann. Trotzdem: Die Fahrt gelingt nicht immer ganz reibungslos und in absoluter Stille, so wie man es sich als pendelnder Zugfahrer eben wünschen würde.

Entertainment ist alles

Neulich dachte ich, ich hätte die Lösung gefunden. Es gibt zuckerfreie Lollipops. So was müsste mein Kind doch 15 Minuten ruhig beschäftigen. Gut, Ablenkung mit Süssem (wenn auch zahnschonend) ist wohl nicht ganz im Sinne von Jesper Juul. Aber im 17.00-Uhr-Zug erwartet und vollbringt wohl niemand pädagogische Höchstleistungen.

So steigen wir also in unseren Zug ein und finden zwei freie Plätze, die auch das Kleinkind für ausreichend befindet, und ich freue mich auf eine ruhige Fahrt. Doch weit gefehlt. Leider lässt sich das Alupapier, das straff und irgendwie verklebt um den Lutscher gewickelt ist, nur mit Mühe und scharfen Fingernägeln (im Notfall gar einer spitzen Schere) entfernen. Da ich über keinerlei solches Werkzeug verfüge, reisse und zerre ich mit blosser Muskelkraft am Papier herum, bis sich schliesslich ein Fitzelchen erbarmte und sich vom heiss erwarteten Lutscher löst.

 Das Kind fordert – natürlich – einen gänzlich ausgepackten Lolli und beginnt sich zu beschweren. Ich fange an zu schwitzen, ziehe und reisse an diesem «Scheibenkleister»-Papier herum und da passiert’s: Der Lolli rutscht mir aus der Hand und landet im Mittelgang. Er ist nicht mehr zu retten und ab Sekunde 1 über und über mit Staub, Dreck und Haaren bedeckt. Interessiert bis genervt von sämtlichen Mitreisenden beobachtet, wende ich mich meinem Kind zu und erkläre ihm, dass wir den Lolli jetzt wegschmeissen und dann zu Hause nach Ersatz suchen.

Den Rest kann man sich denken. Gebrüll, Tränen, Wut, markerschütternde Schreie der Enttäuschung. Noch sieben Minuten bis zu unserer Haltestelle. Tausende Sekunden. Ich tröste, streichle, wühle hektisch nach süssen Alternativen in meiner Handtasche. Ich spüre förmlich den aufkommenden Ärger meiner Mitreisenden. Noch drei Minuten. Mit dem Lieblingskuscheltier als Trosthelfer schaffen wir es, das Abteil zu verlassen, und verbringen die restliche Zeit lieber schon mal an der Türe wartend.

Ein nettes Lächeln zum Abschied

Vor ein paar Tagen lief in einer halbleeren S-Bahn alles wie am Schnürchen. Das Kindlein sass brav und ruhig am Fenster, bewunderte im Vorbeifahren Kühe und Autos und guckte ab und zu in sein Dino-Büchlein. Beim Aussteigen meinte die ältere Dame vis-à-vis im Abteil: «Du warst jetzt aber ganz lieb während dieser langen Fahrt!» Dankbar und ein wenig stolz lächelte ich ihr zu. Und mein liebes Kleinkind streckte ihr grinsend die Zunge raus.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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