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Maël Stocker über sein Lieblingsunwort

Ich hasse «Papitag»

Ich habe keinen Papitag. Ich bin Vater. 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche.

Unser Elternblogger nervt sich über die anerkennend gemeinte Äusserung «Oh, du hast heute Papitag, wie schön». Er kann das Wort «Papitag» nicht mehr hören. Schliesslich hüte er nicht den Nachbarshund, sondern sei Vater. Eine Polemik.

Ein Freund von mir meinte kürzlich «Oh, wie schön, du hast dienstags Papitag?». Ich bejahte und war gleichzeitig verblüfft. Mein Freund ist eigentlich bezüglich gesellschaftlichen Fragen äusserst sensibel. Ich erwiderte: «Sag nicht Papitag.» Er war irritiert. Bin ich tatsächlich so radikal und empfindlich? Ja.

Haben Sie eine Mutter mit ihrem Kind schon mal gefragt, ob sie heute gerade Mamitag habe? Wenn, dann vermutlich dann, als die Mutter keinen Nachwuchs bei sich hatte und im Ausgang war. Das versteht Frau nämlich kurioserweise als «Mamitag»: Die Mutter hat Zeit für sich, ausnahmsweise. Aber ich vermute, Sie haben die Frage noch nie gestellt. Haben Sie einen Kollegen, der Vater ist, schon mal gefragt, ob er heute gerade Papitag hätte? Dann, bitte, lesen Sie meine Polemik.

Lob für den, der weniger leistet

In Gesprächen mit Bekannten oder in der Familie wird implizit ständig meiner ebenfalls 80 Prozent arbeitenden Frau ein schlechtes Gewissen gemacht. Ich werde bewundert, dass ich es überhaupt hinkriege, einen Tag zu Hause zu bleiben. «Oh, du hast einen Papitag, wie schön!». Jedoch ist meine Frau werktags zwei volle Tage zu Hause und kümmert sich um Kind und Haushalt. Ich bin es nur einen Tag. Eigentlich sollte das Lob und die Kritik umgekehrt verteilt sein. Stattdessen wird mein «Papitag» gefeiert.

Nur schon das Wort «Papitag»: Es suggeriert einen Hütedienst.

Maël Stocker, Vater

Nur schon das Wort «Papitag»: Es suggeriert einen Hütedienst. Der Vater schaut aus Distanz und ungelenk für ein paar Stunden zu seinem Nachwuchs. Als würde ich für ein paar Stunden die Nachbarskinder betreuen oder den Hund meines Kollegen hüten.

Habe ich ein Idealbild aus feministisch-linker Optik in meinem Kopf und kritisiere absolut nicht berechtigt den Papitag, den man doch eigentlich feiern sollte? Ist es nicht eigentlich lobenswert, wenn der Vater einen Tag pro Woche der Familie widmet? Wenn er sogar einen ganzen Tag ganz alleine mit dem Kind oder den Kindern hat? Ist es nicht, denn erstens ist ein Tag pro Woche nur ein Fünftel der Arbeitswoche und die wenigsten haben vier Partner, die assistieren. Und – vor allem geht es zweitens darum, dass Männer als Väter ernst genommen werden. Doch wenn Erziehungsaufgaben unter «Papitag» zusammengefasst werden, ist das nicht der Fall.

Elternsein ist keine aufteilbare 42-Stunden-Woche (weil 24×7=168 ≠42)

Denn das Elternsein beschränkt sich nicht auf einen Arbeitstag von achteinhalb Arbeitsstunden pro Tag. Da sind noch fünfzehneinhalb Stunden, an welchen ich auch bei einem «Nicht-Papitag» Vater bin. Bei den Tagen, an welchen der Kleine betreut ist, gibt es zudem immer noch Morgen und Abend. Da löst sich mein Vatersein nicht in Luft auf. Und Erziehungsfragen beschäftigen auch während dem Arbeiten. Dazu gibt es die Nächte, auch mal mit Geschrei und mit-Kind-im-Arm-im-Kreis-Gehen wie ein Tiger im Käfig, dazu sonor Melodien summend.

Ich habe keinen Papitag. Ich bin Vater. Und ich liebe es.

Maël Stocker, Vater

Also: Ich habe keinen Papitag. Ich bin Vater. 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche. Und ich liebe es. Dazu arbeite ich, ja. Aber auch währenddessen bin ich Vater. «Papitag» steht für «ein Tag Papa spielen pro Woche, Mama stellt das Essen bereit und Papa gibt den oder die Kleinen am Abend wieder ab». Nein. Sagen Sie bitte nie wieder «Papitag», es ist so etwas von entwertend und verniedlichend.

Die Situation ansprechen: Bitte, nur zu

Man mag vielleicht berechtigt einwenden, es sei doch immer noch die Ausnahme, dass Väter werktags die Elternrolle übernehmen und da solle man doch diese Besonderheit ansprechen können, sogar anerkennend benennen dürfen? Nur zu. Aber es gibt Alternativen zum «Das-sollst-du-nicht-sagen-Wort»: Fragen Sie, wenn es Sie interessiert, wie der Papi sein Vatersein und die Arbeit unter einen Hut bringe. Oder noch besser: Wie das Elternpaar sich Erziehung und Haushalt aufteile oder an welchen Fragen sie sich aufreiben.

Und fragen Sie eine Mutter nach ihren Arbeitstagen oder überhaupt ihrem Leben neben dem Muttersein. Denn die Frage, wie Eltern ihr Elternsein in ihr Leben integrieren, welche Fragen sie wie beantworten und wie sich der Alltag ändert, interessiert zugegebenermassen auch mich. Denn es ist manchmal ganz schön anstrengend. Aber zu feiern, wenn ein Vater seine Vaterschaft in sein Leben integriert, das ist doch ein ziemlich seltsames Verhalten, nicht?

So, und morgen geniesse ich unbeschwert meinen Papitag – ups. Sorry, meine ungestörte Zeit mit Sohn. Klingt jetzt aber ja irgendwie auch umständlich. Hm. Aber Sie wissen, was ich meine. Es regt mich einfach auf, dass dieses Genderzeugs immer und immer wieder benannt und diskutiert werden muss und doch kaum Änderung in Arbeitsbedingungen und Denken stattfindet.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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